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China will Weltmacht werden: Der Kampf mit den USA hat begonnen


Was heute wichtig ist
Der Kampf hat begonnen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 28.07.2020Lesedauer: 7 Min.
Meinung
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Donald Trump, Xi Jinping: Die Rivalität zwischen den USA und China wächst.Vergrößern des Bildes
Donald Trump, Xi Jinping: Die Rivalität zwischen den USA und China wächst. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

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WAS WAR?

Macht ist träge. Hat man sie erst einmal errungen, bleibt sie, wenn man sie festhält. Man muss sie verteidigen, sicher, aber wer sich dabei geschickt anstellt, dem kann sie lange sicher sein. Regierungschefs, Unternehmensbosse und Vermögende wissen das. Auch das Kräfteverhältnis in der internationalen Politik gehorcht üblicherweise diesem ungeschriebenen Gesetz. So kommt es, dass manche Staaten jahrzehntelang Einfluss, Status und Vorteile genießen, während andere das Nachsehen haben. Stürzt die Welt aber in eine globale Krise, dann können die gewohnten Mechanismen der Machtausübung urplötzlich außer Kraft gesetzt werden. Dann verschieben sich die Gewichte mitunter rasant, werden die Karten binnen Wochen oder Monaten neu gemischt. So einen Moment erleben wir gerade. Wir sind Zeugen einer globalen Machtverschiebung, die unser Leben und das unserer Kinder und Enkel prägen wird: Wir erleben den rasanten Aufstieg Chinas und den Abstieg der USA.

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Schon viele Bücher sind über diesen Prozess geschrieben und viele Reden gehalten worden, denn die Entwicklung ist natürlich erstens nicht neu und verläuft zweitens nicht linear. Den Trend kann jeder sehen, der nicht die Augen verschließt. Nach dem Ende des Kalten Krieges dominierte Amerika als einzige verbliebene Supermacht den Globus und konnte seine Interessen nach Belieben durchsetzen: die Nato-Osterweiterung, Feldzüge im Nahen Osten und am Hindukusch, den Export seiner Populärkultur und vor allem die Architektur des internationalen Finanzsystems, nebst WTO und IWF. Der Dollar wurde zum Schmiermittel der Weltwirtschaft, und amerikanische Firmen kosteten dieses Privileg ausgiebig aus – ob in Washington, Dubai oder Tokio. Das amerikanische Imperium dominierte die Welt.

Doch wie das so ist mit Imperien: Sie steigen auf, aber sie fallen auch wieder. Amerika ist keinesfalls am Ende, aber es hat seine Macht überdehnt. Verschleuderte Billionen im sinnlosen Irakkrieg. Verkämpfte sich jahrelang in Afghanistan, um am Ende doch wieder den Taliban die Macht zu überlassen. Vor allem aber haben die amerikanischen Eliten das Gespür für das richtige Maß verloren. Superreiche wurden mit immer neuen Steuervergünstigungen gepäppelt, Investmentbanken aus jeglicher Kontrolle entlassen, Arbeiter, Arme und Minderheiten in die Not getrieben. Das Ergebnis war ein Desaster, das Amerikas Gesellschaft verwüstete: Erst die Immobilien-, dann die Finanz- und schließlich die Schuldenkrise stürzten Millionen Haushalte in die Armut, verschärften den Gegensatz zwischen Armen und Reichen, ließen ganze Städte und Landstriche veröden, schürten die größte Drogenepidemie unserer Zeit – und bereiteten so vor knapp vier Jahren einem ordinären Scharlatan den Weg ins Weiße Haus. "Great again" versprach er Amerika wieder zu machen, stattdessen erschöpft sich seine Präsidentschaft in einer beispiellosen Abfolge von Lügen, Chaos und Versagen.

Und nun auch noch die Corona-Krise. Global richtet sie Schlimmes an, aber besonders schlimm verwüstet sie die amerikanische Gesellschaft. Knapp 4,3 Millionen Infizierte und schon fast 150.000 Tote haben die US-Behörden registriert, tagtäglich schnellen die Zahlen weiter nach oben. Aber es sind nicht nur die erschütternden Zahlen, die Amerika aus der Bahn werfen, es ist vor allem das erschütterte Vertrauen von Millionen Menschen in die Lösungskompetenz von Politikern und in die Autorität des Präsidenten: Gestern verteufelt er Gesichtsmasken, heute preist er sie, gestern schwadroniert er über Pläne zur Lösung der Krise, heute kann er immer noch nicht erklären, was er damit überhaupt meint, gestern beschimpft er diesen, heute jenen, und immer sind die anderen schuld. Er wirft Virologen, Gouverneuren und Gesundheitshelfern Knüppel zwischen die Beine – und hetzt paramilitärische Kräfte auf Demonstranten, um den Konflikt auf den Straßen zu schüren und von seinem Versagen abzulenken. Es ist ein armseliges und bedauernswertes Bild, das die Unvereinigten Staaten von Amerika uns derzeit bieten.

