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Papst-Nachfolger: Keiner der Favoriten setzt sich durch


Die Top-Kandidaten beim Konklave
Papst-Nachfolger: Keiner der Favoriten setzt sich durch


Aktualisiert am 08.05.2025 - 20:22 UhrLesedauer: 6 Min.
Pierbattista Pizzaballa: Der Patriarch von Jerusalem verlässt die Kongregation im Vatikan. Wird er der neue Papst, der die Kirche in eine Ära des Friedens führt?Vergrößern des Bildes
Pierbattista Pizzaballa: Der Patriarch von Jerusalem verlässt die Kongregation im Vatikan. Wird er der neue Papst, der die Kirche in eine Ära des Friedens führt? (Quelle: IPA/ABACA/imago-images-bilder)
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Parolin, Pizzaballa, Zuppi, Tagle, Aveline: Fünf Kardinäle sind als Favoriten ins Konklave gegangen. Jeder dieser Kandidaten bringt einzigartige Qualifikationen mit.

In der Sixtinischen Kapelle haben 133 Kardinäle den nächsten Papst gewählt – abgeschottet von der Welt bestimmten sie einen Mann aus ihrem Kreis, der als Pontifex die katholische Kirche in eine neue Ära führen soll. Das Konklave ist ein sagenumwobener Prozess, die geheimste Wahl der Welt, wie es der Historiker Hubert Wolf formuliert hat. Entsprechend groß war die Faszination. Und umso spannender die Frage, wer aus dem Konklave als der neue Pontifex hervorgeht. Nun ist ein neuer Papst gewählt: Leo XIV. Er gehörte nicht zu den Favoriten und seine Wahl überrascht, ist er doch der erste US-Amerikaner, der als Oberhaupt der katholischen Kirche im Vatikan dient.

Bereits vor dem Tod von Papst Franziskus kursierten im Vatikan Namen möglicher Nachfolger. Doch Experten waren sich einig: Es könnte auch ein Überraschungskandidat werden. Denn das Konklave bleibt unberechenbar.

Einige der Kardinäle hatten sich dennoch frühzeitig in Stellung gebracht und waren als Favoriten in das Konklave gegangen.

Pietro Parolin

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin geht als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge auf dem Stuhl Petri ins Konklave. Er gilt als der mächtigste Kardinal im Vatikan – und als logischer Nachfolger von Papst Franziskus. Seit 2013 lenkt Kardinal Parolin als Staatssekretär des Vatikans die diplomatischen Geschicke der katholischen Kirche. Der 70-jährige Italiener gilt als pragmatischer Stratege und geschickter Diplomat. Seine Verbindungen reichen von Peking bis Washington.

Simon Biallowons kennt den Vatikan, die Strippenzieher und die Spannungen hinter den Kulissen. Im Interview mit t-online sagt der Autor und Geschäftsführer des Herder Verlags: "Der Staatssekretär ist ein erfahrener Machtpolitiker. Er kennt die Strukturen der Kurie in- und auswendig und weiß, wie man auch in schwierigen Zeiten die Fäden zieht. Ein Papst Parolin wäre eine Wahl der Kontinuität und der Stabilität."

Auch der Vatikanexperte Nino Galetti sieht in Parolin einen starken Kandidaten: "Wer auf Kontinuität setzt, kommt an Pietro Parolin kaum vorbei. Der langjährige Kardinalstaatssekretär gilt als engster Vertrauter von Papst Franziskus – fast das gesamte Pontifikat über stand er an dessen Seite. Parolin wäre damit eine Art Garant: Ein Bruch mit der Linie des verstorbenen Papstes wäre unter ihm kaum zu erwarten."

Was ihm allerdings fehle, sei das gewisse Charisma. "Parolin wirkt sachlich, zurückhaltend – im direkten Vergleich mit anderen Kandidaten verblasst seine Ausstrahlung. Doch womöglich ist gerade das in dieser Phase der Kirche kein Nachteil."

