t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikTagesanbruch

Tagesanbruch: Wirrwarr in Großbritannien & Respekt für Horst Seehofer


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 10.07.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Asylpolitik - SeehoferVergrößern des Bildes
Asylpolitik - Seehofer (Quelle: dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

“Die spinnen, die Briten“, heißt es im wunderbaren Asterix-Band Nummer acht, und so langsam glaube ich, die schlagkräftigen Gallier hatten recht. Von der Boulevardpresse und politischen Scharfmachern aufgehetzt, stimmte eine knappe Mehrheit der Briten vor zwei Jahren für den Austritt aus der EU. Dabei sind sich so ziemlich alle Ökonomen einig: Der Brexit wird dem Land mehr schaden als nutzen. Massiv schaden.

Seitdem sucht Premierministerin Theresa May händeringend nach einem Kompromiss: Formal austreten ja, aber bitte gleichzeitig so viele EU-konforme Gesetze einführen, dass man doch irgendwie im Spiel bleibt. Ein hartes Spiel, denn EU-Unterhändler Barnier achtet zurecht mit Argusaugen darauf, dass die Briten sich nicht nur die politisch-wirtschaftlichen Rosinen rauspicken, während sie den verbleibenden 27 EU-Staaten die Probleme aufhalsen. Ein harter Poker, in dem die meisten Kommentatoren lange schwarz sahen. Schließlich drängt die Zeit: Am 29. März 2019, Schlag 23 Uhr scheidet Großbritannien aus der EU aus, und wenn bis dahin nicht zig Gesetze und Verwaltungsabkommen geschlossen sind, die Warenverkehr, Zölle, Reisefreiheit und vieles mehr mit der EU regeln, stürzt, das ist keine Übertreibung, das Land in den Abgrund.

Zuletzt schien Licht am Ende des Tunnels zu glimmen – weil die lange unglücklich agierende May ein glückliches Händchen bewies und ihr nach und nach ein Kunststück zu gelingen schien: zwischen der unerbittlichen EU einerseits und den ebenso unerbittlichen Brexit-Fans in ihrer eigenen Partei andererseits einen Mittelweg auszuloten.

Und nun das: Erst tritt Brexit-Minister Davis zurück, dann folgt ihm auch noch Außenminister Johnson – der May nun wohl im Parlament herausfordern und noch kräftiger als bisher an ihrem Stuhl sägen wird. Damit er dort selbst irgendwann Platz nehmen kann. Zum Abschied rief Johnson May hinterher, ihr Plan sei “ein Scheißhaufen“. Mit Verlaub: Der spinnt, dieser Brite.

______________________________

Gestern habe ich im Tagesanbruch über Flüchtlinge auf dem Mittelmeer geschrieben, und das Thema hat viele Leserinnen und Leser zu Kommentaren bewogen. Zwei Zuschriften, die mich per E-Mail erreichten, möchte ich in Auszügen zitieren, weil sie stellvertretend für zwei Blickwinkel auf das Problem stehen, und weil ich glaube, dass es das eigene Denken schärft, wenn man unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema kennt.

Ein Leser schrieb mir: “Die Flüchtlinge werden von Schleppern mit falschen Versprechungen in die Boote gelockt. (…) Um die verantwortungslosen Geschäfte dieser Schlepper zu beenden, gibt es nur die Möglichkeit, an der afrikanischen Küste ein dichtes Netz von Hilfsschiffen zu postieren und alle aufgenommenen Personen zurück an den Ausgangsort der Reise zu bringen. Dann wird nach wenigen Wochen den Schleppern die Kundschaft ausgehen, und der Spuk ist beendet. Die EU Staaten müssten zugleich vor Ort für Sicherheit und Versorgung der verführten Menschen und Rückführung in ihre Heimatländer sorgen. Denn die meisten kommen nur, weil sie sich in Europa bessere Lebensverhältnisse erhoffen. Diese Lebensverhältnisse in Europa werden sich radikal verschlechtern, wenn auf dem afrikanischen Kontinent eine Völkerwanderung Richtung Europa einsetzt.“

Eine andere Leserin schrieb mir: “Warum können nicht andere Lösungen gefunden werden? Warum wird nicht erst einmal definiert, was ein Flüchtling ist? Flüchtlinge, die vor Krieg, Verfolgung etc. fliehen, sind die eine Seite. Ihnen sollte auf keinen Fall die Tür vor der Nase zugeschlagen werden. Flüchtlinge, die vor wirtschaftlicher Misere, Armut etc. fliehen, sind die andere Seite. Bei ihnen sollte man wirklich in ihrem Herkunftsland ansetzen, Arbeitsmöglichkeiten schaffen usw. Die Probleme an der Wurzel zu packen wäre besser. Das sagen und wissen so viele – und doch geschieht nichts.“

Das scheint mir eine berechtigte Kritik zu sein. Auch ich denke, dass die europäische Außenpolitik sich immer noch zu wenig gegen die Ursachen von Flucht und Vertreibung in Afrika und Nahost engagiert: Kriege, Klimawandel, Vetternwirtschaft, Rechtlosigkeit, ethnische Konflikte. Stattdessen werden schnelle Lösungen propagiert. Genau besehen, kann es eine “Lösung“ aber eigentlich gar nicht geben, schreibt mein Kollege Jonas Schaible in einem Essay: “Flüchtlinge gehen nicht weg, egal wie sehr Deutschland auf Abschreckung setzt, weil die meisten vor Krieg und Verfolgung fliehen. Auch die moralische Zumutung geht nicht weg, weil es nicht gerecht ist, dass die einen in Sicherheit geboren wurden und die anderen nicht. Und schließlich geht auch Europas Verantwortung nicht weg, weil Flüchtlinge deutlich sagen, von wem sie Schutz erbitten. Am Ende muss Deutschland, muss jeder hier entscheiden, wie viel er aufzugeben bereit ist, um zu helfen. Und wie viel Leid er hinzunehmen bereit ist, um es bequem zu haben.“ Diesen Text lesen Sie hier.

