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Griechenland-Wahl: Was die SPD davon lernen kann


Die SPD stellt eine zentrale Frage nicht mehr

  • Peter Schink
Von Peter Schink

Aktualisiert am 08.07.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Sie versuchen es mit Grünen und Linken: Der designierte Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte und Carsten Sieling, Ex-Regierungschef, beim Landesparteitag der SPD.Vergrößern des Bildes
Sie versuchen es mit Grünen und Linken: Der designierte Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte und Carsten Sieling, Ex-Regierungschef, beim Landesparteitag der SPD. (Quelle: Mohssen Assanimoghaddam/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

in Stellvertretung für Florian Harms berichte ich heute. Hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR

Viele der Themen zu Beginn dieser Woche sind recht freudlos: Die italienische Regierung lässt Flüchtlinge nicht ans Land, die iranische Führung kündigt eine höhere Urananreicherung an, der Vorstand der Deutschen Bank will 18.000 Stellen abbauen, der große Filmmogul Artur Brauner ist tot.

Ich möchte Ihren Blick deshalb zunächst auf eine der positiven Nachrichten des Wochenendes lenken. Zumindest kurz. Bremen hat wohl bald wieder eine Regierung. Sofern die Parteimitglieder der Linken noch zustimmen, regiert im kleinen Bundesland demnächst Rot-Rot-Grün. Die SPD stellt wieder den Bürgermeister. Das ging flott, nach einem so schwierigen Wahlabend am 26. Mai.

Erinnern Sie sich? Die SPD hatte die Wahl klar verloren, landete hinter der CDU. Zwei Koalitionen waren möglich. Beide nur mit den Grünen.

Sie waren es denn auch, die recht schnell befanden, dass es in Bremen unabhängig von der Schwäche der SPD eine strukturelle linke Mehrheit gebe. Die solle regieren, fanden die Grünen.

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Die Probleme in Bremen sind vielfältig. Für die SPD sind die nächsten vier Jahre die endgültig letzte Chance, zu zeigen, dass sie das Land voranbringen kann. Zugleich führen die Sozialdemokraten nun die erste westdeutsche rot-rot-grüne Regierung. Bremen habe auch Modellcharakter für eine solche Regierung im Bund, sagte SPD-Landeschefin Sascha Karolin Aulepp am Wochenende. Ein Aufbruchssignal sei das für die SPD.

Rein rechnerisch ist eine rot-rot-grüne Bundesregierung zwar möglich. Doch das Aufbruchssignal ist derzeit aber reines Wunschdenken. Die Deutschen wünschen sich eher eine schwarz-grüne Koalition (46 Prozent), Rot-Rot-Grün ist jedenfalls weit abgeschlagen (30 Prozent). Zudem wäre eine solche Koalition im Bund derzeit eine grün-rot-rote Koalition, mit einem grünen Kanzler Robert Habeck an der Spitze. Die SPD fände sich erneut als Junior-Partner wieder.

Die SPD ist also gut beraten, zuerst einmal die inhaltliche und personelle Erneuerung zu suchen. Die zentrale Frage bleibt: Welche Wählerschichten sollen aus welchem Grund die SPD wählen? Die Antwort wird sich in Bremen nicht finden.

Ein Fingerzeig kann das gestrige Wahlergebnis in Griechenland sein. Die Menschen haben die regierende Syriza abgewählt, wegen der harten Sparmaßnahmen. Der Wahlgegner hatte überzeugender versprochen, die Lebensumstände deutlich zu verbessern. Die konservative Nea Dimokratia (ND) konnte viele junge Wähler und auch enttäuschte Rentner für sich gewinnen. Dabei ging es nicht darum, ob die ND ihr Wahlversprechen wirklich einlösen kann. Die Menschen halten die Partei für glaubwürdig genug, um es mit ihr zu versuchen.

Das zentrale Thema der SPD war immer die Verteilung zwischen Arm und Reich. Das hat sich für einen Teil der früheren Klientel als Thema erledigt (Stichwort: Bildungsgewinner). Andere fühlen sich von der SPD seit der Agenda 2010 nicht mehr überzeugend vertreten.

Bislang ist es der SPD nicht gelungen, das Thema wieder zu besetzen. Rein inhaltlich hat die Sozialdemokratie zwar Erfolge zu verzeichnen (Stichwort: Mindestlohn). Emotional aber dringt die Partei nicht mehr durch. Auch nicht mit anderen Themen wie Europa oder Digitalisierung. Der Zeitgeist hat die SPD an den Rand gedrängt.

Historisch gesehen gab es in der Geschichte der Bundesrepublik zweimal einen Regierungswechsel von der Union zur SPD: 1969 und 1998. In beiden Fällen waren es mit Willy Brandt und Gerhard Schröder charismatische Kanzlerkandidaten, die den Menschen klar vermitteln konnten, mit welchem Stil und welchen Inhalten sie die Republik regieren und verändern wollten.

Die SPD braucht neben solchem Führungspersonal klare Antworten auf die emotionalen Themen unserer Zeit: Wie soll die Energiewende sinnvoll und für alle bezahlbar gestaltet werden? Wie sichern wir unseren Wohlstand in einer unsicheren politischen Weltlage? Wie schaffen wir die Digitalisierung ohne disruptive Brüche?

