Muslimische Wallfahrt "Wenn ich dort sterben sollte, wäre es ein Segen"

Millionen Menschen machen sich jedes Jahr auf den Weg nach Mekka und Medina. Doch für viele endet die Reise tödlich.
Als Tifa Asrianti vor 20 Jahren erstmals Saudi-Arabien besuchte, konnte sie die Hitze kaum fassen. "Als ich aus dem Hotel ging, war es wie ein Schlag ins Gesicht. Meine Nase blutete und meine Lippen waren vertrocknet." Hohe Temperaturen war die Muslimin aus Indonesien gewohnt, aber die trockene Luft am Golf war ein "Schock", sagt sie. Jetzt reist Asrianti zur Wallfahrt Hadsch nach Mekka, die am Mittwoch (4.6.) beginnt. Sie hofft, diesmal besser vorbereitet zu sein.
Im Juni zeigt das Thermometer in Mekka kaum unter 38 oder 40 Grad Celsius, auch 50 Grad sind nicht ungewöhnlich. Trotz extremer Hitze werden beim Hadsch wieder Hunderttausende zu den heiligen Stätten wandern. Vergangenes Jahr kamen über mehrere Tage 1,8 Millionen Menschen nach Mekka und Medina, die beiden heiligsten Stätten im Islam.
Tragische Erinnerung an Hitzetote vom vergangenen Jahr
Wie gefährlich die Wallfahrt werden kann, zeigte der vergangene Sommer: Mehr als 1.300 Pilger starben bei Hitze von zeitweise mehr als 50 Grad, 2.700 weitere erlitten einen Hitzekollaps. Die meisten der Todesopfer waren saudischen Behörden zufolge nicht offiziell zur Wallfahrt zugelassen, konnten also vielfach keine Busse, klimatisierte Zelte oder Sammelpunkte mit Trinkwasser nutzen. Schon ein Fußweg von 30 Minuten durch die Mittagshitze kann den Körper hier zur völligen Erschöpfung bringen.
Wer die offizielle Anmeldung umgeht, will damit oft hohe Kosten sparen. Denn während Saudi-Araber schon für umgerechnet einige Hundert Euro am Hadsch teilnehmen können, berechnen Reiseanbieter für Pilger aus anderen Ländern selten unter 5.000 Euro und teilweise mehr als doppelt so viel.
Selbst Gläubige, die offiziell zugelassen und damit besser vorbereitet sind, sorgen sich. Asrianti überlegte, ihre Wallfahrt auf 2026 zu verlegen, wenn der Hadsch voraussichtlich elf Tage früher beginnt, also im Mai und bei dann hoffentlich etwas niedrigeren Temperaturen. Aus Indonesien sowie Pakistan und Indien, wo sehr viele Muslime leben, kommen jedes Jahr die meisten ausländischen Pilger.
Hunderttausende kommen trotz der hohen Temperaturen
Aber auf die Erfüllung eines Lebenstraums und einer der fünf Grundpflichten im Islam, nämlich einmal im Leben nach Mekka zu pilgern, wollen viele Gläubige nicht warten. "Ich weiß, dass die Temperaturen hoch sind", sagt Mansur Schihata aus Dakahlia in Ägypten. "Wenn ich dort sterben sollte, wäre es ein Segen, ein gutes Ende zu haben am heiligsten Ort der Welt." Der 61-Jährige weiß, dass er viel Wasser trinken, die Sonne meiden und einen Sonnenschirm tragen soll – und will diese Ratschläge unbedingt befolgen.
Saudi-Arabien ist bemüht, das Problem der illegalen Pilger in den Griff zu bekommen. Eine Strafe von umgerechnet bis zu 23.000 Euro droht neuerdings denjenigen, die versuchen, Muslime ohne Hadsch-Zulassung zu den heiligen Stätten zu bringen. Vorgeschrieben sind erstmals auch Hadsch-Ausweise mit Angaben zur Person und dem Reiseanbieter. In den vergangenen Tagen wurde rund 270.000 Menschen der Zugang nach Mekka untersagt, weil diese nicht offiziell zugelassen waren, 5.000 Fahrzeuge wurden beschlagnahmt.
Saudi-Arabien benötigt die Milliarden-Einnahmen aus der Wallfahrt
Für die saudische Führung bleibt die Wallfahrt die wichtigste staatliche Einnahmequelle nach dem Geschäft mit Öl und Gas. Die niedrigen Ölpreise und ein laufender, teurer Wirtschaftsumbau setzen die Regierung unter Druck, einen reibungslosen Ablauf beim Hadsch zu sichern und damit hohe Teilnehmerzahlen und Einnahmen in Milliardenhöhe. Über die Jahrzehnte kam es in Mekka schon zu Katastrophen mit insgesamt Tausenden Toten, darunter eine Massenpanik, ein Brand in einer Zeltstadt und der Kollaps eines Fußgänger-Tunnels.
"Die Temperaturen hier sind wirklich eine Herausforderung", sagt die Ägypterin Iman Chater, die bereits in Mekka eingetroffen ist. "Wir hoffen, dass Gott es uns leicht machen wird, damit umzugehen." Bereiche mit Wassernebel, Trinkwasser und Klimaanlagen in Gebetshäusern und Unterkünften machten die Tage aber etwas erträglicher, sagt sie.
In Ägypten, von wo laut Berichten etwa die Hälfte der Todesopfer der vergangenen Wallfahrt stammte, gehen Behörden ebenfalls gegen illegal arbeitende Touranbieter vor. 16 Anbietern wurde nach der Tragödie vom vergangenen Sommer die Lizenz entzogen.
Trockene Haut und Nasenbluten
Dedeh Kurniasih ist schon seit einigen in Monaten in der saudischen Hauptstadt Riad und sagt, ihr Körper habe sich noch immer nicht angepasst. "Meine Haut ist sehr, sehr trocken", sagt sie. Die Hitze würde auf der Haut brennen. Auch sie klagt über Nasenbluten und vermisst die hohe Luftfeuchtigkeit aus ihrer Heimat Indonesien.
Einige Strecken zu Fuß gehen will sie während der Wallfahrt trotzdem. "Wenn ich gehe, bin ich glücklich", erzählt sie. Sie setzt bei der Hitze auf einen Sonnenschirm mit UV-Schutz, drei Liter Wasser am Tag und sehr viel Sonnencreme. Menschenmengen wird sie soweit möglich meiden. "Ich möchte mich nicht in Gefahr bringen. Wo großes Gedränge ist, werde ich zurückbleiben."
- Nachrichtenagentur dpa