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CDU-Lage: Der eine ist ein Risiko, der andere reißt niemanden vom Hocker


Führungswechsel in der CDU
Der eine ist ein Risiko, der andere reißt niemanden vom Hocker

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 11.01.2021Lesedauer: 4 Min.
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Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz Friedrich Merz (v.l.), Norbert Röttgen und Armin Laschet: Keiner überzeugt die Partei wirklich.Vergrößern des Bildes
Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz Friedrich Merz (v.l.), Norbert Röttgen und Armin Laschet: Keiner überzeugt die Partei wirklich. (Quelle: Michael Kappeler/dpa-bilder)

Erst im letzten Augenblick dürfte sich der digitale Parteitag für Friedrich Merz oder Armin Laschet entscheiden. Grüne und SPD hoffen auf den Polarisier Merz, Markus Söder kommt Laschet gelegen.

Seit elf Monaten ist die CDU eine führungslose Partei. Dieser Umstand fiel einerseits nicht besonders ins Gewicht, weil da ja noch die Bundeskanzlerin war, die in der Pandemie eine Wiederauferstehung feierte. Andererseits ist der Kontrast zwischen den drei Kandidaten und Angela Merkel riesengroß und wird nicht kleiner, solange Deutschland im Bann des Virus steht – also ungefähr bis zur Bundestagswahl am 26. September.

Eigentlich stand die CDU immer im Verdacht der Machtversessenheit. In der Mehrzahl der Jahre seit 1949 stellte sie den Kanzler. Darin sah sie selber so etwas wie ein Naturrecht und die drei SPD-Kanzler als Irrtümer der Geschichte. Immer war da jemand in der CDU, der unbedingt regieren wollte. Jetzt aber sagte Armin Laschet im Interview mit "Bild am Sonntag", es sei "nicht gottgegeben, dass die CDU auch den nächsten Kanzler stellt".

Lieblingsgegner von Grünen und SPD

Das ist ein hübsch vieldeutiger Satz. Er stimmt insofern, dass sowohl Helmut Kohl als auch Angela Merkel einem CSU-Machtmenschen den Vortritt lassen mussten, Strauß und Stoiber, ehe beide 16 Jahre regieren durften. Er kann auch als Einsicht verstanden werden, dass der Höhenflug der CDU in der Pandemie der Kanzlerin zu verdanken ist. Die Konsequenz daraus kann sein, dass die CDU ohne Angela Merkel allenfalls bei 30 Prozent liegt und damit in Reichweite der lieben, netten Grünen, die gut im Wind liegen, weil die Deutschen Harmonie zu schätzen wissen.

Tückischer ist der tiefere Sinn des Satzes, der ungefähr so zu verstehen ist: Wenn ihr, liebe Parteifreunde, auf die Idee verfallen solltet, mir den Friedrich Merz vorzuziehen, dann gefährdet ihr unsere Kanzlerschaft. Gemeint ist damit, dass der Kanzlerkandidat Merz der Lieblingsgegner von Grünen wie SPD wäre, denn er bedeutet Polarisierung, die ihnen vermutlich zugute käme. In diesem Zusammenhang ist die erstaunliche Proklamation zu verstehen, die Olaf Scholz in der vorigen Woche einfach mal so von sich gab: Ich will Kanzler werden, sagte er mit der nonchalanten Selbstverständlichkeit, mit der er sonst Corona-Hilfen in Aussicht stellt. Denn er glaubt, dass Merz die SPD auf 25 Prozent hochtreibt.

Unterschiedliche Machtoptionen

Na ja, darf Scholz so wagemutig sagen, müssen wir nicht glauben, aber das Prinzip stimmt: Merz inspiriert nach innen und spaltet nach außen, was der Demokratie nicht schaden muss, aber der CDU schaden kann.

Friedrich Merz wird dem CDU-Imperativ nach Machtversessenheit als Voraussetzung für Machtgewinn gerecht, das ist sein Vorteil. Er will Kanzler werden. Er argumentiert weltläufig und angstfrei, was ihn immer wieder anecken lässt, aber sei’s drum. Konsens ist gut, Konflikt kann zur Klärung beitragen. Wer unter den CDU-Delegierten so denkt, wählt in dieser Woche Merz. Dann gibt es einen Parteivorsitzenden, der umstandslos die Kanzlerschaft anstrebt. Basta!

