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Omikron-Variante: Wir sollten Südafrika dankbar sein


Tagesanbruch
Schlag auf Schlag

MeinungVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 30.11.2021Lesedauer: 6 Min.
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Ein Corona-Test in Australien: Die Omikron-Variante wurde bereits in zahlreichen Staaten festgestellt.Vergrößern des Bildes
Ein Corona-Test in Australien: Die Omikron-Variante wurde bereits in zahlreichen Staaten festgestellt. (Quelle: James Gourley/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

vielleicht ging es Ihnen wie mir: Nicht schon wieder, dachte ich, als die Nachrichten einer neuen Corona-Mutante kamen. Noch ist nicht viel bekannt, aber Omikron könnte ansteckender sein als alle anderen Varianten und es ist möglich, dass – Gott bewahre – unsere Impfungen weniger wirksam sind. Für diese Annahmen haben Virologen bisher nur Indizien, die sie auf die Eigenschaften von Omikron zurückführen. Bis wirklich Klarheit herrscht, kann es noch Tage oder Wochen dauern.

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Nachdem Südafrika die Entdeckung am Donnerstag bekannt gab, ging es Schlag auf Schlag. Zahlreiche Staaten verhängten Einreisebeschränkungen, das deutsche Robert Koch-Institut setzte Südafrika und sieben weitere Staaten auf die Liste der Virusvariantengebiete, nur noch deutsche Staatsbürger oder Menschen mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland dürfen noch einreisen.

Schnell etablierte sich auch ein erster – inoffizieller – Name: die südafrikanische Variante. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) steuerte zwar schnell mit der Bezeichnung "Omikron" gegen. Die Interpretation aber stand da schon: Schon wieder eine neue Variante, schon wieder aus Südafrika. Doch so einfach ist es nicht. Vielmehr sollten wir Südafrika dankbar sein.

Denn die Reaktion des Landes ist eine Blaupause: Die Virologen erforschten die neue Variante – nach allem, was bisher bekannt ist – schnell, kommunizierten klar und stellten ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung. Dabei arbeiteten sie eng mit Botsuana zusammen. In dem Nachbarland war die Mutation nach bisherigem Wissensstand zuerst sequenziert worden, und zwar bei ausländischen Diplomaten, die in das Land gereist waren. Woher diese kamen, ist noch unbekannt.

Dabei war dem federführenden Virologen Tulio de Oliveira und dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa klar, was das bedeuten würde: Andere Staaten würden das südliche Afrika sofort isolieren. So erzählt es de Oliveira dem "Wall Street Journal". Doch sie entschieden, der Gesundheitsschutz müsse vorgehen. Dass ein Land so schnell so klar warnt, ist in dieser Pandemie keine Selbstverständlichkeit. China etwa hat zu Beginn der Corona-Krise wichtige Informationen lange zurückgehalten. Auch Brasilien und Großbritannien kommunizierten bei den bei ihnen entdeckten Varianten langsamer. Nicht umsonst nannte US-Außenminister Antony Blinken Südafrikas Handeln nun ein "Vorbild für die Welt".

Damit dieses Vorbild aber Nachahmer findet, sollten die Staaten im südlichen Afrika nun dringend unterstützt werden. Südafrika leidet massiv unter der Corona-Krise, die Wirtschaft kränkelt. Die gerade beginnende und für das Land so wichtige Tourismussaison wird nun im Keim erstickt. Und die leeren Staatskassen machen es dem Land fast unmöglich, gegenzusteuern. "Herausragende Wissenschaft sollte gelobt und nicht bestraft werden", schrieb die südafrikanische Regierung in einer Mitteilung. Sie hätte es auch mit einem berühmten englischen Sprichwort sagen können: "Don't shoot the messenger". Und sie hat damit recht. Besonders die G7-Staaten, die mächtigsten Industrieländer, zu denen auch Deutschland gehört, sollten den Ländern nun unter die Arme greifen – finanziell, aber auch mit mehr Impfstoffen.

