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Angela Merkels Corona-Notbremse war ihr letzter Strohhalm


Angela Merkels Illusion

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 10.03.2021Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Zufrieden sieht anders aus: Angela Merkel legte nach der Bund-Länder-Runde viel Wert auf die Notbremse. Doch greift sie auch?Vergrößern des Bildes
Zufrieden sieht anders aus: Angela Merkel legte nach der Bund-Länder-Runde viel Wert auf die Notbremse. Doch greift sie auch? (Quelle: Markus Schreiber/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

mein Name ist Johannes Bebermeier, ich bin politischer Reporter für t-online und kommentiere heute für Sie die Themen des Tages.

WAS WAR?

Karl Lauterbach ist fassungslos. "Das ist mittelgradig unglaublich", schreibt er auf Twitter. "Ist das ernst gemeint?"

Es ist eine nüchterne Pressemitteilung des Landes Brandenburg, die den SPD-Gesundheitsexperten in Aufregung versetzt. Und die Mitteilung zu den neuen Corona-Regeln in dem Bundesland ist tatsächlich bemerkenswert. Denn am Schluss steht dort unter dem Stichwort Notbremse: "Übersteigt die 7-Tage-Inzidenz für mindestens drei Tage in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt den Wert von 200, werden wieder schärfere Kontaktbeschränkungen und Maßnahmen festgesetzt."

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Moment mal – 200? Ja, genau: 200. Und damit eben nicht die 100, die Bund und Länder vor einer Woche als Notbremse beschlossen hatten. Als Mechanismus, mit dem bei steigender Inzidenz die Lockerungen wieder zurückgenommen werden.

"Das ist ein Sturm im Wasserglas", beeilt sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zu beteuern, als ihn die Kritik erreicht. Wenn sich die Inzidenz landesweit beharrlich der 100 nähere, werde bereits über die nächsten Schritte entschieden. Dieses Vorgehen sei auch juristisch begründet, weil harte Grundrechtseinschränkungen nicht einfach automatisch erfolgen dürften, sagt Woidke. Warum das für die 200er-Notbremse des Landes offenbar nicht gilt, erklärt er allerdings nicht.

Aber darum geht es natürlich eigentlich auch gar nicht.

Der Fall Brandenburg nimmt eine Debatte vorweg, die eher früher als später in vielen Bundesländern folgen wird: Kann und will die Politik ab einer Inzidenz von 100 wirklich wieder in den Lockdown gehen? Fast alles wieder zumachen statt die Biergärten auf?

Für Angela Merkel war die Notbremse bei der jüngsten Bund-Länder-Runde so etwas wie ihr letzter Strohhalm. Die Lockerungen gehen ihr zu schnell, das versucht sie gar nicht mehr zu verbergen. Auf der Pressekonferenz beharrte sie deshalb mehrfach darauf, dass die Notbremse wichtig sei und "auch wirklich akkurat eingehalten werden muss". Merkel betonte, dass sie eben genau das ist, was SPD-Politiker Woidke jetzt bezweifelt: "ein Automatismus". Liegen die Zahlen drei Tage darüber, treten die alten Regeln wieder in Kraft, jene vor den Lockerungen aus dieser Woche, sprich Lockdown.

Durch die Virusmutation und die Lockerungen könnte es vielerorts schon bald wieder so weit sein. Der Physiker und Datenwissenschaftler Cornelius Römer hat verschiedene Szenarien berechnet, eher optimistische und eher pessimistische. Dass eine bundesweite Inzidenz von 100 schon bei der nächsten Bund-Länder-Runde am 22. März erreicht wird, ist demnach ziemlich wahrscheinlich. (Mehr zu den Szenarien lesen Sie bei meiner Kollegin Laura Stresing)

Weniger wahrscheinlich ist, dass dann alle brav wieder in den Lockdown gehen. Auch das deutet sich schon in Brandenburg an. Bei der Entscheidung über die konkreten Schritte, die bei einer Inzidenz von 100 ergriffen werden sollen, will man dort nämlich auch andere Kriterien wie die Auslastung des Gesundheitssystems oder den Impfstatus berücksichtigen, heißt es vom Brandenburger Regierungssprecher.

Es ist eine Argumentation, die gerade beliebt ist bei den Verfechtern der Lockerungen: Man müsse nicht nur auf die Inzidenz schauen, sondern auch auf die Intensivkapazitäten oder die Todeszahlen, heißt es in Ländern und im Bund von verschiedenen Seiten.

Über die Konsequenz wird hingegen derzeit vor allem hinter vorgehaltener Hand gesprochen: Faktisch würde das nämlich bedeuten, dass man die Kontrolle über die Infektionen aufgibt – und eine hohe Inzidenz in Kauf nimmt. Die Gesundheitsämter können ja meist schon bei der 100er-Notbremse nicht mehr verfolgen, wer sich bei wem angesteckt hat. Und weil die Auslastung der Intensivstationen und die Todeszahlen immer erst deutlich nach den Infektionszahlen steigen, wären die eben längst außer Kontrolle, wenn es in den Krankenhäusern eng würde.

Allein darauf zu setzen, dass es wegen der geimpften Älteren auch bei steigenden Zahlen schon nicht so schlimm wird, ist ein Pokerspiel mit hohem Einsatz. Denn die britische Mutation ist den Erkenntnissen zufolge nicht nur ansteckender, sondern auch gefährlicher – auch für Jüngere. Zudem können auch nicht lebensbedrohliche Corona-Verläufe spürbare Spätfolgen haben.