Auf der anderen Seite des Globus beobachtet man die Turbulenzen in den USA sehr aufmerksam – und nutzt sie eiskalt aus: Jahrelang haben die Strategen in Peking am Wiederaufstieg ihrer Nation gearbeitet. In ihren Augen ist China die natürliche Weltmacht Nummer eins, war es immer schon, jahrtausendelang. Der zeitweilige Niedergang infolge des europäischen Kolonialismus wird nur als Phase temporärer Schwäche angesehen, die es schnell zu überwinden gilt. Längst haben die Politbürokader einen strategischen Plan geschmiedet, dem sie alle wirtschaftlichen und diplomatischen Aktivitäten unterordnen: Bis zum hundertjährigen Staatsjubiläum im Jahr 2049 will China zur Wirtschaftsweltmacht aufsteigen, untermauert von globalem, politischem und militärischem Führungsanspruch. Gegenwärtig spricht wenig dagegen, dass ihnen das gelingt.

Ein solcher Plan erfordert Hingabe, Ausdauer und Geduld. Stein auf Stein setzen die Machtbaumeister um Staatschef Xi Jinping aufeinander, konzipieren Millionenstädte, fördern gigantische Fabriken, unterwerfen Hunderte von Millionen Menschen einem totalitären Überwachungssystem, pflanzen Häfen, Eisenbahnlinien und Handelsstützpunkte rund um den Globus und, wenn nötig, manipulieren sie auch mal ihre Währung. Das Grundprinzip ihrer Politik ist einfach: Alles, was Chinas Macht hilft, wird gemacht. Und alles, was ihr im Wege steht, wird mit allen Mitteln bekämpft. Ob Bürgerrechtler in Hongkong, Minderheiten in Xinjiang, Handelsgesetze in Europa – oder eben ein Weltmachtrivale in Washington. Bisher machten Xi und seine Leute das meist behutsam, fast leise, während sie sich zugleich auf Staatsbesuchen und Gipfeltreffen konziliant gaben. Denn bisher rangen die Chinesen nur mit Amerika – jetzt aber haben sie ihre Chance erkannt, auf dem Weg zu ihrem Ziel einen großen Schritt nach vorn zu machen. Sie nutzen das Corona-Schlamassel und Donald Trumps Führungsschwäche aus, um brachial ihren Einfluss auszudehnen: Der Kampf um die Weltmacht hat begonnen. Wir hier in Deutschland übersehen das leicht, während uns im Mediengewitter Schlagzeilen über Corona-Zwangstests für Urlauber, Corona-Partys für Leichtsinnige, Corona-Gipfel für EU-Politiker, Fehler in der Corona-App, Corona-Pressekonferenzen von Herrn Söder und sonstige Irgendwas-mit-Corona-Nachrichten um die Ohren fliegen. Aber wenn wir uns die Mühe machen, genauer hinzuschauen, dann können wir sehen, wie sich das internationale Kräfteverhältnis zu verändern beginnt. Und immer ist Peking der Auslöser:

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Mithilfe des neuen "Staatssicherheitsgesetzes" hat China sich Hongkong de facto unterworfen und räumt dort die Demokratie beiseite. Während Großbritannien dagegenhält, miaut man im Berliner Regierungsviertel nur ein leises Protestchen. Deutschlands Wirtschaft hängt längst am chinesischen Tropf, da liegt Unterwürfigkeit offenbar näher als Selbstbehauptung.

Man will ja nicht wie die australische Regierung enden: Nachdem diese eine unabhängige Untersuchung des Corona-Ausbruchs in Wuhan gefordert hatte, verhängte China Sanktionen gegen das Land und ließ seine Hacker-Kohorten von der Leine.

Großbritannien und Kanada droht Peking ebenfalls mit Sanktionen, weil sie es wagten, sich den dubiosen Geschäftspraktiken der staatlich kontrollierten Digitalfirma Huawei zu widersetzen (die Angst vor Spionage und der Druck der USA sind groß).

Nun verstärkt China auch noch den Druck auf Taiwan, die Insel will es schon immer seinem Riesenreich einverleiben. In Taipeh wird bereits über militärischen Abwehrstrategien gebrütet.

In Grenzkonflikten mit Indien und Bhutan versucht China, sein Territorium mit Drohungen und Faustschlägen zu vergrößern.

Im Südchinesischen Meer dringen von Peking entsandte Kriegsschiffe immer öfter in die Gewässer Vietnams und Indonesiens vor und weiten so Chinas Einflusszone aus.

Auch rund um die von Japan verwalteten Senkaku-Inseln kreuzen seit Wochen chinesische Schiffe. Säbelrasseln ist ein zu kleines Wort dafür.

