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Corona-Krise: Alarmismus ohne Grundlage


Tagesanbruch
Alarmismus ohne Grundlage

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 14.07.2021Lesedauer: 6 Min.
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Menschen warten im Impfzentrum: Die Pandemie verändert mit der fortschreitenden Impfkampagne ihr Gesicht.Vergrößern des Bildes
Menschen warten im Impfzentrum: Die Pandemie verändert mit der fortschreitenden Impfkampagne ihr Gesicht. (Quelle: Sven Hoppe/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute schreibe ich für Sie den kommentierten Überblick über die Themen des Tages.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands versucht eine weise Vorausschau: Man müsse sich auf erneuten Wechselunterricht an den Schulen im Herbst vorbereiten, sagte Hans-Peter Meidinger in einem Interview. Präsenzunterricht mit erhöhten Gesundheitsschutzmaßnahmen würde nicht ausreichen, um eine vierte Corona-Welle zu verhindern.

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Meidinger wird gewusst haben, wessen Zorn er damit auf sich zieht: den der knapp 15 Millionen Eltern, und den der Schülerinnen und Schüler selbst. Das darf ihm ein Stück weit egal sein, vertritt der Verbandschef schließlich die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer. Aber man möchte den Herrn Meidinger einmal einladen in eine Wohnung im Hasenbergl in München, im Märkischen Viertel in Berlin oder im Hamburger Veddel. In eine Familie, wo sich mehrere Kinder nicht nur ein Zimmer, sondern auch einen Rechner fürs Homeschooling teilen müssen.

Klar ist: Eltern wie Schüler wünschen sich nichts sehnlicher als normalen Schulunterricht.

Eigentlich müssten es nicht die Lehrer, sondern die Schüler sein, die Sorge vor steigenden Inzidenzen und der Delta-Variante haben. Denn während bereits 85 Prozent der Lehrenden geimpft sind, sind die meisten Kinder und Jugendlichen noch ohne Schutz.

Doch für den Alarmismus des Verbandspräsidenten gibt es keine Grundlage mehr. An allen Schulen wird regelmäßig (meist zweimal pro Woche) vor dem Unterricht getestet. Bei steigenden Inzidenzen sitzen die Schüler mit Masken im Unterricht. Und eine gute Lüftung erledigt den Rest.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Die Schutzmaßnahmen minimieren das Ansteckungsrisiko, aber ganz ausschalten können sie es nicht. Zumindest ältere Kinder sind nach Ansicht von Virologen genauso ansteckend wie Erwachsene. Und die sich ausbreitende Delta-Variante ist aggressiv. Im Herbst werden wir deshalb auch Fälle sehen, in denen Kinder zu Treibern der Infektion werden. Doch wie viele Angesteckte werden dann noch ernsthaft erkranken? Das weiß heute niemand.

Weil Corona nicht einfach weggeht, wird die Präsenz des Virus etwas sein, woran wir uns gewöhnen werden. Wir müssen es bekämpfen, dezimieren, uns schützen. Und dabei nicht vergessen, dass Kinder eine gute Bildung brauchen, wenn sie eine Chance im Leben haben sollen.

Die Verhältnismäßigkeit der Schutzmaßnahmen wird über ein Jahr nach Beginn der Pandemie eine immer drängendere Frage. In der Schule zeigt sich das besonders deutlich. Wechselunterricht erscheint jedenfalls nicht mehr verhältnismäßig, wenn nur noch wenige Corona-Kranke im Krankenhaus landen.

Es gibt eine Reihe anderer drängender Fragen, die seit zu langer Zeit unbeantwortet sind. Welche Rechte bekommen Geimpfte zurück, die kaum noch ansteckend sind? Welche Einschränkungen muss der Einzelhandel in Kauf nehmen, der doch seine Kunden weitgehend schützt?

Im Kern alles Fragen der Verhältnismäßigkeit. Und die haben wir seit Beginn der Pandemie immer nur indirekt beantwortet. Es galten Inzidenz-Grenzwerte von 50, 100 oder 200 als das Maß aller Dinge, an denen dann irgendwie gelockert oder wieder verschärft wurde. Unlogisch stellte sich das oft dar. So richtig wollte auch niemand eine bestimmte Anzahl an Corona-Kranken und Toten gegen bestimmte Maßnahmen abgewogen wissen. Es wäre unethisch.

Seit nun Licht am Ende des Tunnels ist, und bald alle im Land geimpft sein können (sofern der Wille da ist), stellt sich die Frage neu. Wenn nur noch wenige Menschen im Krankenhaus landen, gibt es für Restriktionen keine gewichtigen Argumente mehr.

Deshalb zeigt die Aussage Meidingers vor allem eines: Er hat nicht einmal wenige Wochen vorausgedacht. Es ist ein Leichtes, ihm das vorzuwerfen. Doch es ist unredlich. Denn für uns alle gilt: Eine Realität, die noch nicht eingetreten ist, geht nur schwer in unsere Köpfe. Das Umdenken fällt uns schwer.