Spätestens bei der nächsten Bund-Länder-Runde am 22. März werden sich also zwei Dinge entscheiden: Wollten diejenigen, die lautstark einen Öffnungsplan gefordert haben, wirklich nur einen Plan – oder wollten sie schlicht Öffnungen? Ein Plan nämlich bedeutet: feste Wenn-dann-Regeln. Also auch: Wenn die Zahlen über 100 steigen, dann kehrt der Lockdown zurück. Für Angela Merkel entscheidet sich damit, ob ihre Notbremse wirklich eine Notbremse ist, ob also ihr letzter Strohhalm hält. Derzeit spricht viel dafür, dass sich die Kanzlerin an eine Illusion klammert.


Wer heute Teenager ist, musste noch nie die darüber nachdenken, wer der nächste Bundestrainer wird. Bis jetzt. Denn Joachim Löw wird im Sommer nach 15 Jahren seinen Posten abgeben. "Ich gehe diesen Schritt ganz bewusst, voller Stolz und mit riesiger Dankbarkeit, gleichzeitig aber weiterhin mit einer ungebrochen großen Motivation, was das bevorstehende EM-Turnier angeht", sagte der Noch-Bundestrainer. Bald gibt es also neuen Wind beim DFB. Die einzig richtige Entscheidung, meint mein Kollege Robert Hiersemann – und sieht in Jürgen Klopp den perfekten Löw-Nachfolger. Doch "Kloppo", der vorerst auch erst einmal abwinkt, ist nicht der einzige Kandidat. Mein Kollege Benjamin Zurmühl hat sich angeschaut, wer sonst noch Bundestrainer werden könnte.


WAS STEHT AN?

Heute ist "Equal Pay Day", der internationale Aktionstag für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Dass es den immer noch braucht, zeigen aktuelle Zahlen: Die Einkommenslücke zwischen Mann und Frau sank zwar 2020 im Vergleich zum Vorjahr um einen Prozentpunkt. Aber Frauen verdienten im Schnitt mit 18,62 Euro brutto pro Stunde immer noch 4,16 Euro weniger als Männer.

Was tun? Die Grünen haben eine Idee: "Unternehmen sollten verpflichtend über die Bezahlung von Frauen und Männern und ihre Maßnahmen zum Schließen des eigenen Pay Gaps berichten", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt t-online. "Mit einer solchen Offenlegung könnte die geschlechtergerechte Bezahlung endlich flächendeckend überprüft und Lücken dann auch geschlossen werden." Göring-Eckardt findet: "Das Thema braucht maximale Aufmerksamkeit." Dazu dürfte ihr Vorschlag seinen Beitrag leisten. Auf maximale Zustimmung wird er aber zumindest in der Wirtschaft nicht überall treffen.

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Jetzt beginnen also zumindest die konkreten Planungen. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen sich heute zu den Corona-Impfungen in den Hausarztpraxen abstimmen. Der genaue Zeitpunkt soll festgelegt werden, bisher hieß es nur: Anfang April. Zudem soll es darum gehen, in welchem Verhältnis der Impfstoff auf Impfzentren und Praxen verteilt wird und wie die Bürokratie handhabbar bleibt. Ich wünsche von Herzen gutes Gelingen. Einen Erfolg kann die deutsche Impfkampagne wahrlich gebrauchen.


Was hat Deutschland von den USA zu erwarten? Das könnte heute noch etwas klarer werden. Denn der neue US-Außenminister Antony Blinken äußert sich am Abend Washingtoner Zeit bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus zu den außenpolitischen Prioritäten der Regierung von Präsident Joe Biden.


WAS LESEN?

Das Duell um die Kanzlerkandidatur der Union ist längst entschieden, schreibt der Journalist Christoph Schwennicke in einem Gastbeitrag für t-online. Schwennicke ist ein intimer Kenner der Berliner Politik, er arbeitete früher beim "Spiegel" und der "Süddeutschen Zeitung" und war zuletzt Chefredakteur des "Cicero". In seinem Gastbeitrag erklärt er, warum CDU-Chef Armin Laschet viel bessere Chancen als sein CSU-Pendant Markus Söder hat.


Noch im Sommer soll der digitale Impfpass für Corona-Impfungen kommen. Den Zuschlag dafür hat die Regierung an IBM und das deutsche Start-up Ubirch gegeben, auf dessen Blockchain-Technologie das Projekt aufbauen soll. Das Unternehmen verspricht: Sicherheit und Datenschutz. Doch manche Digital-Experten zweifeln. Mein Kollege Ali Roodsari erklärt, wie der digitale Impfpass funktionieren soll und warum es Kritik an den Plänen gibt.


Die Queen musste reagieren, und das tat sie gestern auch. In einer schriftlichen Erklärung nahm Elizabeth II. Stellung zu dem aufsehenerregenden Interview von Prinz Harry und Herzogin Meghan. Der Vorwurf des Rassismus gegen die königliche Familie sei "besorgniserregend", lässt die Königin unter anderem mitteilen. Das kann man wohl sagen. Was man auch sagen kann: Das letzte Wort in dieser Sache ist damit sicherlich noch nicht gesprochen.


WAS AMÜSIERT MICH?

Ist das die Lösung für Jens Spahns Karriere?

Morgen schreibt an dieser Stelle wieder mein Kollege Florian Harms für Sie. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!

Ihr

Johannes Bebermeier
Politischer Reporter
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @jbebermeier

Mit Material von dpa.

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