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Wahlprogramm der CDU und CSU: "140 Seiten – und schon zerrissen"


Tagesanbruch
Laschets Bluff

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 22.06.2021Lesedauer: 5 Min.
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Armin Laschet und Markus Söder: "Man kann auch grüne Politik machen ohne die Grünen." Tatsächlich ist die größte Schwäche des Programms eine andere.Vergrößern des Bildes
Armin Laschet und Markus Söder: "Man kann auch grüne Politik machen ohne die Grünen." Tatsächlich ist die größte Schwäche des Programms eine andere. (Quelle: Guido Kirchner/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

140 Seiten ist es stark und schon zerrissen worden, bevor es fertig war: das Wahlprogramm der Union. Präsentiert wurde es am Montag von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder mit dramatischer Musik, schnell geschnittenen Videosequenzen und auf die Leinwand fliegenden Begriffen wie "Mitmachen“ und "Handeln".

Laschet betonte den neuen Dreiklang, für den die Union nun stehen will: Klimaschutz, wirtschaftliche Stärke, soziale Sicherheit. CSU-Chef Söder legte wie üblich noch eine Schippe drauf: So ambitioniert wie "kaum ein anderes Land der Welt" solle Deutschland mit Unions-Antrieb beim Klimaschutz werden.

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Aber wie viel Zukunft steckt tatsächlich im Programm der Konservativen? Wie viel soziale Sicherheit hat es zu bieten für Deutschlands Bürger, wie viel Klimaschutz für die bedrohte Umwelt? Ein Anruf bei Experten für zwei der wichtigsten Zukunftsthemen zeigt: Die Antwort liegt – je nach Thema – zwischen "enttäuschend wenig" und "überraschend viel".

Die schlechte Nachricht zuerst: Beim Thema Rente enttäuscht die Union. Vier Seiten hat sie diesem Bereich gewidmet – doch das Urteil des Rentenexperten Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung fällt vernichtend aus: "Nicht aufsehenerregend, in fast allen Punkten maximal unkonkret", bewertet er das Programm. "Von der Union als Regierungspartei habe ich mehr erwartet."

CDU und CSU schlagen zwar eine Generationenrente vor – bedeutet: Der Staat soll für jeden Bürger bis zu dessen 18. Lebensjahr in einen Fonds einzahlen. Doch der zunächst diskutierte konkrete Betrag von 100 Euro pro Monat und Bürger ist wieder aus dem Programm geflogen. Und schlimmer: "Die Generationenrente löst kein einziges von den Problemen, die aktuell drängend auf der Liste stehen", sagt Geyer. Sie löse sie, wenn überhaupt, erst Ende des Jahrhunderts.

Viel zu spät, viel zu wenig für das viel größere Problem der Gesamtfinanzierung, das zurzeit im Raum steht: Wie soll verhindert werden, dass der Beitragssatz schon 2025 auf über 20 Prozent steigt? Wie soll einer drohenden Absenkung des Rentenniveaus schon ab 2025 entgegengesteuert werden?

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Keinerlei praktische Antworten habe die Union darauf zu bieten, kritisiert Geyer. Nur einen Alterssicherungsbeirat schlage sie vor, in dem die Politik mit den Sozialpartnern zusammenarbeiten soll. Solche Gremien aber gebe es bereits. "Man vermeidet so ganz einfach, konkrete Vorschläge zu entwickeln, die Leuten auch wehtun und Stimmen kosten können – zum Beispiel den Vorschlag, das Renteneintrittsalter oder den Steuerzuschuss zu erhöhen." Ein Bluff, eine Mogelpackung also. Leerstellen statt Zukunft. Eine bittere Bilanz.

Und wie steht es um die Umwelt? Anruf bei Mark Lawrence, dessen Forschungsbereiche Nachhaltigkeit und Zukunft sind. Er ist geschäftsführender wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, der studierte Physiker und Atmosphärenwissenschaftler hat zuvor Forschungsgruppen am Max-Planck-Institut geleitet. Er bricht nicht in Begeisterungsstürme aus, klingt aber wesentlich positiver als Geyer. Als "schon etwas ambitioniert" bezeichnet er die Passagen im Unions-Programm zum Klimaschutz. Immerhin. Es ist weniger, als die Grünen fordern, aber mehr als prognostiziert.

Die Union bekenne sich klar zum Emissionshandel und zum koordinierten CO2-Preis und wolle erneuerbare Energien vorantreiben. So weit, so erwartbar. Mit zwei Punkten im finalen Papier aber hätten die Konservativen ihn tatsächlich überrascht: "Die Union will die bisher hochumstrittene CCS-Methode zur langfristigen unterirdischen Speicherung von Kohlenstoff angehen und nennt viele Details und konkrete Pläne zur Förderung von Wasserstoff-Technologien." Er holt aus zu einem Vortrag über blauen und grünen Wasserstoff im Unions-Papier, unterbricht sich selbst – zu kompliziert, zu detailliert. Aber genau diesen Sachverstand, diese Tiefe, auch den Mut zu kontroversen Ansätzen hat er bei CDU und CSU offensichtlich nicht kommen sehen.

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Dass kein konkreter CO2-Preis im Papier benannt wird, wie Kritiker oft anmerken? Geschenkt, findet Lawrence. Der Preis müsse bei Hunderten Euro pro Tonne landen, um die schädliche Wirkung des CO2 tatsächlich wieder wettzumachen, die wir jährlich in die Luft blasen. "Damit schreckt man Menschen ab, davon reden auch andere Parteien in der Regel nicht." Vielleicht hat die Union gelernt aus dem Benzinpreis-Gate der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock – die Forderung nach 16 Cent mehr für Benzin führte kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zu Entrüstungsstürmen.

Zum Teil zukunftsfähig – so könnte das vorläufige Fazit zum Union-Wahlprogramm lauten. Sollte sie wieder regieren, bleibt aber der wichtigste Auftrag: Nicht nur Ziele setzen, sondern auch handeln.


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Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Morgen schreibt Florian Harms wieder für Sie den Tagesanbruch.

Ihre

Annika Leister
Redakteurin Politik
Twitter: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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