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Jamshid Sharmahd im Iran zum Tode verurteilt – Tochter warnt Bundesregierung


Todesurteil gegen Deutsch-Iraner Sharmahd
"Dann ist niemand von uns mehr sicher"

  • Marianne Max
Von Charlotta Siemer, Marianne Max

Aktualisiert am 27.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Jamshid Sharmahd und seine Tochter Gazelle: Sie setzt sich für die Freiheit ihres Vaters ein.Vergrößern des Bildes
Jamshid Sharmahd und seine Tochter Gazelle: Sie setzt sich für die Freiheit ihres Vaters ein. (Quelle: privat)

Teheran bestätigt das international kritisierte Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Sharmahd. Seine Tochter macht dafür auch die Bundesregierung verantwortlich.

Dem Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd droht im Iran die unmittelbare Hinrichtung durch das Regime. "Ich habe seit 1.000 Tagen davor gewarnt", sagt Gazelle Sharmahd zu t-online. Die Tochter von Jamshid Sharmahd ist in Deutschland geboren und lebt inzwischen in den USA. Mitten in der Nacht sei sie dort geweckt worden und habe von der drohenden Hinrichtung erfahren. "Dass mein Vater jetzt hingerichtet werden soll, ist das Resultat der Untätigkeit unserer Regierung", sagt sie.

Der Oberste Gerichtshof in Teheran hatte das umstrittene Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd am Mittwochmorgen bestätigt. Die entsprechenden Maßnahmen zur Vollstreckung sollen eingeleitet werden, sobald das zuständige Gericht informiert wurde. Ein genauer Zeitpunkt war nicht bekannt. Damit könnte der 68-Jährige jederzeit hingerichtet werden.

"Das Regime erpresst uns"

Seine Tochter Gazelle Sharmahd sieht darin eine Reaktion auf die Sanktionen, die Anfang der Woche durch die EU, Großbritannien und der USA gegen Einzelpersonen des Regimes sowie einen Mobilfunkanbieter erlassen wurden. Gazelle Sharmahd kritisiert diese als nicht ausreichend genug. "Das Regime erpresst uns und wir lassen es zu", sagt sie.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigte sich entsetzt über die Bestätigung des Todesurteils und äußerte sich bei Twitter zu dem Fall.

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Die Urteile werden offiziell von Richtern gesprochen und von einem vermeintlich Obersten Gericht überprüft. Inoffiziell werden diese jedoch vom Geheimdienst der Revolutionsgarde befehligt. Dieser untersteht dem geistlichen Oberhaupt der Islamischen Republik, Ali Khamenei, sagte Gilda Sahebi, Politikwissenschaftlerin und Iran-Expertin, im Gespräch mit t-online über die Scheinprozesse des islamischen Regimes.

Gazelle Sharmahd: "Ich habe Angst davor morgen aufzuwachen"

Das Auswärtige Amt hat am Mittwoch gegen die Entscheidung in Teheran protestiert. Die Bestätigung des Todesurteils sei "inakzeptabel", schrieb Außenministerin Annalena Baerbock auf Twitter. Jamshid Sharmahd habe "zu keinem Zeitpunkt den Ansatz eines fairen Prozesses" gehabt. Sie bezeichnete das Urteil als "willkürlich" und forderte das islamische Regime dazu auf, es rückgängig zu machen.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, der deutsche Geschäftsträger in Teheran bemühe sich um Informationen zu der Gerichtsentscheidung. "Wenn sich das tatsächlich bestätigt, wäre das ein sehr schwer wiegender Vorgang." Der Sprecher wies darauf hin, dass die iranischen Behörden bei Justizverfahren gegen Doppelstaatler den konsularischen Zugang verweigerten. Das Auswärtige Amt werde sich dennoch weiter "mit Nachdruck" für Sharmahd einsetzen.

Auch Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU, zeigte sich auf Twitter schockiert. "Ich fordere das Regime im Iran erneut auf, Jamshid Sharmahd sofort die Ausreise in sein Heimatland Deutschland zu ermöglichen!", schrieb Merz. Er hatte im Januar die politische Patenschaft für Jamshid Sharmahd übernommen.

