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China kritisiert USA für Isolierung: So lässt sich das Coronavirus kaum besiegen


Was heute wichtig ist
So lässt sich das Virus nicht besiegen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.02.2020Lesedauer: 8 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Pilot mit Schutzanzug im Cockpit: Auf dem Flughafen von Wuhan.Vergrößern des Bildes
Pilot mit Schutzanzug im Cockpit: Auf dem Flughafen von Wuhan. (Quelle: Cheng Min/XinHua/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Ein Opernball kann eine schicke Sache sein. Die Damen im Ballkleid, die Herren im Frack, Geigenklänge und Kerzenschein, immer munter hoch das Bein. Der Wiener Opernball ist legendär, aber auch deutsche Landeshauptstädte wollen sich nicht lumpen lassen. Die Dresdner sind besonders stolz auf ihre Semperoper und mindestens ebenso stolz auf ihren alljährlichen Opernball. Um der Veranstaltung den nötigen Glanz (und das nötige Kleingeld) zu verschaffen, werfen sich die Organisatoren ungeniert Herrschaften ans Herz, die es mit demokratischen Werten nicht allzu genau nehmen. Mal war es der russische Präsident Putin, mal ein saudischer Prinz, diesmal war es der ägyptische Diktator Abdel Fattah al-Sisi. Die Verbrechen seines Regimes gegen die eigene Bevölkerung sind vielfach dokumentiert, beispielsweise hier und hier.

Das hat Opernball-Oberchef Joachim Frey nicht davon abgehalten, vor dem Ball nach Kairo zu reisen, um dem Menschenschinder den St.-Georgs-Orden zu kredenzen, die offiziöse Auszeichnung des Semperopernballs. Als zunächst in den sozialen Medien und dann auch in der sächsischen Öffentlichkeit die Kritik an der Aktion anschwoll, beeilte sich zunächst die Schickeria, ihren Ballbesuch am Freitagabend abzusagen. Tagesschau-Ansagerin Judith Rakers und TV-Moderatorin Mareile Höppner sprangen ebenso ab wie Wurstmillionär Uli Hoeneß und Computermilliardär Dietmar Hopp. Den Opernballchef Frey schien das zunächst ebenso wenig zu jucken wie Rücktrittsaufforderungen aus der Politik.

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Kein Wunder, wollte man da sagen, zieht man in Betracht, welches feine Netzwerk aus Interessen und Gefälligkeiten die schillernde Gesellschaft Dresdens, einige Politiker, die Klatschpresse und den örtlichen Rundfunk verbindet. Die Kollegen des Tagesspiegel haben da einiges zutage befördert. Bis gestern Abend konnte man durchaus die Frage stellen, warum der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) sich von einem windigen Kulturmanager auf der Nase herumtanzen und das Image seiner Stadt beflecken ließ. Seine öffentliche Rechtfertigungsnotiz durfte man getrost als Versuch auffassen, möglichst schnell möglichst hohes Gras über der Sache zu säen.

Es ist ihm nicht geglückt. Der Barde Peter Maffay, der am Freitagabend in der Oper singen soll, stellte den Dresdner Diktatorenfreunden ein Ultimatum: Entweder Sisi wird der Orden aberkannt oder er singt nicht. Das saß. Gestern Abend nahmen die Organisatoren die Ordensverleihung zurück.

Aus der Dresdner Posse lernen wir zweierlei: Erstens sind anständige Altrocker in der Lage, unanständige Lokalpolitiker in die Knie zu zwingen. Zweitens ist der Drang zum Geschäftemachen in der feinen Dresdner Gesellschaft groß, die Moral hingegen klein. Na, dann hoch das Bein.


WAS STEHT AN?

Um die spannendste politische Entscheidung des Tages zu sehen, blicken wir heute nicht nach Berlin, sondern nach Erfurt. Im Landtag will sich Bodo Ramelow von der Linkspartei wieder zum Ministerpräsidenten wählen lassen – allerdings hat er ein Problem: Seine rot-rot-grüne Wunschkoalition besitzt keine Mehrheit mehr. Seit der Wahl Ende Oktober geht es deshalb drunter und drüber in Thüringen. Das liegt vor allem daran, dass niemand mit der AfD des Rechtsaußen-Landeschefs Björn Höcke koalieren will – und dass die CDU ebenso ausschließt, mit Ramelows Linken zu regieren. Nach einer langen Verhandlungsirrfahrt hat sich die CDU nun immerhin dazu durchgerungen, zumindest einige Gesetze mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung zu verabschieden.

