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Tagesanbruch: Der Kampf um die Mitte unserer Gesellschaft


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

06.11.2018Lesedauer: 8 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Polizisten im Einsatz am Rande einer Demonstration in Köln.Vergrößern des Bildes
Polizisten im Einsatz am Rande einer Demonstration in Köln. (Quelle: C. Hardt/Future Image/imago-images-bilder)

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WAS WAR?

Viel wird in diesen Tagen über Herrn Maaßen geschrieben. So viel, dass es Ihnen nicht schwer fallen wird, sich darüber zu informieren und unzählige Kommentare dazu zu finden, wenn Sie sich partout dafür interessieren. Ich möchte es deshalb an dieser Stelle bei der Bemerkung belassen, dass ich es für einen führenden und sehr gut bezahlten Beamten einer Behörde als unangemessen erachte, wenn er erstens anfängt, selbst Politik zu machen, zweitens dabei Fehler ausschließlich bei anderen sucht, statt sich auch mal an die eigene Nase zu fassen, drittens die eigene Regierung und damit seinen Dienstherrn verächtlich macht und über angebliche "Radikale" in einer der Regierungsparteien fabuliert, während sich seine dafür zuständige Behörde selbst erkennbar schwer tut, tatsächliche Radikale verlässlich zu überwachen, und viertens offenkundig jedes Gespür für guten Stil verloren hat.

Und damit bin ich bei Andrea Nahles. Natürlich hat auch die SPD-Vorsitzende einen schweren Fehler begangen, als sie zunächst Horst Seehofers Vorschlag akzeptierte, Maaßen zur Belohnung für dessen Ausfälle auch noch zu befördern. Sie hat diesen Fehler aber hinterher eingestanden, und vermutlich gibt es niemanden, der sich mehr darüber ärgert als sie selbst. Vielleicht wäre es deshalb jetzt angebracht, den Fall endgültig ad acta zu legen und nach vorn zu blicken.

Blicken die führenden SPD-Politiker nach vorn, sind die Aussichten weniger schlecht, als wenn sie zurückschauen. Denn ihr Regierungspartner, unter dem die Genossen seit Jahren gelitten haben, verändert sich grundlegend.

Moment, wieso gelitten? Weil es Bundeskanzlerin Merkel raffiniert geschafft hat, jeden Erfolg sozialdemokratischer Politik als ihren eigenen zu verkaufen, vom Mindestlohn über die Frauenquote bis zur Rentenerhöhung. So ist das halt in einer Partnerschaft: Der Kleine kann sich noch so sehr abstrampeln, am Ende pflückt immer der Größere den Lorbeer.

Moment, wieso grundlegend verändert? Weil erstens der Beelzebub aus Sicht der Sozialdemokraten, CSU-Chef Seehofer, voraussichtlich allerallerspätestens Mitte Dezember abtritt (dann aber wirklich und endlich und unwiederbringlich, so pfeifen es jedenfalls die weiß-blauen Spatzen von den Dächern in München). Und weil der oder die künftige CDU-Chef(in) den Kurs der Partei neu ausrichten wird: entweder unternehmerfreundlicher und mit einer härteren Migrationspolitik (Merz) oder konservativer und mit einer härteren Migrationspolitik (Kramp-Karrenbauer). Das wird manchen Bürgern gefallen, anderen aber nicht.

Wenn die SPD sich ausnahmsweise mal geschickt anstellt und sich rechtzeitig auf diese Veränderungen vorbereitet, kann sie sich von der Union absetzen, Unterschiede herausstellen, sich als liberale, arbeitnehmerfreundliche und weltoffene Stimme der progressiven Mitte inszenieren. Dort gibt es trotz des Erfolgs der Grünen noch Platz. Vor allem all die Menschen, die hart arbeiten, aber dafür eher gering entlohnt werden, haben dringend eine starke politische Vertretung verdient: die Polizisten, Krankenschwestern, Altenpfleger, Paketboten, Kindergärtnerinnen, Soldaten, Verkäufer, Kellner, Reinigungskräfte, Köche, Müllmänner, Lagerarbeiter, Hotelfachfrauen, Kfz-Mechatroniker, Kraftfahrer, Rettungssanitäter, und, und, und. Kurz: die Mitte unserer Gesellschaft.

Ich denke: Schafft es die SPD, all diesen Menschen glaubhaft zu erklären, dass sie für deren Rechte kämpft, muss sie sich weder vor Herrn Merz noch vor Frau Kramp-Karrenbauer und erst recht nicht mehr vor schlechten Umfragen fürchten.