Todesstrafen werden durch Erhängen vollstreckt

Gazelle Sharmahd hofft, dass auf die Worte vonseiten der Politik nun auch Taten folgen. "Ich habe Angst davor, morgen aufzuwachen und die Nachricht zu lesen, dass mein Vater ermordet wurde", sagt sie zu t-online.

Sharmahd wurde Berichten zufolge im Sommer 2020 vom iranischen Geheimdienst auf einer Reise nach Dubai entführt und in den Iran gebracht. Nach fast einem Jahr in Einzelhaft wurde er im Februar in einem Scheinprozess unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht und unter Folter zu einem Zwangsgeständnis gedrängt.

Außerdem legte das Gericht ihm die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten zur Last. Überprüfen lassen sich die Vorwürfe nicht. Seine Familie wies die Vorwürfe gegen ihn stets zurück. Mehr zu der Entführung Sharmads lesen Sie hier. Todesstrafen werden im Iran normalerweise durch Erhängen vollstreckt.

Jamshid Sharmahd ist kein Einzelfall

Dass Teheran mit seinen Drohungen gegen EU-Bürger mit iranischer Herkunft Ernst macht, bewies das Regime bereits in der Vergangenheit: Im Jahr 2011 vollstreckte es ein Todesurteil gegen die iranische und niederländische Staatsbürgerin Sahra Bahrami. Anfang dieses Jahres richtete es den britisch-iranischen Politiker Aliresa Akbari hin. Mehrere EU-Bürger sitzen derzeit noch in den Gefängnissen des Regimes, etwa die Kölnerin Nahid Taghavi. Das Regime wirft ihnen in der Regel Spionage, etwa für den politischen Feind Israel, vor.

Wie auch Jamshid Sharmahd sind die Inhaftierten offiziell Doppelstaatler. Juristisch behandelt der Iran Doppelstaatsbürger wie Iraner und verwehrt ihnen etwa den Zugang zu ausländischen Botschaftern. Gazelle Sharmahd sagt jedoch: "Mein Vater hat nur einen Pass, den deutschen." Er sei mit sieben Jahren nach Deutschland gekommen, erkenne die islamische Republik nicht an und habe keine Papiere mehr. Sie will sich dem Regime nicht beugen, das eine Ablegung der iranischen Staatsbürgerschaft verbietet und eine ausländische nicht anerkennt.

"Das Leben meines Vaters liegt in den Händen von Olaf Scholz"

"Wie viele unschuldige Menschen wie mein Vater müssen noch in westlichen Ländern terrorisiert, entführt und ermordet werden, bis wir verstehen, dass wir es mit einem Terror-Regime zu tun haben, das seine Gewalt in die Welt exportiert", sagt Gazelle Sharmahd. Sie warnt davor, dass sich im Iran geborene Menschen nirgends mehr vor dem islamischen Regime sicher fühlen könnten. Tatsächlich rief der Bundesverfassungsschutz Anfang des Jahres dazu auf, auch in Deutschland vorsichtig auf sozialen Medien und bei politischen Kundgebungen zu sein, wenn man Verbindungen in den Iran habe.

So seien Menschen beobachtet worden, die Teilnehmenden von Demonstrationen filmten oder fotografierten. Aber auch die Demonstrierenden selbst stellten Fotos ins Netz. "Das erleichtert es natürlich den iranischen Diensten, Identifizierungen vorzunehmen", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang damals.

Gazelle Sharmahd lässt sich nicht einschüchtern. Sie fordert die Bundesregierung zum Handeln auf – für das Leben ihres Vaters und die Sicherheit aller Iraner und Iranerinnen im Ausland. "Das Leben meines Vaters liegt jetzt in den Händen von Olaf Scholz und Annalena Baerbock", sagt sie. Sollte nichts geschehen, so Gazelle Sharmahd "wird niemand von uns jemals mehr sicher sein".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • twitter.com: Beitrag von @HawarHelp
  • twitter.com: Beitrag von @amnesty_de
  • t-online.de: "Das ist absolute Folter"
  • t-online.de: "Die Proteste werden teilweise geskriptet"
  • Anfrage an Gazelle Sharmahd am 26.04.2023
  • Eigene Recherche
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