Damit es so kommen kann, muss Herr Ramelow heute aber erst einmal gewählt werden. Das gilt als wahrscheinlich, ist aber keinesfalls sicher. Bekommt er in den ersten zwei Wahlgängen nicht die erforderliche absolute Mehrheit (also mehr als die Hälfte der Stimmen aller Parlamentarier), reicht ihm im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit (also schlicht mehr Stimmen als sein Gegenkandidat bekommt) – dann darf er Landesvater bleiben. Der Gegenkandidat kommt von der AfD und heißt Christoph Kindervater. Den will zwar weder die CDU noch die FDP unterstützen. Doch die Liberalen wollen sich vor einem dritten Wahlgang mit der CDU besprechen und dann doch auch noch geschwind jemanden ins Rennen schicken, falls der AfD-Kandidat nicht zurückzieht. Kommen Sie noch mit? Gut, denn jetzt wird es spannend: Würde die AfD sich nämlich dazu entscheiden, in der geheimen Wahl für den FDP-Kandidaten zu stimmen statt für ihren eigenen, könnten FDP und CDU aus Versehen doch noch eine Mehrheit mit der AfD zustande bekommen – und FDP-Landeschef Thomas Kemmerich wäre plötzlich Ministerpräsident. Ganz schön kompliziert, die thüringische Landespolitik? In der Tat, aber auch spannend. So aufregend kann Demokratie sein.


Gestern Abend die State-of-the-union-Rede in Washington, jetzt die Abstimmung: Nach rund vier Monaten an Untersuchungen, Anhörungen und einem öffentlichen Verfahren stimmt der US-Senat heute über die Amtsenthebung Donald Trumps ab. Die Anklagepunkte: Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen im Kongress. Die nötige Zweidrittelmehrheit wird es nicht geben – der Präsident bekommt seinen Freispruch. Dennoch wird in Washington mit großer Spannung auf das Abstimmungsverhalten geblickt: Votieren doch noch einige Republikaner gegen Trump – oder stimmen gar ein paar Demokraten für einen Freispruch? Von diesen Fragen wird die politische Bewertung des Impeachment-Verfahrens abhängen.


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Angela Merkel bricht heute zu einer dreitägigen Afrika-Reise auf: In Südafrika stehen Wirtschaftsgespräche im Vordergrund, die Kanzlerin will aber auch Präsident Cyril Ramaphosa den Rücken stärken. Der räumt mit dem Filz der Ära Zuma auf und redet ebenso wie Deutschland einer regelbasierten internationalen Politik das Wort statt einer Der-Stärkere-geht-vor-Agenda à la Trump/Xi oder Cowboy-Aktionen à la Putin/Erdogan.

In Angola will Merkel Präsident João Lourenço unterstützen, der das Erbe seines korrupten Vorgängers José Eduardo dos Santos tilgt. Der nannte sich zwar auch Präsident, man hätte ihn aber auch Räuberhauptmann nennen können: 32 Milliarden Dollar sollen er und seine Familie dem Staat gestohlen haben. Der neue Mann Lourenço geht nun hart gegen die Vetternwirtschaft vor, hat fast alle Posten in der Regierung, den Behörden und dem Sicherheitsapparat neu besetzt – muss zugleich aber mit dem fallenden Ölpreis und dem rasanten Bevölkerungswachstum kämpfen. Im Schnitt 5,6 Kinder bekommt eine Frau in Angola, hinzu kommt eine krasse soziale Spaltung. Eine gefährliche Dynamik, die auch durch die immensen Bodenschätze des Landes nicht wettgemacht wird. Mehr dazu morgen und am Freitag.


Das neue Coronavirus 2019-nCoV ist noch nicht lange in der Welt. Trotzdem hat es nicht nur den Sprung in fast jeden Winkel Chinas, zu den asiatischen Nachbarn, nach Deutschland und in die USA geschafft – sondern auch den in die Politik. Die Sorge um das Wohlergehen der Menschheit ist nicht die einzige treibende Kraft hinter der gigantischen Maschinerie, die Chinas Regierung zur Bekämpfung der Krankheit in Gang gesetzt hat. Präsident Xi Jinping muss gegenüber seinem Volk Stärke demonstrieren. Ein Krisenmanagement, das zögerlich oder gar inkompetent erscheint, kann selbst dem mächtigen Mann in Peking gefährlich werden. Prompt führt die Politisierung des Erregers zu Zoff.

Denn Washington ist vorgeprescht und hat die Zugbrücke hochgezogen: Botschaftspersonal und Angehörige wurden nach Hause beordert, und für alle Ausländer, die sich in den vergangenen zwei Wochen in China aufgehalten haben, ist die Tür in die USA jetzt zu. Staaten wie Australien folgten prompt dem amerikanischen Beispiel. In Peking ist man darüber überhaupt nicht amüsiert. "Panikmache" warf eine Regierungssprecherin den Amerikanern vor, deren Maßnahmen ein "schlechtes Beispiel" seien und "die Angst schürten". Übersetzt: Das mächtige China will nicht als Aussätziger dastehen und besteht darauf, sein Gesicht zu wahren, Epidemie hin oder her. Angesichts solcher Empfindlichkeiten geht die Weltgesundheitsorganisation WHO mit Herrn Xi um wie mit einem rohen Ei. Da wurde gelobt, besucht, beschwichtigt und konsultiert, bevor die Organisation sich traute, den internationalen Gesundheitsnotstand auszurufen. Denn den Kaiser von China muss man bei Laune halten. Ohne die bereitwillige Kooperation Pekings gestaltet sich die Bekämpfung der Krankheit erheblich schwieriger als ohnehin schon. Vom Hochziehen der Zugbrücken halten die Wächter über die Weltgesundheit deshalb genauso wenig wie die empörten Chinesen.