______________________________

WAS STEHT AN?

Wochenlang hat die Republik über den “Masterplan Migration“ des Bundesinnenministers gerätselt, der Zoff über einen von 63 Punkten ließ die Bundesregierung schier auseinanderfliegen. Eine Version des Plans ist seit einigen Tagen im Umlauf, und ich habe sie im Tagesanbruch ebenso bereits kommentiert wie die folgende Einigung mit der CDU. Alles in allem: eher ein Plänchen denn ein Plan.

Dennoch schaue ich heute Vormittag gespannt auf den Termin, wenn Seehofer in Berlin sein Werk vorstellt. Das Papier mag bereits weitgehend bekannt sein – aber wie präsentiert es der Minister? Mit stolzgeschwellter Brust oder mit scheuem Blick, laut oder leise, mit Superlativen auf der Zunge oder nüchternen Floskeln? Keine Frage: In den Augen vieler Menschen (auch meiner) hat der CSU-Chef in den vergangenen Wochen schwere Fehler gemacht – handwerklich, politisch, taktisch. Aber er hat auch viel eingesteckt. Es ist das eine, für seine Überzeugungen (oder seine Wahlkampfziele und meinethalben auch seine Karrierepläne) in der Öffentlichkeit einzustehen, und es ist das andere, auch dann noch morgens aufzustehen, wenn man landauf, landab, in Zeitungen, Fernsehen und Internet, tagelang gerügt, kritisiert, zum Teil auch wüst beschimpft wird. Dazu gehören starke Nerven und viel Resilienz. Die hat Horst Seehofer zweifellos. Bei aller inhaltlichen Kritik: Das nötigt mir Respekt ab.

Loading...
Loading...
Loading...
Täglich mehr wissen

Abonnieren Sie kostenlos den kommentierten Überblick über die Themen, die Deutschland bewegen. Datenschutzhinweis

______________________________

Mehr als 70.000 Fahrradfahrer verunglücken jährlich auf deutschen Straßen, bis zu 400 kommen dabei ums Leben. Eine tödliche Falle sind häufig Lkw, die beim Abbiegen Radler übersehen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will deshalb jetzt eine Idee von Fahrradclubs aufgreifen und schnell “Abbiegeassistenten“ in allen Lastwagen einführen. So sollen Radler und Fußgänger geschützt werden. Sehr gut, finde ich.

______________________________

Heute Abend wird es richtig spannend, denn da beginnt das WM-Halbfinale, das eigentlich ein EM-Halbfinale ist. Sind ja nur noch europäische Mannschaften im Turnier. Die Partie zwischen Belgien und Frankreich ist kein gewöhnliches Duell. Da treffen zwei Nachbarn aufeinander, die manches trennt, aber auch vieles verbindet. So sitzt Frankreichs Legende Thierry Henry als Co-Trainer Belgiens auf der Bank, und auf dem Platz stehen sich enge Freunde gegenüber. Es wird ein Spiel auf Augenhöhe, bei dem einzelne Spieler den Unterschied ausmachen können. Allen voran der Franzose Kylian Mbappé, der mit gerade mal 19 Jährchen schon zu den besten Stürmern Europas zählt. Mein Kollege Benjamin Zurmühl hat ihn porträtiert – und sieht in ihm sogar einen zukünftigen Weltfußballer. Meine Kollegen Axel Krüger und Martin Trotz wiederum haben pikante Szenen der Fußballspieler abseits des Platzes zusammengeschnitten: Vorhang auf für feiernde Kroaten, fliegende Sofas und David Beckham, der… ach, sehen Sie selbst!

______________________________

WAS LESEN?

Lesen bildet, lesen erweitert den Horizont, lesen macht einfach Spaß. Aber welche Neuerscheinung lohnt sich wirklich als Lektüre, welche passt zu Ihren Interessen? Wir helfen Ihnen bei der Auswahl: Unsere Literaturexpertin Karla Paul hat 15 Neuerscheinungen zusammen- und jeweils knapp vorgestellt: vom packenden Thriller über die emotionale Lebensgeschichte bis zur spannenden Utopie. Jede Wette: Darunter ist auch das passende Buch für Ihren Sommerurlaub.

______________________________

Sehen Sie im Büro, Café oder der U-Bahn auch jeden Tag all die Menschen, die mit vorgeneigtem Kopf auf Ihr Smartphone starren? Gehören Sie sogar selbst dazu (so wie ich)? Lesen Sie etwa jetzt gerade den Tagesanbruch in eben dieser Haltung? Hören Sie bitte sofort auf damit! Nein, natürlich nicht mit dem Lesen, sondern damit, so auf Ihr Handy zu gucken. Denn wer seinen Kopf um gerade mal 15 Grad vorneigt, belastet seine Halswirbelsäule mit zwölf (12!) Kilogramm Gewicht. Bei 45 Grad – also so, wie Sie und ich und viele, viele andere Leute auf Ihr Smartphone schauen – sind es schon 20 Kilo! Mein Kollege Ali Roodsari beschreibt eindrucksvoll, wie sehr das auf Dauer dem Körper schadet. Und was man ganz einfach dagegen tun kann.

______________________________

WAS AMÜSIERT MICH?

Haben Sie im gestrigen Tagesanbruch den Mario-Lars-Cartoon vermisst? Ich auch. Also schnell einen nachreichen:

Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

Den täglichen Newsletter von Florian Harms hier abonnieren.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website