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Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen manchmal so langsam, dass man meint, sie würden stehen. Ein Mann lässt morden, er lässt foltern, er schickt seine Häscher nach Menschen aus, von denen danach auf dieser Erde keine Spur mehr zu finden ist. Es ist nicht übertrieben, ihn einen Schlächter zu nennen, auch wenn er selbst sich die Hände nicht blutig macht. Wie viele Opfer? Wir wissen es nicht genau. Tausende. Und niemand kann ihm etwas anhaben. Ali Mamluk heißt der Mann, er ist "Sicherheitschef" und einer der engsten Berater von Baschar al-Assad. Es gibt keine Folterkammer des Regimes in Syrien, die ihm nicht untersteht. Gestern nun gab es eine kleine Überraschung für ihn. Denn unter den ungezählten Menschen, die er ungestraft in Qualen und Tod beordert hat, werden jetzt zwei – ja, genau zwei – für ihn zum Problem.

In Frankreich ist gegen Ali Mamluk Haftbefehl erlassen worden, wegen Beteiligung an Folter, an Verschleppung, an Verbrechen gegen die Menschlichkeit und an Kriegsverbrechen. Der Mord an einem Vater und seinem Sohn, beide mit doppelter französisch-syrischer Staatsangehörigkeit, hat der Justiz einen Hebel gegeben, gegen Mamluk vorzugehen. Ebenfalls gesucht sind zwei weitere hochrangige Schergen des Regimes: der Chef des gefürchteten Geheimdienstes der Luftwaffe, und der Kommandeur des Gefängnisses im Militärflughafen von Damaskus, dem eine UN-Kommission die höchste Sterblichkeitsrate aller solcher Einrichtungen in Syrien bescheinigt hat. Den drei Gesuchten kann auch in Abwesenheit der Prozess gemacht werden.

Na und?, werden Sie nun vielleicht fragen. Es gibt doch schon längst Sanktionen der USA und der EU gegen Mamluk, die haben ihn am Morden auch nicht gehindert. Aber Sanktionen sind politische Entscheidungen und können beim Politpoker auch wieder fallen. Bei einer Verurteilung durch ein französisches Gericht sieht das anders aus. Beträchtliche Teile der Welt werden für das Trio zu einer permanenten No-go-Zone. Das ist auch ein Signal an andere Mörder in Spitzenpositionen. Und wenn die Beweislage im Prozess doch nicht für eine Verurteilung reicht? Dann reicht sie vielleicht im nächsten. Auf den Chef des Luftwaffengeheimdienstes wartet schon ein weiterer Haftbefehl: in Deutschland. Die Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen.

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WAS STEHT AN?

Die mächtigste Demokratie der Welt wählt – und obgleich die Bürger eigentlich über die Mehrheit im Kongress abstimmen, geht es den meisten doch um einen anderen: Kann US-Präsident Donald Trump hinterher weiterhin durchregieren oder bekommt er in erstarkten Demokraten ein politisches Gegengewicht? Die ersten Wahllokale öffnen um 0 Uhr in der kommenden Nacht, die letzten schließen morgen früh um 6 Uhr. Unser Korrespondent Fabian Reinbold in Washington, unser Parlamentsreporter Jonas Schaible in Berlin und unsere Korrespondentin Anna-Lena Janzen in Melbourne halten Sie während der Nacht im Liveticker auf t-online.de auf dem Laufenden. Und bis es so weit ist, erklärt Ihnen Fabian Reinbold in diesem kurzen Video, warum die Wahlen so wichtig sind und was für Trump auf dem Spiel steht – und in dieser Reportage aus einem besonders umkämpften Wahlbezirk im Speckgürtel Washingtons, warum das Rennen ums Repräsentantenhaus in Amerikas Vorstädten entschieden wird.

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Wo haben Bundes- und Landesregierungen unnötig unser Geld verbraten? Das erfahren wir heute, wenn der Bund der Steuerzahler sein neues "Schwarzbuch" vorstellt. Bei solchen Terminen sehen wir, Tusch!, schwarz auf weiß, wie wertvoll unsere Demokratie ist: Jede öffentliche Macht und jeder Geldtopf wird akribisch kontrolliert.

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Apropos Demokratie: Der bayerische Landtag wählt heute den neuen Ministerpräsidenten, und falls nicht im letzten Moment doch noch Franz Josef Strauß wiederaufersteht, dürfen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die größte Ehre im weiß-blauen Himmel Markus Söder zuteil wird.

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In Münster beginnt heute der Prozess gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof. Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 94-Jährigen aus dem Kreis Borken hundertfache Mordbeihilfe vor. "Der nationalsozialistische Staat hatte entschieden, dass Menschen, die eine bestimmte Abstammung, Religion oder politische Überzeugung hatten, nicht mehr leben durften. Ein derartiges Verbrechen muss bis zum Schluss verfolgt werden", sagte Jens Rommel, Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, als mein Kollege Marc von Lüpke und ich ihn vor einiger Zeit zum Interview trafen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, wollen heute in Berlin darüber informieren, wie Deutschland schrittweise aus der Nutzung des Herbizids Glyphosat aussteigt. Je eher, desto besser, oder?

