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Deutschland nach den nächsten Bundestagswahlen: Wie wär's mit Schwarz-Grün?


Der schlechte Ruf der Demokratie
Die Loyalität der Verlierer verschwindet

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 12.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Jens Spahn: Der CDU-Politiker hat angekündigt, das Heizungsgesetz in einer Unions-geführten Koalition wieder zu kippen. (Quelle: Frederic Kern/imago images)

Mal angenommen, die Ampel ist nur für den Übergang gut und ein CDU-Kanzler traute sich zu, mit den Grünen zu regieren: Das könnte vielleicht sogar das gespaltene Land befrieden.

Neulich habe ich gelesen, dass 48 Prozent aller Länder auf Gottes Erdboden Demokratien sind. Nicht schlecht, fast die Hälfte, hätte ich nicht gedacht. Natürlich zählen auch Staaten wie Indien, das sich gerade auf dem G-20-Gipfel als Sprecher des Südens versuchte, mit seinem Kasten-System und seiner Gleichgültigkeit gegenüber der Armut dazu. Als Vergleichsmaßstab diente das Jahr 2006, als noch 58 Prozent der Länder zu den Demokratien gezählt werden durften.

Demokratien kommen und gehen. Sie verändern sich, nehmen autokratische Züge an wie in Polen oder Ungarn. Liberale Demokratien hingegen sind im Rückzug begriffen, siehe Großbritannien oder die USA. Demokratien sind erfahrungsgemäß keine Selbstläufer. Man kann froh sein, wenn die Institutionen funktionieren, zum Beispiel der Rechtsstaat, der eben jetzt Donald Trump anklagt für den Versuch, seine Wahlniederlage in einen Sieg umzumünzen.

Und wie steht es mit unserer Demokratie? Nicht besonders erfreulich, schon wahr. Soeben ist das Heizungsgesetz im Bundestag verabschiedet worden, kein Glanzstück der Regierungskunst. Die CDU hat in Gestalt von Jens Spahn angekündigt, sie würde, sollte sie nach der nächsten Wahl regieren, das Gesetz wieder rückgängig machen.

Ein alter politischer Trick

Ernsthaft? Entweder wird sich Spahn, ein flinker Gedächtniskünstler, dann nicht mehr an seine Worte von heute erinnern, oder er wird in der nächsten Regierung wieder nicht Kanzler. Aber damit sind wir bei einem Problem, das die Parteien im Umgang miteinander aufwerfen. Zur Demokratie gehört die Loyalität der Verlierer. Sie sollten die Niederlage akzeptieren und nicht so tun, als sei die herrschende Koalition ein tumber Haufen von Dilettanten. Die CDU/CSU hatte einst geschworen, sie würde die Entspannungspolitik niemals hinnehmen – und akzeptierte sie nach dem Machtwechsel. Die SPD hatte dereinst gegen die Westbindung übel polemisiert – und akzeptierte sie schließlich.

Das Heizungsgesetz ist ein schönes Beispiel für große Politik, die in den Alltag ihrer Bürger hineinreicht. Geht es gut, sehen die Menschen ein, dass die Veränderung notwendig ist und akzeptieren sie. Vor allem in der eigenen Lebenswelt muss sich das, was im großen Ganzen die Transformation der Gesellschaft heißt, bewähren. Das Fiasko besteht darin, dass zuerst die Verunsicherung über das anstehende Gesetz wuchs und sich dann ein Ausweg aus der auferlegten Not eröffnete: Schnell eine neue Ölheizung, damit die Wärmepumpe warten muss.

Zeit zu gewinnen ist ein alter politischer Trick. Vielleicht tritt aber ein anderer Effekt in diesem Interim ein: die Gewöhnung an das Notwendige. Vielleicht legt sich die Aufregung über die Zumutung der Regierung, zumal ja der Staat zur Investition beiträgt. Gut wär's ja.

Bei der Ampel fügt sich nichts von selbst

Momentan haben die Grünen, durchaus selbstverschuldet, den Schaden. Sie sind die Beelzebuben. Im Netz werden sie schon mal zur "Todessekte" erklärt. Markus Söder will niemals und wenn überhaupt, nur über seine Leiche mit den Grünen regieren. Friedrich Merz erklärt sie zum Hauptgegner. Ziemlich leichtfertig, wenn die konservative Seite über die Grünen herzieht, als seien sie noch die Linksradikalen, die sie mal waren. Da spielen sie anderen in die Hände.

Vielleicht leben wir in einem Zwischenraum. Die Ampelkoalition dürfte keinen Bestand haben. Da fügt sich nichts von selber. Und es muss ja nicht schlecht sein, wenn denn nach der nächsten Wahl eine funktionstüchtige Regierung entstünde – am besten aus CDU/CSU und Grünen. Warum? Weil die Union überzeugend darlegen könnte, der Umbau der Industriegesellschaft sei ja nun einmal nicht ihre Herzensangelegenheit, aber dummerweise unerlässlich und deshalb bei ihr kompetent aufgehoben.

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Noch ist Bayern ein Sonderfall

Die deutsche Nachkriegsdemokratie hatte immer das Glück, dass unverdächtige Koalitionen historisch Notwendiges auf sich nahmen. Konrad Adenauer überzeugte das verunsicherte Bürgertum von der Westbindung, die es stets abgelehnt hatte. Die Entspannungspolitik, für die die Union nicht zu haben war, setzte die SPD-FDP-Koalition ins Werk. Die SPD, die der Wiedervereinigung zu großen Teilen nichts abgewinnen konnte, war in der Opposition und Helmut Kohl besaß im Ausland das erforderliche Renommee, sodass die Einheit erstaunlich geschmeidig zustande kam.

Die Transformation zur Klimaneutralität hat mindestens genauso viel Gewicht und historische Bedeutung. Nach dem Gesetz der Serie könnte eine unionsgeführte Regierung befriedende Wirkung haben, weil ihr niemand Ideologie unterstellt. Dass Markus Söder für diese Oktober-Wahl ganz auf die Freien Wähler setzt, steht nicht im Widerspruch dazu. Heute würde es die CSU zerreißen, wenn der Ministerpräsident seine Vorliebe für die Grünen entdeckte. Bayern bleibt fürs Erste ein Sonderfall. Noch.

Natürlich kommt es auf die richtigen Leute an. Friedrich Merz kann ihnen den Weg ebnen, mehr bleibt ihm nicht. Mit den Grünen regiert die CDU zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Schleswig-Holstein. Dort könnte sich eine Figur herausbilden, die Sinn für Teamarbeit hat und Verständnis für die besondere deutsche Tradition, Fortschritt zu organisieren.

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