Klimawandel in Moskau

Hierzulande produzierte das hochrangige Treffen kaum eine Schlagzeile. Der US-Sondergesandte für die Klimakrise, John Kerry, hat in Moskau den russischen Außenminister Sergej Lawrow getroffen. Das ist in zweifacher Hinsicht erstaunlich. Zum einen ist es noch keinen Monat her, dass die Präsidenten beider Länder in Genf zusammentrafen. Zum anderen setzt Moskau damit beim Klima ein deutliches diplomatisches Zeichen. Lawrow sagte, beide Länder würden nun gegen den Klimawandel zusammenarbeiten. "Russland misst den Problemen im Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel große Bedeutung bei", so Lawrow.

Zeitgleich brennen im Westen der USA und in Kanada etwa eine Million Hektar Wald, im Osten Russlands eine Fläche von mehr als einer halben Million Hektar. Zusammengenommen ist das etwa das sechsfache der Fläche Luxemburgs.

Konkrete Ergebnisse des Treffens in Moskau waren anschließend nicht zu vermelden. Das Problem: Bislang gibt es in Russland keine nennenswerte Klimapolitik. So verbietet beispielsweise ein Gesetz, dass Wald wieder aufgeforstet wird. Und vielfach werden Waldbrände erst gar nicht gelöscht. Umweltschützer fürchten, die Taiga könne so bald zu einer Region werden, die CO2 freisetzt, statt wie bislang zu binden.

Die USA wiederum haben unter Ex-Präsident Donald Trump lange die Klimakrise negiert. Vor wenigen Wochen dann machte Joe Biden die Kehrtwende: Er will die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 50 Prozent reduzieren. Im Jahr 2050 wollen die USA dann klimaneutral haushalten.

Ein Vorbild für Russland? Bisher jedenfalls nicht. Ein österreichischer Philosoph sagte passend: "Gattungen, die sich nicht anpassen, gehen zugrunde." Kerry und Lawrow hatten also viel zu besprechen.


Wandel auf Kuba

Kennen Sie Miguel Díaz-Canel? Der Name findet selten Niederschlag in unserer Berichterstattung. Weil wir nur selten über Kuba berichten. Zu immer gleich scheint die Situation im Land. Die aufgestaute Unzufriedenheit hat sich nun erstmals seit Jahrzehnten auf der Straße entladen.

Fidel und Raúl Castros Nachfolger im Amt des kubanischen Präsidenten macht nun, was Despoten in solchen Situationen machen: Die Gegner verhaften und versuchen, den Protest aufzulösen. Mindestens 114 Oppositionelle wurden seit Sonntag als vermisst gemeldet oder festgenommen.

Es ist zugleich die etwas eigene Art der kubanischen Sozialisten, ganz offen mit der Situation umzugehen. Das staatseigene Narrativ lautet: Der Gegner sitzt nicht im eigenen Land. Die USA, die stecken doch hinter allem!

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Der Präsident reiste deshalb am Sonntag umgehend zu den Protestierenden, zumindest ließ er sich so im Staatsfernsehen zeigen. Und die Parteizeitung "Granma" schweigt die Proteste nicht tot, sondern widmet sich dem Problem in epischer Länge und elegischer Art und Weise. Und prangert natürlich das Vorgehen des "Feindes" an (mehr als 20.000 Zeichen, auf Deutsch).

Doch trotz aller Rhetorik hoffen vermutlich viele Kubaner, dass sich drei Jahre nach Ende der Ära Castro endlich etwas bewegt im sozialistischen Karibikstaat. Denn die Coronakrise und damit ausbleibende Touristendollar haben das Leben vieler Menschen weiter erschwert.


Was lesen?

Mit gerade einmal 30 Jahren hat Jennifer Lawrence erreicht, wovon viele ihrer Kollegen ein Leben lang träumen. Sie wurde mit einem Oscar ausgezeichnet und zur bestverdienenden Schauspielerin der Welt gekürt. Meiner Kollegin Jennifer Doemkes hat sie erzählt, wie es ihr damit geht. Mit vielen sehr persönlichen Sätzen wie diesem: "Ich gehe tatsächlich nicht in den Supermarkt, damit mir niemand zurück nach Hause folgen kann."


Geimpft oder genesen? Immer mehr Menschen antworten auf diese Frage mit "beides". Doch wie lange nach der Infektion sollte die Corona-Impfung erfolgen? Und welchen Wirkstoff empfehlen Experten? Meine Kollegin Melanie Weiner klärt auf.


Es ist nur wenig darüber bekannt, wie es im Riesenkonzern Facebook zugeht. Mit ihrem Enthüllungsbuch "Inside Facebook. Die hässliche Wahrheit" wollen zwei Journalistinnen genau darüber schreiben. Mein Kollege Jan Mölleken hat mit den Autorinnen über ihr Werk gesprochen. Sie erklären, wie die Maschinerie des Internetkonzerns funktioniert, wie viel Facebook über die Desinformationskampagnen auf seiner Plattform wusste und welche Rolle Mark Zuckerberg in dem Konzern spielt.


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Was mich amüsiert

Was soll man zu diesem Wetter noch sagen?

Ich wünsche Ihnen einen wenig verregneten Mittwoch. Morgen schreibt meine Kollegin Camilla Kohrs an dieser Stelle.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de

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