Das bringt mich zurück zu den schlechten Nachrichten vom Wochenende. Die kann keine Partei ändern. Aber die Menschen erwarten zu Recht häufiger klare Antworten und eine klare Haltung in einer komplexer werdenden Welt. Darum muss die SPD-Führung ringen. Nicht um neue Koalitionspartner.


WAS KOMMT

Im Vatikan zeigt der Papst heute eine klare Haltung. Der Pontifex feiert im Petersdom eine Messe, um all der Menschen zu gedenken, die auf der Flucht im Mittelmeer und anderswo ums Leben gekommen sind. Der Papst wolle in der Messe auch diejenigen ermutigen, die sich für Migranten einsetzen, heißt es im Vatikan. Deutlicher kann man sein Missfallen gegenüber der aktuellen italienischen Politik als Kirchenoberhaupt wohl kaum zum Ausdruck bringen. Das Wort der katholischen Kirche zählt in Italien viel. Der italienischen Regierung kann die Haltung des Papstes also nicht egal sein.

Ebenfalls klare Haltung zeigt Megan Rapinoe, die Teamchefin der US-Weltmeisterinnen im Fußball, die nach dem 2:0-Sieg gegen die Niederlande zurückkehren. Die 34-Jährige ließ wissen, dass sie bei einem Gewinn der WM nicht ins "f***ing Weiße Haus" kommen wolle. Aus Protest gegen die Politik ihres Präsidenten. Donald Trump reagierte angefressen. Die Auseinandersetzung der beiden hat auch unseren Kolumnisten Benedikt Höwedes beschäftigt. Er ist beeindruckt von Rapinoes Mut – und gibt eine Twitter-Empfehlung.


Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) tourt diese Woche durch die USA. Er startet am heutigen Montag mit einem Besuch in der Google-Zentrale und testet ein autonom fahrendes Auto. Klingt nach einem netten Ausflug mit schönen Bildern für mitreisende Medienvertreter. Altmaier will sich anschließend in Washington aber auch mit Vertretern der US-Regierung treffen. Dort wird er vermutlich hören: Die Deutschen exportieren zu viel, Huawei ist als chinesisches Unternehmen der falsche Partner für den 5G-Ausbau und die Europäer sollen sich endlich den Sanktionen gegen den Iran anschließen.

Als besonnener Politiker wird Altmaier vermutlich versuchen, den Streit mit den USA nicht noch weiter zu eskalieren. Die Wirtschaft ist bereits verunsichert. Im besten Fall schafft er es, zu deeskalieren. Es kann aber auch gut sein, dass sein Besuch von US-Präsident Donald Trump mit undiplomatischen Tweets begleitet wird. Da ist es dann schwer, Haltung zu bewahren. Altmaier ist allerdings schon deutlich länger als Donald Trump auf Twitter unterwegs. Vielleicht hilft das ihm zumindest zu kontern – im besten Fall schlagfertig und zugleich diplomatisch.

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Ebenfalls auf Tour in dieser Woche: Ursula von der Leyen. Sie muss in eigener Sache werben, um im europäischen Parlament als Kommissionspräsidentin gewählt zu werden. Florian Harms sagte im Podcast am Wochenende, er halte die Wahl keinesfalls für ausgemacht. Ich stimme zu. Und ergänze: Viel hängt vom Besuch von der Leyens bei der sozialdemokratischen Fraktion in Brüssel am Mittwoch ab. Die wollen erst einmal zuhören, im Gegensatz zur deutschen SPD. Richtig so.


WAS LESEN?

Wer verstehen will, was gerade bei der AfD los ist, dem empfehle ich das großartige Stück meines Kollegen Jonas Mueller-Töwe. Er fasst die Vorgänge in NRW, Bayern und Schleswig-Holstein hervorragend zusammen. Der seit Jahren unentschiedene Richtungsstreit in der Partei scheint in die entscheidende Phase zu gehen. Als Demokrat wünsche ich der Partei, dass sie es schafft, den undemokratischen Akteuren die Tür zu zeigen.


Der Kollege Gerhard Spörl hat am Wochenende mit einem der besten Kenner internationaler Sicherheitspolitik gesprochen. Die Europäer hätten seiner Ansicht nach das Platzen des Atomdeals mit dem Iran noch verhindern können. Sie hätten nur gemeinsam mit anderen Partnern mit dem Iran verhandeln müssen. Eine wie ich finde einfache und bestechende Antwort. Mit weitreichenden Konsequenzen.


Wer übrigens nach dem Ende der Fußball-WM endgültig fürchtet, in eine fußballfreie Zeit zu fallen, dem kann geholfen werden. Patrick Mayer fasst hervorragend die Baustellen des FC Bayern zusammen.

So, eine Leseempfehlung muss ich Ihnen noch mit in die Woche geben. Auf "Zeit Online" ist ein Artikel über Greg Linden erschienen, über seine Idee, Amazon zu revolutionieren. Ende der Neunzigerjahre erfand er das, was das damals kleine Unternehmen zum Weltkonzern machte: den Empfehlungsmechanismus. Lesenswert.


WAS MICH AMÜSIERT

Hunde, die bellen, beißen nicht. Sagt der Volksmund. Und Papageien? Die bellen nicht. Können aber durchaus beißen. Wie verhält es sich also, wenn ein Papagei versucht zu ... na, das müssen Sie sehen.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

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