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Ebenfalls in Berlin veranstalten heute die Nationale Armutskonferenz und die Diakonie ein großes Treffen von, so steht es im Programm, "Menschen mit Armutserfahrung". Das klingt bürokratisch, aber was es bedeutet, ist meist sehr real und sehr schlimm. Das Motto des Treffens: "Armut stört – immer!" So ist es.

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Vielleicht geht es Ihnen auch so: Manchmal hat man das Gefühl, in unsicheren Zeiten zu leben. Aber es gibt ein Mittel dagegen. Nicht gegen den Lauf der Dinge, sondern gegen die Verunsicherung. Treten wir also eine Reise an – aber ohne den Ort zu wechseln: Wir begeben uns in eine andere Zeit. In diesen Novembertagen, aber vor 100 Jahren, hatten unsere Urgroßeltern auch das Gefühl, in unsicheren Zeiten zu leben.

Der erste Weltkrieg war erlitten und verloren. Matrosen hatten gemeutert, als sie in ein aussichtsloses letztes Gefecht geschickt werden sollten. Es herrschte Chaos: Die Monarchie war am Ende, Truppen verweigerten den Befehl, setzten ihre Kommandeure ab und riefen Räte aus, Arbeiter schlossen sich an. Andere Bewaffnete, die sogenannten Freikorps, stellten sich ihnen entgegen. Essen war knapp und rationiert. Die Schieber machten dicke Geschäfte, doch viele hungerten, und Kinder gingen aus Not klauen. Niemand wusste, was der nächste Tag bringen würde. Unvorstellbare Zeiten.

Wie gut, dass eine Graphic Novel – eine als Comic erzählte Geschichte – unserem Vorstellungsvermögen auf die Sprünge hilft. Bruno, ein Matrose, der sich der Revolution angeschlossen hat, trifft am Hamburger Hauptbahnhof ein. Begleiten Sie ihn nach Hause! Es lohnt sich. Allein schon für das schöne Gefühl, heute in so behüteten Zeiten zu leben.

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Über welches Produkt im Supermarktregal haben Sie sich dieses Jahr besonders geärgert? Lebensmittel, die als "natürlich" angepriesen werden, aber rappelvoll mit Zusatzstoffen sind? "Smartes" Wasser, das alles ist außer schlau? Auf vielen Produkten prangen irreführende Angaben, mit denen wir Kunden getäuscht werden. Die Verbraucherorganisation Foodwatch deckt den Etikettenschwindel auf und stellt heute fünf Produkte von Coca-Cola, Dennree, Edeka, Heinz und Schwartau mit besonders dreisten falschen Versprechungen zur Wahl. Und jetzt sind Sie dran: Hier können Sie abstimmen, welche der fünf Mogelpackungen den Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres bekommen soll: den Goldenen Windbeutel 2018. Ich bin gespannt auf das Ergebnis.

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WAS LESEN?

Ganz Fußball-Deutschland kennt nun Lisa Müller. Mit ihrem spöttischen Instagram-Kommentar hat die Gattin des Bayern-Stürmers die Malaise von Bayern-Trainer Niko Kovac auf den Punkt gebracht – obgleich sie den Satz später löschte und sich dafür entschuldigte. Das Dramachen vom vergangenen Wochenende passt wie der – entschuldigen Sie bitte die Phrase – Ball ins offene Bayern-Tor und dokumentiert die miese Stimmung in München. Geht kommenden Samstag das Topspiel in Dortmund verloren, haben die Meisterkicker satte sieben Punkte Rückstand auf den BVB. Selbstverständlich gibt es kein besseres Thema für meine Kollegen Heiko Ostendorp und Florian Wichert und ihren Zweikampf der Woche: Sollten die Herren Hoeneß und Rummenigge dann den Trainer wechseln? Eine Frage – zwei Meinungen.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Das Leben ist kein Ponyhof. Das haben Sie vermutlich schon länger geahnt, doch möchte ich Ihnen heute einen Baby-Bären vorstellen, der mit dieser Lebensweisheit gerade Bekanntschaft macht. Er hat eine erfrischend einfache Aufgabe zu erfüllen: seiner Mama einen verschneiten Steilhang hinauf zu folgen. Was sich dann abspielt, kann als Metapher für das Leben herhalten: Anstrengungen, Erfolge, Rückschläge. Und kein Pony weit und breit.

Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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