Natürlich gibt es noch einige andere Überlegungen, welche die 1.001 Delegierten anstellen mögen. Zum Beispiel diese: Kann Merz am 26. September die CDU auf 33, 34 oder gar 35 Prozent hieven? Und mit wem will er regieren – mit den Grünen? Wohl kaum, machen sie nicht. Mit der FDP? Reicht allein bestimmt nicht. Gemeinsam mit FDP und SPD? Doch wohl kaum.

Gut möglich aber, dass sich gegen die Merz-CDU eine andere Regierung bilden ließe – zum Beispiel aus SPD, Grünen und FDP, wobei dann ein Grüner oder eine Grüne ins Kanzleramt einziehen würde, nach jetzigem Stand der Dinge. Ist jedenfalls wahrscheinlicher als die lauen Merz-Optionen. Weniger wahrscheinlich wäre das andere Modell: SPD plus Linke plus Grüne – rechnerisch vielleicht möglich, politisch aber unerwünscht.

Merz ist ein Risiko

So gesehen stellt die Wahl von Friedrich Merz für die CDU ein Risiko dar. Und deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass sich die Delegierten am Ende auf Armin Laschet einigen. Leidenschaftslos. Illusionslos. Das Weiter-So, das er bedeutet, reißt niemanden vom Hocker. Aber immerhin hat Laschet als einziger der Drei schon mal eine Wahl gewonnen. Er verbindet Härte mit Wärme und ist ein Integrationskünstler. Am wichtigsten aber: Er bedeutet kein Risiko und bietet die Option, mit den Grünen zu regieren, die Merz nicht hat.

Soweit man Umfragen trauen darf, liegen Laschet und Röttgen und Merz noch nahe beieinander. Röttgen ist ein achtbarer Kandidat, der dafür sorgen wird, dass keiner der drei im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht. Also treten die beiden Kandidaten, die vorne liegen, gegeneinander an. Ziemlich spannend, dauert ziemlich lange, weil ja Briefwahl herrscht.

Die fiebrige Hitze eines normalen Parteitages fehlt diesmal. Kandidatenreden aus dem Off können kaum eine Wende bringen. Die Umstände entemotionalisieren die Wahl, machen daraus eine Geisterabstimmung oder eben einen rationalen Akt. Und damit kommt diese Wahl eines Parteivorsitzenden, ungewohnt wie sie ist, dem Idealbild einer demokratischen Wahl nahe, bei der ja der Verstand die Entscheidung fällen soll.

Was macht Markus Söder?

Es gibt noch einen wichtigen Unterschied zwischen Merz und Laschet. Merz würde sofort den Kanzler spielen, der er noch nicht ist. Er würde in Konkurrenz zur Kanzlerin treten, die ihn vor vielen Jahren in die Wüste schickte, was er nicht vergessen kann. Da Merz kein Amt hat, muss er die Kanzlerin zwangsläufig zur Seite drängen, was ihm aber wohl kaum gelingen sollte. Folglich würde er sich mit seiner Ungeduld selber schwächen.

Laschet ist Ministerpräsident und hat eine Bühne. Also muss er nicht mit den Hufen scharren. Sein Problem liegt woanders: Gewinnt er im zweiten Wahlgang, fehlt es ihm an Autorität, folglich fällt ihm die Kanzlerschaft nicht zu.

Schauen wir uns mal die Lage aus der Sicht von Markus Söder an. Merz bedeutet: Das war's dann, ich bleibe in Bayern und bin ansonsten weiterhin 12 Jahre jünger als Merz, mal schauen, ob der mit dann über 70 noch mal antreten wird. Laschet bedeutet: Die CDU soll mir mal den roten Teppich ausrollen, damit ich Kanzler werden kann, anders als Strauß und Stoiber.

Die CDU wählt einen Vorsitzenden und das ganze Land muss darauf hoffen, dass sie die richtige Wahl trifft. Denn auf den Kanzler kommt es an, wenn die Kanzlerin, auf die wir uns in Krisen verlassen konnten, ihren Abschied nimmt.

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