Tatsächlich ist die Isolierung ganzer Staaten als therapeutische Maßnahme umstritten und wird von zahlreichen Experten kritisch beurteilt. Die einen sagen, so lasse sich das Virus vermutlich kaum stoppen. Andere warnen vor dem enormen Schaden durch unterbrochenen Handel bei geringem Nutzen. WHO-Sprecher Carsten Lindmeier sagt im NDR: "Wenn Menschen auf dem offiziellen Weg nicht reisen können", machen sie sich daran, "inoffizielle Wege zu finden". Die Einreise über die grüne Grenze unterläuft Gesundheitskontrollen, die Erkrankte identifizieren und isolieren sollen. Reiseverbote bringen also angeblich nichts, machen die Epidemie vielleicht sogar schlimmer. Warum aber gehen dann in Ländern rund um den Globus inzwischen die Schlagbäume herunter? Alles nur Augenwischerei für eine verängstigte Bevölkerung, die will, dass ihre Regierung etwas unternimmt – auch wenn das gar nichts nützt?

Ja, natürlich sollen die Einreisesperren und Flugverbote Tatkraft demonstrieren. Aber auch die Argumente der WHO sind nicht über jeden Zweifel erhaben. Die flächendeckende Quarantäne innerhalb Chinas wird von der Organisation begrüßt – die Abschottung Chinas vom Rest der Welt hingegen verteufelt. Warum? Mit heimlichen Übertritten über Chinas grüne Grenze, die durch die unwirtlichsten Gegenden der Welt verläuft, wird sich kaum jemand an Fieberkontrollen vorbeimogeln können. Anders sieht es bei der dürftigen Wirksamkeit der Reisebeschränkungen innerhalb eines Landes aus. Studien vergangener Epidemien zeigen, dass der Siegeszug des Erregers dadurch verzögert, aber nicht verhindert wird.

Täglich tauchen rund um den Globus neue Infektionsfälle auf. Noch immer besteht der Verdacht, dass das Virus auch von Menschen weitergetragen wird, die keine Symptome zeigen und deshalb bei Grenzkontrollen oder an Checkpoints nicht entdeckt werden können. Viele Experten gehen inzwischen davon aus, dass die weltweite Ausbreitung der Krankheit nicht mehr zu verhindern ist und wir uns international mit Hochdruck auf diesen Fall vorbereiten müssen. Aber auch, wenn sich der Keim nicht gänzlich aufhalten lässt, ist es entscheidend, für die Forschung und die Entwicklung von Therapien Zeit zu gewinnen. Deshalb sind Millionen Menschen in Chinas Krisenprovinz Hubei noch immer vom Rest der Welt abgeschottet. Deshalb kommen deutsche Staatsbürger, die von dort nach Hause geholt worden sind, vorsorglich in Quarantäne. Deshalb dürfen 80 Kontaktpersonen der Erkrankten in Bayern ihre vier Wände nicht verlassen, selbst wenn sie gesund zu sein scheinen.

Was aber auch noch helfen würde, um das Coronavirus zu bremsen: den steten Strom der Reisenden aus und nach China massiv zu reduzieren – und zwar so schnell und entschieden wie möglich. Die WHO tut sich schwer mit dem Gedanken. Und Präsident Xi würde es missfallen. Sollte es nicht. Wer sich so kräftig ärgern kann, ist wenigstens gesund.


WAS LESEN?

Endlich wieder Exportweltmeister! Wer immer in den vergangenen Monaten gegen die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft geätzt hat, wurde nun scheinbar eines Besseren belehrt: Fast 300 Milliarden Euro stark ist der Überschuss an Waren, Dienstleistungen und Kapital, den Deutschland 2019 ins Ausland schaffte. Das hat das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung errechnet. Mehr als China. Mehr als Japan. Und erst recht mehr als die USA. Doch genau das ist ein riesiges Problem für unser Land, erklärt unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld.


Die Diskussion über die Klimakrise wird zunehmend instrumentalisiert. Recherchen der Kollegen von CORRECTIV und Frontal21 zeigen jetzt: Ein amerikanisches Institut unterstützt deutsche Klimawandelleugner, um den Klimaschutz zu untergraben. Verschleierte Spenden, Netzwerke, eine dubiose Youtuberin: Die Geschichte liest sich wie ein Krimi.


WAS AMÜSIERT MICH?

Am Ende profitiert in Amerika derzeit immer nur einer.

Ich wünsche Ihnen trotzdem einen schönen Tag. Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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