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Corona-Ausbruch: Ein Lockdown für alle droht – und zwar bald


Tagesanbruch
Ein Lockdown für alle droht – und zwar bald

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 18.11.2021Lesedauer: 5 Min.
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Leergefegte Innenstadt: Ein neuer Lockdown könnte in manchen Bundesländern Realität werden – nicht nur für Ungeimpfte.Vergrößern des Bildes
Leergefegte Innenstadt: Ein neuer Lockdown könnte in manchen Bundesländern Realität werden – nicht nur für Ungeimpfte. (Quelle: Olaf Döring/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wir befinden uns in der deprimierendsten aller Phasen in dieser Corona-Krise. Denn diese Welle war so vorhersehbar wie keine vor ihr – und dennoch steht Deutschland schlechter da als je zuvor.

Damit wir nicht völlig verzweifeln, bemühen wir uns deswegen um Optimismus: Heute könnte ein guter Tag für Deutschland werden. Weil die Ministerpräsidentenkonferenz wieder zusammenkommt – und jedem Teilnehmer am Tisch der Bund-Länder-Konferenz inzwischen klar sein muss: Wir haben massive Fehler gemacht, wir müssen jetzt extrem viel aufholen.

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Natürlich gibt das in der Öffentlichkeit keiner zu. Am eigenen Mantel soll schließlich bitte kein Dreck hängen bleiben, mag man sich auch im Schlamm gesuhlt haben. In großer Einigkeit haben sich deswegen Länderchefs wie neue Ampelregierung auf einen Sündenbock eingeschossen: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Katrin Göring-Eckardt, Chefverhandlerin der Grünen in den Koalitionsgesprächen mit SPD und FDP beim Thema Gesundheit und mögliche Kandidatin für Spahns Nachfolge, betonte beim Vorstellen des Corona-Ampelplans: Nichts sei vorbereitet gewesen vom Bundesgesundheitsministerium. Nicht in Bezug auf die nun so wichtigen Booster-Impfungen, nicht in Bezug auf mögliche Maßnahmen für den Herbst.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Christine Aschenberg-Dugnus, sagte "Watson": "Leider hat Gesundheitsminister Spahn nicht vorausschauend gehandelt."

Und Länderchefs wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) knurrten schon Ende Oktober, als Spahn einen Bund-Länder-Impfgipfel anregte: "Ein klassischer Spahn mal wieder!"

Verstehen Sie mich richtig: Scharfe Kritik an Jens Spahn ist absolut berechtigt. Der CDU-Minister kommuniziert inkonsistent und agiert inkonsequent, die schlechteste aller Kombinationen in einer Pandemie.

Nur ein Beispiel: Im Juli warnte Spahn noch vor einer 800er-Inzidenz im Oktober. Anfang Oktober aber verkündete er dann, wegen einer guten Impfquote seien weitere Maßnahmen in Herbst und Winter nicht mehr nötig.

Eine unfassbare Fehleinschätzung – oder eine gezielte Irreführung der Öffentlichkeit, um kurz vor dem eigenen Amtsende zu suggerieren: Die Pandemie wurde unter meiner Führung abgewickelt. So oder so: unverantwortlich.

Dennoch ist es allzu einfach, die Verantwortung für die jetzige Lage allein auf Spahn abzuwälzen. Wer sich so irreführen lässt, ermöglicht es Länderchefs wie neuer Ampelregierung, sich aus ihrer Verantwortung zu stehlen. Die Schuld verteilt sich hier auf viele Schultern.

Denn die in der Krise so mächtigen Länderchefs folgten in den vergangenen Monaten demselben Motto wie Spahn: Erst mal Wahlkampf, gibt's überhaupt noch eine Pandemie?

Oft erließen sie zwar Einschränkungen, ignorierten aber konsequent, dass diese oft nicht umgesetzt wurden. Auf dem Papier folgte auf 3G 2G – die Realität aber erlaubte Corona, sich frei zu verbreiten. Die kostenlosen Bürgertests, die wenigstens einen Überblick über das Infektionsgeschehen ermöglichten, wurden von der Bund-Länder-Runde gemeinsam abgeschafft. Und die letzte Ministerpräsidentenkonferenz Ende Oktober wurde vorrangig für hübsche Gruppenfotos genutzt.

Pandemie-eindämmende Entscheidungen? Vorsorge fürs Boostern? Fehlanzeige.

Dennoch hatten viele Ministerpräsidenten die Chuzpe, ein Treffen der Runde Anfang November, angeregt vom neuen MPK-Chef und Laschet-Nachfolger Hendrik Wüst (CDU), auszuschlagen.

"Keine Notwendigkeit" sah Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU). "Ich brauche keine Ministerpräsidentenkonferenz", sagte Thüringens Bodo Ramelow (Linke) und verwies auf die "klaren Beschlüsse" des Oktober-Selfie-Treffens. Auffrischungsimpfungen könne jedes Land organisieren, Berlin sei auf einem guten Weg, hieß es von Müller (SPD).

Die kommende Regierung aus SPD, Grünen und FDP schafft derweil als ersten Corona-Akt die epidemische Notlage ab. Beschlossen wird das Paket im Bundestag zwar erst am heutigen Donnerstag, die Marschrichtung aber ist klar: Das Notstandsgesetz, das in der Krise schnell krasse Einschnitte bis hin zum Lockdown erlaubt, soll beendet werden.