Denn das, was gerade passiert, war lange vorhersehbar. "Bevor nicht die ganze Welt geimpft wird, ist keiner sicher" – dieses Mantra beten Experten seit Monaten herunter. In der Theorie ist es klar: Solange sich das Virus egal wo auf der Welt weiterverbreitet, können gefährliche Mutanten entstehen – gegen die auch unsere Impfungen machtlos sind. Mit viel Tamtam wurde die weltweite Impfinitiative Covax angekündigt. Reiche Länder sollen Impfstoff spenden, der dann in ärmeren verteilt wird, zudem sicherte sich die Initiative Kontingente bei den Herstellern. Das war von Beginn an keine reine Wohltätigkeitsaktion. Die Industriestaaten hatten sich so große Kontingente bei den Herstellern gesichert, dass ärmere Länder auf dem Markt keine Chance hatten. Die Folge: Vor allem in afrikanischen Staaten sind die Impfquoten extrem niedrig.

Doch in der Umsetzung hinken die reichen Nationen ihren Zielen weit hinterher. Deutschland etwa hatte bis Jahresende 100 Millionen Dosen zugesagt. Bis vergangene Woche aber war laut Gesundheitsministerium erst ein Fünftel ausgeliefert – und damit liegt Deutschland sogar noch über dem Gesamtschnitt. Und die Dosen, die gespendet werden, kommen teilweise so spontan, dass die Verteilung kaum organisiert werden kann, kritisiert die WHO. Sollte eine Mutante nun die Fortschritte beim Impfen zunichtemachen, ist das vor allem eines: ein Versagen der Industriestaaten.

Das Beispiel Omikron zeigt zudem eine Schwachstelle hierzulande auf. Südafrika und Botsuana haben die Variante zwar entdeckt. Sie könnte aber in anderen Staaten, die weniger sequenzieren, viel weiter verbreitet sein. Dennoch gelten die Einreisebeschränkungen wegen Omikron bisher ausschließlich für das südliche Afrika. Passagiere aus anderen Teilen der Welt können – wenn sie geimpft sind – ohne Test einreisen. Angesichts der neuen Gefahr ist das nicht nur fahrlässig. Es wirkt auch geradezu absurd, wenn gleichzeitig Geimpfte in einigen Teilen Deutschlands einen Test brauchen, um ins Fitnessstudio oder auf den Weihnachtsmarkt zu dürfen.

Wie wichtig die frühe Reaktion der südafrikanischen Virologen war, zeigt auch eine weitere Nachricht: Die Forscher von Biontech und Moderna haben sich schon in diesen Tagen an die Arbeit gemacht, um ihre Impfstoffe notfalls an Omikron anzupassen. Mehr dazu erfahren Sie von meiner Kollegin Melanie Weiner. Von dem Ergebnis aber würden dann wohl wieder die reichen Länder zuerst profitieren und die armen auf der Strecke bleiben. Denn wenn sich in dieser Krise eins gezeigt hat, dann das: Die Regierungen der Industriestaaten denken in erster Linie an ihr eigenes Land – und verlieren dabei das große Ganze aus den Augen. Omikron ist der beste Beleg dafür.


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Nach langem Hin und Her gibt es nun doch einen früheren Corona-Gipfel – und zwar heute. Die Ministerpräsidenten der Länder werden mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel und ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz über schärfere Maßnahmen beraten, wie gestern bekannt geworden ist. Zeit wird's allemal. Die Inzidenzen steigen massiv, die Bundeswehr fliegt bereits Intensivpatienten durch die Republik. Doch bisher konnten sich die Ampelkoalitionäre noch nicht dazu durchringen, ihren bisherigen Kurs zu korrigieren. Heute könnte eine lebhafte Diskussion folgen: Die FDP steckt in einem Dilemma und einige Grüne können mit ihrem Ärger nicht mehr hinterm Berg halten, berichten meine Kollegen Johannes Bebermeier und Tim Kummert.

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Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Dienstag. Morgen lesen Sie an dieser Stelle wieder von Florian Harms.

Ihre

Camilla Kohrs
Redakteurin Politik/Panorama
Twitter: @cckohrs

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Mit Material von dpa.

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