Pierbattista Pizzaballa

Als Stimme der Versöhnung in einer zerrissenen Region könnte Kardinal Pierbattista Pizzaballa zum Symbol eines neuen Pontifikats werden. Der Patriarch von Jerusalem gilt aktuell als Favorit für den vakanten Papststuhl. Aufgrund seiner tiefen Verankerung in der Krisenregion Nahost, seiner pastoralen Nähe zur Basis und seiner theologischen Offenheit gilt er als einer der interessantesten Namen für das bevorstehende Konklave.

Vatikanexperte Andreas Englisch erläutert im Gespräch mit t-online: "Seine mögliche Wahl hätte eine besondere politische Bedeutung, insbesondere in der aktuellen geopolitischen Lage des Nahen Ostens. Zudem bringt er mit seinem vergleichsweise jungen Alter – unter 60 Jahren – eine langfristige Perspektive für das Amt mit."

Doch beide Umstände könnten auch gegen ihn sprechen. "Aus meiner Sicht stellt er ein echtes politisches Risiko dar. Im Sinne von: Mit ihm holst du dir ein heißes Eisen ins Haus, weil er natürlich auch polarisiert hat", führt Biallowons an. "Da kommen Konflikte mit, die auch die Kirche schon länger beschäftigen."

Zudem könnte auch sein Alter zu einer Hürde werden. "Mit 60 Jahren zählt er zu den jüngeren Kandidaten, was ihm ein langes Pontifikat ermöglichen würde – 20, vielleicht sogar 25 Jahre. Aber genau das ruft bei manchen Skepsis hervor", gibt Galetti zu bedenken.

Der Hintergedanke sei: "In einer Welt, die sich rasant verändert, fragen sich einige Kardinäle, ob ein Pontifikat von so langer Dauer der Kirche guttut. Ein kürzeres Pontifikat von zehn bis fünfzehn Jahren eröffnet die Möglichkeit erneuter Kurskorrekturen durch den nachfolgenden Papst."

Matteo Zuppi

Anders gelagert ist der Fall Matteo Zuppi, Erzbischof von Bologna. Der Römer gilt vielen als Franziskus 2.0 – volksnah, sozial engagiert, politisch sensibel. Zuppi ist eng mit der Gemeinschaft Sant'Egidio verbunden, einer Laienbewegung, die weltweit für ihren Einsatz in Friedensprozessen bekannt ist. Papst Franziskus selbst schickte ihn als Sondergesandten nach Moskau und Kiew, um im Ukraine-Krieg zu vermitteln – mit gemischten Ergebnissen, aber internationaler Anerkennung.

"Er bringt eine beeindruckende Mischung aus theologischer Tiefe, politischer Klugheit und Charisma mit. Als Erzbischof von Bologna und Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz hat er bewiesen, dass er sowohl Menschen erreichen als auch Brücken bauen kann. Besonders seine Rolle in Friedensmissionen, zuletzt in der Ukraine, macht ihn für viele zu einem Hoffnungsträger", so die Einschätzung des Vatikankenners Biallowons.

"Zuppi steht für eine Kirche, die Barmherzigkeit in den Mittelpunkt stellt. Auch deshalb zählt er zu den Favoriten der Kardinäle, die auf eine Fortführung der Reformen setzen. Aber genau das könnte ihn auch zum Scheitern bringen", sagt der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom. "Natürlich gibt es im Kardinalskollegium auch Stimmen, die sagen: So wertvoll viele Reformen unter Franziskus waren – den Kurs behutsam zu korrigieren."

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In der Kirche verlaufen große Entwicklungen selten geradlinig. "Mal geht es ein Stück nach vorn, dann wieder zur Seite – wie in einer Zickzackbewegung, die sich am Ende in der Mitte einpendelt. Ein neues Pontifikat könnte also auch eine Phase der Balance und Neujustierung einläuten."

