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Ramadan: In höchster Alarmbereitschaft – neue Eskalationsstufe?


Tagesanbruch
Höchste Alarmbereitschaft

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 11.03.2024Lesedauer: 6 Min.
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Jerusalem: Die Lage ist zurzeit besonders angespannt. (Quelle: IMAGO/DEBBIE HILL/imago)

Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

der muslimische Fastenmonat Ramadan beginnt. In Deutschland ist das verbunden mit der immer gleichen Diskussion, die sich im Kern um die Frage dreht: Gehört der Islam zu Deutschland? Schon Festtagsgrüße von Politikern oder Lichterketten, die Städte wie Frankfurt und Köln in diesem Jahr aufhängen, erzürnen manchen hierzulande sehr.

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Andernorts sind die Risiken, die der Ramadan in diesem Jahr birgt, derweil ungleich größer. Denn seit dem Massaker der Hamas-Terroristen in Israel, bei dem am 7. Oktober rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 200 verschleppt wurden, herrscht Krieg. Und Experten fürchten: Der Ramadan könnte eine neue Eskalationsstufe einläuten.

Da sind auf der einen Seite Terrororganisationen, die den Fastenmonat gezielt für ihre Zwecke instrumentalisieren: Zu einem "Monat des Terrors" rief der Islamische Dschihad die Palästinenser in dieser Woche auf. Köpfe der Hamas forderten einen Marsch zur Al-Aksa-Moschee in Jerusalem und eine "maximale Flutwelle auf den Straßen und Fronten innerhalb und außerhalb Palästinas". Jetzt beginne der "Monat des Sieges, der Monat des Dschihad".

Das martialische Signal der Terroristen: Unser Ziel ist noch lange nicht erreicht. Und unsere Zeit ist jetzt.

Und auf der anderen Seite ist da die rechts-religiöse Regierung in Israel unter Benjamin Netanjahu, die seit dem Massaker mit voller Härte zurückschlägt. Ihr nachvollziehbares Ziel: die Terrororganisation endgültig auszuschalten und die israelischen Geiseln zu retten, die sich weiterhin in der Gewalt der Hamas befinden.

Opfer der israelischen Offensive allerdings sind oft auch palästinensische Zivilisten. Die Bilder von zerbombten Städten, blutenden Kindern, vertriebenen Familien gehen seit Wochen um die Welt. Mehr als eine Million Palästinenser sind auf der Flucht. Hilfsorganisationen warnen seit Monaten eindringlich vor ausbleibenden Hilfslieferungen nach Gaza und dem daraus resultierenden Mangel an so ziemlich allem – zuallererst: Wasser und Nahrung. "Menschenunwürdig" seien die Verhältnisse schon jetzt, nun drohe eine Hungersnot.

Dennoch bereitet Israels Regierung einen Schlag gegen die Stadt Rafah vor. Sie will dort israelische Geiseln befreien und Stützpunkte der Hamas-Terroristen zerschlagen, die palästinensische Zivilisten allzu oft als menschliche Schutzschilde nutzen. Hunderttausende haben in Rafah Zuflucht gesucht, viele leben in Zelten. Selbst treue internationale Partner Israels warnen Netanjahu vor einem Angriff auf die Stadt und den katastrophalen humanitären Folgen. Als "rote Linie" hat US-Präsident Joe Biden einen solchen Angriff gerade bezeichnet und Netanjahus bisheriges Vorgehen ungewöhnlich scharf kritisiert.

Bisher aber verhallen solche Worte ohne Wirkung. Die Vernichtung der Terrororganisation Hamas – für Netanjahu hat sie absolute Priorität. Er habe eine rote Linie, sagte Netanjahu in einem Interview am Sonntag: "Dass der 7. Oktober nicht wieder passiert. Nie wieder."

Bis zuletzt wurde am Verhandlungstisch um eine Feuerpause zum Ramadan gerungen. Die sollte zuerst sechs Wochen dauern, dann ging es nur noch um zwei Tage. Doch zu einer Einigung kam es nicht. Jerusalem sowie Israel, Gaza und der gesamten Region stehen damit nun unruhige, vermutlich blutige Tage und Wochen bevor. Sicherheitskräfte in der heiligen Stadt sind in höchster Alarmbereitschaft.

Und der Konflikt hat das Potenzial, einmal mehr auch Europa zu erschüttern. Denn pro-palästinensische Proteste könnten auch hierzulande mit neuer Intensität aufflammen. Zum muslimischen Monat des Verzichts und der Einkehr wird das Schicksal der Palästinenser in vielen muslimischen Familien noch stärker im Fokus stehen als ohnehin schon.

In Amsterdam protestierten am Sonntag bereits Hunderte mit palästinensischen Fahnen und Sprechchören bei der Eröffnung eines neuen Holocaust-Museums – für einen Waffenstillstand in Gaza und gegen die Anwesenheit des israelischen Präsidenten Izchak Herzog. Es dürfte nur der Auftakt sein.

Selbst Kanzler Olaf Scholz (SPD), der sonst nicht viel von Volksnähe und großer Öffentlichkeitsarbeit hält, warb am Sonntag in einer Videobotschaft zum Ramadan um einen Waffenstillstand in Gaza sowie um Fassung, Verständnis, Toleranz hierzulande: "Ich möchte, dass Sie wissen: Sie sind mit Ihrem Mitgefühl nicht allein", sagte er. Viele Menschen in Deutschland nähmen großen Anteil – "am Leid der ermordeten und verschleppten Israelis und am Schicksal der unschuldig Getöteten, der Verwundeten und der Leidenden in Gaza".