Und jetzt? Verzeichnet Deutschland so hohe Inzidenzen wie nie zuvor, sind im Süden und Osten viele Intensivstationen überfüllt, ächzen die Beschäftigten in den Krankenhäusern wieder unter unmenschlicher Belastung – und muss das Treffen heute rausreißen, was über Monate verschlafen wurde.

Schon im Vorfeld kündigt sich ein hektisches Rennen gegen die Zeit an, das nicht zuletzt mit dem Auslaufen der epidemischen Notlage zu tun hat. Die Einführung der 2G-Regel bundesweit ist wahrscheinlich, auch die Festlegung auf einen einheitlichen Hospitalisierungswert, der bei Überschreiten in allen Ländern zu weiteren Maßnahmen führt.

Doch Experten schlagen Alarm: 2G und auch noch so harte Einschränkungen für Ungeimpfte könnten nicht reichen. Die Politik müsse ihr liebstes Versprechen aus den Scharwenzel-Monaten ("Keine Lockdowns mehr für Geimpfte!") brechen, um den Kollaps des Gesundheitssystems noch zu verhindern.

Gestern rechnete RKI-Chef Lothar Wieler dann noch in einer Video-Liveschalte mit Sachsens Ministerpräsident Kretschmer hart mit der Politik ab, zeigte in einer Präsentation ihre Fehler und Verstöße gegen wissenschaftliche Empfehlungen auf. Und betonte: Er sei es leid, immer wieder dasselbe zu erklären.

Kanzlerin Angela Merkel schaltete sich ein, warnte vor einer "dramatischen" Lage. Der Druck also ist hoch. Ein Lockdown für alle in manchen Bundesländern wird immer wahrscheinlicher und zwar bald.

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Denn den gesamten Corona-Instrumentenkasten bis hin zu Schließungen von Geschäften sollen die Länder nach den derzeitigen Ampel-Plänen nur bis Mitte Dezember nutzen können – und auch das nur, wenn die Landesparlamente die Maßnahmen bis zum 25. November, dem Tag des Auslaufens der epidemischen Notlage, anordnen. Sieben Tage. Ein fast unmöglicher Wahnsinn.


Buße für Unverzeihliches

Das Kölner Erzbistum will heute in einem Gottesdienst im Kölner Dom Buße tun für die Sexualverbrechen katholischer Priester. Am Ende eines solchen Gottesdienstes steht in der Regel die Bitte um Vergebung. Gott dürfte dafür aber wohl kaum der richtige Adressat sein. Männer, die im Bistum von Priestern missbraucht wurden, kritisierten außerdem vorab: Sie seien zwar eingeladen, aber in die Vorbereitungen nicht eingebunden worden und befürchteten dort, vielleicht auf ihre Peiniger zu treffen. Kann man eigentlich auch für einen Bußgottesdienst Buße tun?


Innenministertreffen zur Belarus-Route

Bundesinnenminister Horst Seehofer trifft am Nachmittag Polens Innenminister Mariusz Kamiński. Es wird dabei wenig überraschend eher nicht darum gehen, wie man den Menschen helfen kann, die an der Grenze zwischen Belarus und Polen festhängen, frieren und sterben. Stattdessen werden die Innenpolitiker wohl besprechen, wie man sie genau da hält, wo sie sind. Schon Mitte Oktober hatte Seehofer dem polnischen Innenminister in einem Brief vorgeschlagen, Einreisen nach Deutschland mit gemeinsamen deutsch-polnischen Patrouillen vor allem auf polnischem Gebiet zu stoppen.


Was lesen?

Mein Kollege Tim Kummert war im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus unterwegs. 3.500 Menschen sitzen dort schätzungsweise fest. In diesem Kommentar erklärt er, warum die deutsche Angst vor ihrer Aufnahme und Hunderttausenden, die folgen könnten, absurd und unverschämt ist.


Sind die Corona-Regeln der Ampel zu locker? Meine Kollegin Lisa Becke hat sie sich einzeln vorgenommen und auf Praxistauglichkeit geprüft, ihr Fazit lesen Sie hier.


Ex-Wimbledonsiegerin Peng Shuai bezichtigte Anfang November den hochrangigen chinesischen Politiker Zhang Gaoli der Vergewaltigung. Seitdem wird das Tennisass in der Öffentlichkeit vermisst. Das passiert nicht zum ersten Mal, im Gegenteil: Es hat System, wie mein Kollege Dominik Sliskovic mit Blick auf einen anderen Fall in diesem Text erklärt.


Enissa Amani hat einen Rechtsstreit öffentlich gemacht, der absurd erscheint. Die Künstlerin hat einen AfD-Politiker beleidigt, nachdem der sich zutiefst rassistisch geäußert hatte. Nun droht ihr deswegen eine Haftstrafe – AfD-Politiker Winhart hingegen muss keine Konsequenzen tragen. Mit meinem Kollegen Steven Sowa hat Amani nun erstmals hier darüber gesprochen, warum sie bereit ist, ins Gefängnis zu gehen – und wie Bedrohungen seit zwei Jahren ihr Leben verändern.


Was mich amüsiert:

Wie Angela Merkel wohl über ihre potenziellen Nachfolger denkt ...

Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag. Die Ergebnisse der Hauruck-Konferenz von Bund und Ländern (und vieles mehr) wird morgen an dieser Stelle wieder Florian Harms erklären und kommentieren.

Ihre

Annika Leister
Redakteurin Politik
Twitter: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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