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Geheimplan Konklave: Wer jetzt die besten Chancen auf das Papst-Amt hat


Machtkampf um den Papstthron
"Mit ihm holt man ein heißes Eisen ins Haus"

InterviewVon Ellen Ivits

04.05.2025 - 10:55 UhrLesedauer: 6 Min.
Kardinal Pizzaballa gilt als jung, dynamisch und krisenerprobt: Ins Konklave geht er als spannender Papst-Kandidat. Vergrößern des Bildes
Kardinal Pizzaballa gilt als jung, dynamisch und krisenerprobt: Ins Konklave geht er als spannender Papst-Kandidat. (Quelle: DEBBIE HILL/imago-images-bilder)
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Im Vatikan herrscht vor dem Konklave Nervosität: Wer wird das Erbe von Papst Franziskus antreten? Während die Welt noch rätselt, haben im Kirchenstaat längst die ersten Manöver begonnen.

Bis zum Konklave bleiben nur noch wenige Tage. Simon Biallowons kennt den Vatikan, kennt die Strippenzieher und die Spannungen hinter den Kulissen. Im Interview mit t-online spricht der Autor und Geschäftsführer des Herder Verlags über die Lage der katholischen Kirche vor der anstehenden Papstwahl, die Stimmung im Machtzentrum des Vatikans – und erzählt, welche Kardinäle sich Chancen auf den Papstthron ausrechnen können.

t-online: Herr Biallowons, wenn Sie die katholische Kirche derzeit mit einem Theaterstück vergleichen müssten: Was sehen wir uns an? Eine Tragödie? Eine Komödie?

Eine Operette. Das Ganze hat teilweise etwas Spielerisches, für Außenstehende sicherlich auch Ungewohntes, Überholtes oder gar bisweilen Komisches. Zugleich geht es um viel Ernstes, was auf den ersten Blick für Außenstehende nicht so wirkt. Es ist doch beeindruckend, wie viele Menschen Anteil nehmen. Es zeigt, wie wichtig die Kirche noch immer ist – entgegen manchen Unkenrufen oder auch der Apokalypsen-Stimmung in Deutschland.

Wie ist aktuell die Stimmung im Vatikan?

Geteilt. Viele schätzen Franziskus persönlich sehr – menschlich, spirituell, was seine Reformen betrifft. Aber strukturell hat er vieles nicht erledigt. Organisationstechnisch hängt einiges in der Luft. Das frustriert. Und dann ist da die große Frage: Wer kommt nach ihm? Wird es einen Bruch geben oder wird sein Kurs fortgesetzt?

Beobachter sprechen von fast bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Vatikan. Wie sehen Sie das?

Zugespitzt, klar. Aber nicht falsch. Die Frontlinien verlaufen nicht entlang nationaler Grenzen, sondern zwischen Reformwilligen und Bewahrern. Ich mag diese Begriffe "liberal" und "konservativ" nicht, aber sie helfen manchmal, das Feld einzugrenzen.

Man darf sich da nichts vormachen: Die Kirche ist und bleibt ein stark hierarchisch organisiertes System, auch wenn es zuletzt wichtige Lockerungen und Veränderungen gegeben hat. Und genau deshalb entsteht sofort Spannung, wenn es an der Spitze ein Machtvakuum gibt. Was wir derzeit erleben, ist nichts, was allein mit Papst Franziskus zu tun hätte – das ist ein strukturelles Problem, das sich schon seit Jahren abzeichnet. Man spürt, wie drastisch sich die Welt verändert. Es geht im Kern um die Frage: Passt sich die Kirche der Welt an – oder grenzt sie sich ab?

Video | So läuft das Konklave ab
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Quelle: Glomex

Kritiker der Reformen verweisen gerne auf die leeren Kirchen in Deutschland. Sie argumentieren: Mehr Offenheit bringt offenbar die Gläubigen nicht zurück. Für Sie ein Argument mit Gewicht?