Die Liste ließe sich fortsetzen, und natürlich könnte man auch die chinesische Propaganda in Medien und sozialen Netzwerken rund um den Erdball aufführen. Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert Pekings Botschafter in Stockholm mit dem Satz: "Für unsere Freunde haben wir feinen Wein, für unsere Feinde Gewehre." So klingt es, das China des Sommers 2020: martialisch, selbst- und machtbewusst. Man kann das für den Lauf der Dinge halten, so ist das eben in der Weltgeschichte, manche Imperien fallen, andere steigen auf. Nur dreierlei sollte man nicht tun: wegsehen, wegducken oder weglaufen. Denn Unaufmerksamkeit werden die Strategen in Peking ausnutzen, und Schwäche erst recht. Noch sind die demokratischen Länder im Rest der Welt stark genug, um dem wachsenden Riesen die Normen von Rechtsstaatlichkeit, Vertragstreue, Toleranz und Interessenausgleich entgegenzuhalten. Aber dafür müssten sie geschlossen auftreten, statt sich auseinanderdividieren zu lassen. Und laut widersprechen, wenn Bürgerrechte und die Souveränität anderer Staaten verletzt werden. Im deutschen Außenministerium und im Kanzleramt vermittelt man den Eindruck, dass man das noch nicht verstanden hat. Manchmal ist eben nicht nur die Macht träge, sondern macht auch träge.


WAS STEHT AN?

Die Tür der Synagoge in Halle wird nach dem rechtsterroristischen Anschlag ausgetauscht. Sie hatte die Gläubigen am 9. Oktober vergangenen Jahres vor dem Angriff des bewaffneten Rechtsextremisten geschützt und ein noch größeres Blutbad verhindert. Nun soll sie zum Kunstprojekt werden. Gebaut hat die Tür ein Tischler aus Dessau-Roßlau. Die Kollegen des MDR haben ihn vor einiger Zeit besucht.

Im südfranzösischen Saint-Paul-lez-Durance wird der nächste Bauabschnitt des weltgrößten Kernfusionsreaktors ITER eingeläutet, ein gemeinsames Projekt der EU, der USA, Russlands, Chinas, Indiens, Japans und Südkoreas. Präsident Macron lässt es sich nicht nehmen, die Zeremonie mit seiner Anwesenheit zu adeln. Nach ihrer Fertigstellung in fünf Jahren soll die Anlage eine klimafreundliche, nahezu unendlich verfügbare Energiequelle liefern. Wie das gelingen kann? Kurz gesagt: Indem man bei 150 Millionen Grad Celsius Wasserstoffatome verschmilzt und so die Kraft der Sonne imitiert. Aber lassen Sie sich das lieber von einem Fachmann erklären.

In Wien verhandeln Unterhändler der USA und Russlands heute über die atomare Abrüstung. Es geht um die Frage, ob die letzten beiden Abkommen, die uns alle vor einem nuklearen Krieg bewahren sollen, doch noch gerettet werden können.

In Titisee-Neustadt im Schwarzwald beginnt der Prozess gegen zwei junge Männer. Sie sollen nach einem Volksfest einen Auerhahn erschlagen haben. Sachen gibt’s!

Im pfälzischen Frankenthal befasst man sich mit dem Berufungsverfahren eines Autofahrers, der sage und schreibe 373 Punkte in der Flensburger Verkehrssünderdatei gesammelt hat. Mehr als 150 Mal wurde er ohne Lappen erwischt. Also echt: Sachen gibt’s!


WAS LESEN?

Machen auch Sie dieses Jahr Urlaub in Deutschland? Für die hiesigen Hotels und Restaurants ist der Gästeansturm eine gute Nachricht – aber reicht er aus, um die Ausfälle aus der Zeit der Ausgangsbeschränkungen zu kompensieren? Mein Kollege Florian Schmidt hat die Bundesgeschäftsführerin des Branchenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges, gefragt: Sie rechnet trotz des Supersommers mit Zehntausenden Pleiten.


Auch unser Kolumnist Gerhard Spörl befasst sich mit dem Sommerurlaub, allerdings eher beschwingt: Er erklärt allen Urlaubern, was gerade in Deutschland geschieht. Prädikat: lesenswert.


Die "New York Times" zeigt uns in einem Artikel mit eindrucksvollen Grafiken, wie die Klimakrise die weltweite Migration verstärkt: Die Zahl der Klimaflüchtlinge wächst.


Corona verändert das Gesicht unserer Innenstädte: Vielerorts schließt ein Geschäft nach dem anderen. Dabei ist es ausgerechnet das Fahrrad, das zur Rettung mancher Ladenstraßen beitragen könnte, berichtet meine Kollegin Juliane Wellisch.


WAS AMÜSIERT MICH?

Der ist ein kluger Bursche, der Markus.

Ich wünsche Ihnen einen vergnügten Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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