Antonio Tagle

Kardinal Antonio Tagle gilt seit Jahren als einer der prominentesten Köpfe der Weltkirche – und als möglicher Brückenbauer zwischen den Kulturen. Der aus den Philippinen stammende Kardinal bringt eine seltene Kombination mit: Er kennt das Leben in einer dynamischen Ortskirche ebenso wie die komplexe Maschinerie der römischen Kurie.

Ein weiterer Pluspunkt, der für ihn spreche, sei sein mediales Gespür, so Galetti: "Tagle ist präsent in sozialen Netzwerken, führt einen eigenen Facebook-Account mit großer Reichweite und versteht es, moderne Kommunikationswege klug zu nutzen – ein Papst mit digitalem Taktgefühl also. Manche Beobachter vermissen bei ihm jedoch die Härte, die das Amt im Angesicht von Krisen und Kriegen erfordert."

Kritisch werde gelegentlich angemerkt, dass seine theologische Tiefe nicht ganz dem entspricht, was manche Kardinäle sich für das Amt wünschen würden.

Zudem könnte er vielen Kardinälen schlicht zu liberal sein. "Kardinal Tagle wird ständig genannt – man hört den Namen überall. Aber ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass er am Ende eine Mehrheit hinter sich bringen würde", sagte Biallowons. "Und dann ist da noch die Machtbasis in Asien: Die ist einfach nicht so stark, wie sie es bräuchte – noch nicht."

Jean-Marc Aveline

Ein Name, der in den vergangenen Tagen immer häufiger fiel, ist Jean-Marc Aveline, Erzbischof von Marseille. Der französische Kardinal gilt als tief verwurzelt und zugleich weltzugewandt – nicht zuletzt wegen seiner eigenen Geschichte: Als Kind floh er mit seinen Eltern aus Algerien nach Frankreich. Diese persönliche Migrationsbiografie prägt bis heute seine Perspektive – und macht ihn in einer Stadt wie Marseille, mit ihren sozialen Spannungen und kulturellen Bruchlinien, besonders glaubwürdig.

"Aveline hat sich dort als Brückenbauer bewährt, als jemand, der mit religiöser Vielfalt ebenso souverän umgeht wie mit gesellschaftlicher Zerrissenheit. Sein Charisma, sein Engagement und seine Nähe zu den Menschen machen ihn zu einem Hoffnungsträger – gerade für jene, die sich eine Kirche wünschen, die zuhört und anpackt", argumentiert Galetti.

Aveline gilt als der Kandidat der Herzen. Aber er ist nicht nur charismatisch und herzlich im Auftreten. Vatikanexperte Biallowons hebt seine Stärken hervor: "Er ist versiert im interreligiösen Dialog, vor allem mit den Muslimen. In den letzten Jahren hat er sich international gut vernetzt und gilt als einer der spannendsten Köpfe unter den jüngeren Kardinälen. Seine Wahl würde ein klares Signal setzen: für eine weltoffene, zugleich tief verwurzelte Kirche."

 
 
 
 
 
 
 

Den Sieger des Konklaves erwartet das Erbe von Papst Franziskus

Parolin, Pizzaballa, Zuppi, Tagle, Aveline: Das sind nur fünf Namen von frühen Favoriten. Je länger das Konklave dauert, desto geringer werden aber ihre Chancen, die Papstwahl für sich zu entscheiden. Wenn die Favoriten sich nicht durchsetzen können, werden die Kardinäle nach Kompromisskandidaten Ausschau halten – und die hat vorher kaum jemand auf dem Schirm.

Aber unabhängig davon, wer am Ende Papst wird: Franziskus hat die Kirche geöffnet und Reformen angestoßen, die nicht mehr zurückgenommen werden können, sagt Marco Politi im Gespräch mit t-online. "Aber er hinterlässt eine zerrissene Kirche. Sein Nachfolger wird die Aufgabe haben, diese Spaltungen zu überbrücken – eine schwierige, aber notwendige Mission", betont der Vatikanexperte.

Verwendete Quellen
  • Interviews mit dem Vatikanexperten Andreas Englisch
  • Interview mit dem Autor und Geschäftsführer des Herder-Verlags, Simon Biallowons

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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