Hier lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht beweisen. Ist die Öffnung der Kirche der Grund für die leeren Gotteshäuser? Oder hätten längst viel mehr Gläubige der Kirche den Rücken gekehrt, hätte es eine gewisse Öffnung nicht gegeben? Für mich als Verleger liegt ein Vergleich mit einem Buchtitel nahe: Vielleicht hätte sich ein bestimmtes Buch mit einem anderen Cover besser verkauft. Vielleicht nicht. Man wird es nicht erfahren.

Ich sehe ganz woanders ein Problem: Es fehlen sichtbare, glaubwürdige Gesichter in der Katholischen Kirche. Wer sind heute die Stars der Kirche? Wer begeistert junge Menschen? Wer lebt das Evangelium glaubwürdig, mitreißend und inspirierend?

Simon Biallowons
Simon Biallowons (Quelle: privat)

Zur Person

Simon Biallowons, Jahrgang 1984, ist studierter Philosoph und Absolvent der katholischen Journalistenschule ifp. Er arbeitete als Korrespondent in Rom, lebte im Nahen Osten und berichtete als Reporter für verschiedene Medien aus vielen Ländern. Biallowons ist Verfasser mehrerer Bestseller und derzeit Geschäftsführer und Cheflektor des Herder Verlages.

Sehen Sie im Kardinalskollegium kein Gesicht mit Star-Qualitäten? Wer sind Ihre Favoriten für den Stuhl Petri?

Es gibt einige Namen, die wiederholt fallen – doch echte Favoriten auszumachen, ist schwieriger denn je. Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich folgende Persönlichkeiten nennen:

Pietro Parolin: Der Staatssekretär ist ein erfahrener Machtpolitiker. Er kennt die Strukturen der Kurie in- und auswendig und weiß, wie man auch in schwierigen Zeiten die Fäden zieht. Ein Papst Parolin wäre eine Wahl der Kontinuität und der Stabilität.

Matteo Zuppi: Er bringt eine beeindruckende Mischung aus theologischer Tiefe, politischer Klugheit und Charisma mit. Als Erzbischof von Bologna und Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz hat er bewiesen, dass er sowohl Menschen erreichen als auch Brücken bauen kann. Besonders seine Rolle in Friedensmissionen, zuletzt in der Ukraine, macht ihn für viele zu einem Hoffnungsträger.

Jean-Claude Hollerich: Der Luxemburger verbindet europäische Weitsicht mit intellektueller Tiefe. Er steht für eine Kirche, die sich den Fragen der Gegenwart stellt, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen. Seine Stimme im synodalen Prozess war klar und wegweisend. Doch ein zweiter Jesuit in Folge? Es wäre auf jeden Fall ein klarer Fingerzeig für den Franziskus-Kurs.

Kardinal Pierbattista Pizzaballa wird oft als ein möglicher Kandidat genannt. Hat er Chancen?

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem ist jung – zumindest nach vatikanischen Maßstäben – und hat in einem der härtesten Ämter der Kirche eine erstaunliche Souveränität gezeigt. Seine Ausstrahlung ist fast greifbar. Und dann auch noch Italiener? Wäre interessant, wenn sich die Kurie tatsächlich wieder für einen Italiener entscheidet.

Ich persönlich hatte ihn bisher nicht unter den drei Favoriten auf dem Schirm, auch weil er aus meiner Sicht ein echtes politisches Risiko ist. Im Sinne von: Mit ihm holst du dir ein heißes Eisen ins Haus, weil er natürlich auch polarisiert hat. Da kommen Konflikte mit, die auch die Kirche schon länger beschäftigen. Aber genau das macht ihn auch so spannend.

Sehen Sie in Kardinal Jean-Marc Aveline einen möglichen Papst?

Der Erzbischof von Marseille ist ein aufstrebender Name unter den Europäern. Aveline bringt eine starke Verbindung von Philosophie und Theologie mit, gepaart mit viel diplomatischem Geschick. Er ist versiert im interreligiösen Dialog, vor allem mit den Muslimen. In den letzten Jahren hat er sich international gut vernetzt und gilt als einer der spannendsten Köpfe unter den jüngeren Kardinälen. Seine Wahl würde ein klares Signal setzen: für eine weltoffene, zugleich tief verwurzelte Kirche.