Scholz' Worte treffen den Kern des Problems: Zivilisten auf beiden Seiten leiden, sie bangen gleichermaßen um ihre Angehörigen. Doch seine Bemühungen müssen über eine Videobotschaft hinaus gehen.

Es ist richtig und wichtig, dass die deutsche Staatsräson gilt und die Bundesregierung im Kampf gegen die Hamas-Terroristen eng an der Seite Israels steht. Allerdings muss der Kanzler auch mehr Kritik an Netanjahus Regierung wagen, sollte die zu immer neuen Schlägen ausholen und sollten diese in der Mehrheit Zivilisten treffen.

Einen wichtigen Schritt ist die Bundesregierung gerade gegangen: Gemeinsam mit anderen Regierungen will sie Hilfslieferungen über einen Seekorridor nach Gaza unterstützen.


Und der Oscar geht an ...

Es war ein Abend der Superlative: In der Nacht von Sonntag auf Montag wurden die Oscars in Los Angeles verliehen. Stars wie Al Pacino, Michelle Pfeiffer und Jamie Lee Curtis überreichten den "Goldjungen", die höchste Auszeichnung der westlichen Filmwelt, in 23 Kategorien. Wer die Trophäe gewann, lesen Sie hier.

Und gleich drei Deutsche waren nominiert: Sandra Hüller in der wichtigen Kategorie "Beste Hauptdarstellerin" für ihre Rolle im Drama "Anatomie eines Falls", Regisseur İlker Çatak mit "Das Lehrerzimmer" für den "besten internationalen Film" und Wim Wenders in derselben Kategorie für "Perfect Days" – allerdings ging Wenders für Japan ins Rennen.

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Am Ende räumte zwar keiner der drei Deutschen ab. Doch vor allem Sandra Hüller bleibt auf Erfolgskurs: In Europa hat sie bereits die wichtigsten Filmpreise geholt, beim Filmfestival in Cannes sprach man vom "Hüller-Effekt". Und auch in den USA hat sie bleibenden Eindruck hinterlassen – das US-Branchenblatt "Hollywood Reporter" jedenfalls widmete ihr eine Titelgeschichte. Mehr über Hüller erfahren Sie hier.


Neuer Bahnstreik angekündigt

Und das Streiken nimmt kein Ende: Die Lokführergewerkschaft GDL hat im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn zu einem neuen Streik aufgerufen. Wie die Gewerkschaft am Sonntagabend mitteilte, soll der Streik im Personenverkehr am Dienstag um 2 Uhr beginnen und am Mittwoch um 2 Uhr enden. Im Güterverkehr sollen die Arbeitsniederlegungen bereits am Montagabend um 18 Uhr beginnen und ebenfalls 24 Stunden dauern.


Was steht noch an?

Sondersitzung des Verteidigungsausschusses nach Abhöraffäre: Russland hatte eine Schaltkonferenz von vier hohen Bundeswehr-Offizieren zum Marschflugkörper Taurus abgehört, mitgeschnitten und veröffentlicht. Wie konnte das geschehen? Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) soll dem Ausschuss ab 17 Uhr Rede und Antwort stehen.


Jahrestagung des chinesischen Volkskongresses endet: Das chinesische Parlament wird die Ziele der Regierung für die Wirtschaft und den Haushalt verabschieden – mit einer starken Steigerung des Militäretats. Ministerpräsident Li Qiang hat rund fünf Prozent Wachstum für dieses Jahr vorgegeben, was angesichts der Probleme der zweitgrößten Volkswirtschaft als ehrgeizig gilt.


Regierungsbildung in Portugal: Nach der Neuwahl des Parlaments in Portugal am Sonntag stellt sich die Frage, ob die Sozialisten weiter regieren können oder ob es zu einem Regierungswechsel kommt.


Ärzte-Streik an Unikliniken: Der Marburger Bund ruft Ärzte an 23 Unikliniken – unter anderem in München, Stuttgart, Düsseldorf, Göttingen, Magdeburg, Jena, Kiel – zum Warnstreik auf. Gefordert werden unter anderem 12,5 Prozent mehr Gehalt.


Lesetipps

Vier Tage lang ist Robert Habeck durch die USA gereist. Der Elefant im Raum war immer mit dabei: Donald Trump. Mein Kollege Johannes Bebermeier berichtet über eine subtile Vorbereitung auf den Fall der Fälle.


Hendrik Wüst gilt in der CDU schon länger als Kanzlerkandidatenreserve. Sieht man sich seine Zustimmungswerte an, stünden die Chancen nicht schlecht. Aber: Friedrich Merz ist so gefestigt wie nie. Hat Wüst überhaupt noch eine Chance? Der Frage ist meine Kollegin Sara Sievert nachgegangen.


Bald schon sollen Hilfsgüter übers Meer nach Gaza gelangen und das Leid der Zivilbevölkerung lindern. Doch US-Präsident Joe Biden geht mit dem humanitären Engagement ein politisches Risiko ein, analysiert unser Kolumnist Gerhard Spörl.


Zum Schluss

Weselsky bringt Familien näher zusammen:

Ich wünsche Ihnen einen störungsfreien Start in die Woche. Morgen schreibt Florian Harms wieder für Sie.

Herzlichst

Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @AnnLei1

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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