Der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle galt lange als möglicher Anwärter auf den Stuhl Petri. Fällt sein Name noch?

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Kardinal Tagle wird ständig genannt – man hört den Namen überall. Aber ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass er am Ende eine Mehrheit hinter sich bringen würde. Er gilt in vielen Fragen als liberal – und ich glaube nicht, dass wir einen sehr liberalen Papst bekommen werden. Und dann ist da noch die Machtbasis in Asien: Die ist einfach nicht so stark, wie sie es bräuchte – noch nicht.

Was wird das kommende Konklave besonders prägen?

Vor allem das: Viele Kardinäle kennen sich nicht gut. Franziskus hat viele neue ernannt, zwei Drittel der Wahlberechtigten. Da sortieren sich gerade erst die Allianzen. Große Figuren wie Schönborn treten in den Hintergrund. Wer wagt aber da den Schritt nach vorn?

Franziskus hat es da besonders interessant gemacht – man sieht es gut, wenn man auf die Trauerfeier blickt. Er hat keine möglichen Nachfolger ins Rampenlicht gerückt, sondern die Rollen bewusst breit verteilt. Es gab keinen Favoriten, keinen offensichtlichen Kronprinzen.

Und dann gibt es noch die alte Weisheit: Wer als Papst-Kandidat ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder raus. Insofern ist es heikel, sich zu früh in Stellung zu bringen.

Die meisten Kardinäle hat Franziskus selbst ernannt. Spricht das für eine Fortsetzung seines Kurses?

Nicht zwingend. Auch ein Chef befördert nicht nur Leute, die zu 100 Prozent seine Meinung teilen. Franziskus hat viele Kardinäle in Afrika ernannt – doch dort lehnen viele seine Aussagen zur Homosexualität, der Kommunion für wieder verheiratete Geschiedene oder neuen Aufgaben für Frauen strikt ab. Das heißt: Die Mehrheit seiner Ernennungen ist kein Garant für ideologische Nähe.

Was müsste ein neuer Papst für Sie mitbringen?

Drei Dinge: Er muss unprätentiös und menschlich sein – wie Franziskus es vorgelebt hat. Es muss Mut haben – gerade in geopolitisch sensiblen Fragen. Und ein klares Profil: Er muss über Gott reden. Denn wenn eine Organisation nicht mehr über ihren Markenkern spricht, verliert sie an Kraft.

Gibt es eine persönliche Erinnerung an frühere Konklaven, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Ja, sehr deutlich. Ich war 21 Jahre alt, als Benedikt XVI. gewählt wurde. Damals machte ich meine ersten journalistischen Schritte und traf einen Monseigneur, der an der Vorbereitung des Konklaves beteiligt war. Er erzählte mir, wie stark die Sehnsucht nach Stabilität unter den Kardinälen war – eine tiefe, fast existenzielle Sehnsucht nach Sicherheit.

Und das hat mich damals beeindruckt: erwachsene Männer, gestandene Persönlichkeiten, die sich letztlich aus einem menschlichen Bedürfnis nach Halt für eine Richtung entschieden. Das ist eine zentrale Frage für mich: Wird dieses Bedürfnis nach Sicherheit beim kommenden Konklave wieder eine zentrale Rolle spielen oder der Mut für Veränderung und Öffnung?

Was würden Sie einem Kardinal auf dem Weg ins Konklave mitgeben?

Ich würde ihm eine sehr einfache, aber umso schwerere Bitte mitgeben: Handle wahrhaftig. Wahrhaftigkeit bedeutet, sich nicht von politischen Taktiken leiten zu lassen, sondern aus einem inneren Kompass heraus zu entscheiden – für den Glauben, nicht für das eigene Lager. Gerade jetzt, wo die Kirche an einer Wegscheide steht, braucht es diesen Mut zur Wahrhaftigkeit mehr denn je.

Verwendete Quellen
  • Interview mit dem Autor und Geschäftsführer des Herder-Verlags Simon Biallowons
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