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Ukraine-Krieg: Was die westlichen Waffen Kiew bringen – und was nicht


Himars und Co.
Was die westlichen Waffen Kiew bringen – und was nicht

dpa, Von Andreas Stein, Benedikt von Imhoff und Hannah Wagner

07.08.2022Lesedauer: 3 Min.
Himars im einsatz (Archivbild): Die USA unterstützen die Ukraine mit Waffen.Vergrößern des BildesHimars im Einsatz (Archivbild): Die USA unterstützen die Ukraine mit Waffen. (Quelle: Tony Overman/dpa)
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Der Westen unterstützt die Ukraine im Krieg mit Waffen. Aber wie viel nützen sie dem angegriffenen Land? Experten sehen Einschränkungen.

Kiew ist voll des Lobes für die neuen Waffen aus dem Westen. "Das Wort 'Himars' ist für unser Land fast schon zum Synonym für das Wort 'Gerechtigkeit' geworden", sagt Präsident Wolodymyr Selenskyj über die aus den USA gelieferten Mehrfachraketenwerfer.

Die ersten Himars-Systeme kamen Ende Juni in der Ukraine an – fast genau vier Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges. Aus den USA gab es bislang außerdem Harpoon-Raketen, M777-Haubitzen, aus Deutschland etwa Gepard-Flugabwehrpanzer. Doch Kiew macht Druck, dass das noch lange nicht reiche, wenn es Europas Freiheit und Sicherheit weiter gegen die russische Invasion verteidigen solle.

Russland hat Artillerieüberlegenheit

Fast ein halbes Jahr schon dauert der von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Angriffskrieg an. Im Osten mussten sich die ukrainischen Streitkräfte Anfang Juli im Gebiet Luhansk vorerst geschlagen geben. Im benachbarten Donezk hingegen hält sie weite Teile – noch. Ihre Hauptverteidigungslinie verläuft dort vom Fluss Siwerskyj Donez über die Städte Siwersk, Soledar und Bachmut.

Doch auch hier rücken die Russen aufgrund ihrer Artillerieüberlegenheit langsam vor. Sollten die drei Kleinstädte fallen, wäre für Russlands Armee der Weg frei in Richtung der Städte Slowjansk und Kramatorsk. In diesem Ballungsraum lebten vor dem Krieg mehr als eine halbe Million Menschen.

Hauptproblem: Die zur Neige gehende Munition

Hauptproblem der ukrainischen Streitkräfte im Artilleriekrieg ist die zur Neige gehende Munition für ihre vorhandenen Waffen sowjetischer Bauart. "Es gibt sie einfach nicht mehr", sagt Brigadegeneral Dmytro Krassynlnykow dem Internetsender Hromadske.tv. In den vergangenen rund 30 Jahren seit der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung sei keine eigene Produktion aufgebaut worden. Auch deshalb sei die Lieferung westlicher Artilleriesysteme, die in Moskau regelmäßig für großen Unmut sorgen, jetzt so wichtig.

Immer wieder berichtet der Generalstab des angegriffenen Landes, insbesondere dank der US-Waffen Gegenoffensiven auf besetzte Gebiete gestartet zu haben. In Videos und offiziellen Mitteilungen zelebrieren Regierung und Armee die Störung russischer Logistik, etwa durch die Vernichtung von Munitionslagern.

Die ukrainischen Angriffe konzentrieren sich dabei vor allem auf das südliche Gebiet Cherson, wo bereits mehr als 50 Dörfer zurückerobert worden sein sollen. Doch wie viel können die Ukrainer mit den bislang gelieferten Waffen noch erreichen – und wie sieht es perspektivisch aus?

"Sie konzentrieren ihre Artillerie lokal auf relativ begrenzte Räume"

Es gebe zwar weiterhin taktische Vorstöße, doch insgesamt wirke das Kriegsgeschehen derzeit statisch, sagt Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. Gerade in der Ostukraine hätten die Russen aus ihren Fehlern zu Kriegsbeginn gelernt.

"Sie konzentrieren ihre Artillerie lokal auf relativ begrenzte Räume, aber schaffen dort eine hohe Feuerüberlegenheit und bohren sich langsam vorwärts." Zugleich erlitten sie durch die Verzögerungstaktik der Ukrainer erhebliche Verluste, meint der Ex-Militär.

Richter aber ist skeptisch, ob den ukrainischen Kräften eine größere Offensive gelingen wird. Möglicherweise werden sie noch die eine oder andere Ortschaft zurückerobern, sagt er. "Für eine Großoffensive glaube ich aber, dass sie noch nicht aufgestellt sind. Das ist eine völlig andere Operation mit vielen Kräften, die man aufeinander abstimmen muss; man muss regionale Überlegenheit herstellen an Kräften und Feuer, um größere Räume zu nehmen."

Wolfgang Richter ist Wissenschaftler für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit dem Verhältnis der Nato zu Russland sowie ungelösten Territorialkonflikten in Europa. Außerdem forscht er zu den Auswirkungen neuer Militärtechnologien auf Strategie, Kriegsvölkerrecht und humanitäre Rüstungskontrolle.

Experte: Ukraine ist stark abhängig von Waffenlieferungen

Zugleich habe Russland noch nicht voll mobilisiert und große Mengen an – wenn auch veralteter – Militärtechnik bereitstehen. Die Ukraine wiederum sei stark abhängig von westlichen Rüstungslieferungen. Deshalb sei die Frage, wie stark diese künftig ausfielen, meint Richter. Doch: "Der Westen hat nicht auf Kriegsproduktion umgeschaltet." Anders in Russland: Dort hat die Regierung mit einem neuen Gesetz das Recht eingeräumt bekommen, Unternehmen zur Produktion für den Armeebedarf zu verpflichten.

Speziell mit Blick auf die USA sagt Richter: "Die Produktion der Himars-Munition, die die Amerikaner an die Ukraine geliefert haben und noch liefern, kommt allmählich an die Grenzen der eigenen Kapazitäten." Fraglich sei auch, wie lange der politische Wille zur Unterstützung andauern werde.

"Das Ziel kann natürlich kein Kapitulationsfrieden sein"

Steven Horrell vom Center for European Policy Analysis in Washington hält es für entscheidend, ob der Westen bei seiner Unterstützung bleiben werde. Der Kampf der Ukraine gegen Russland sei "ein echter Kampf der Demokratie gegen den Autoritarismus", meint er. Auch deshalb sei es wichtig, dass der Westen die Ukraine dabei unterstütze, die Hoheit über international anerkannte Grenzen zurückzugewinnen. Territoriale Konzessionen dürften nicht als akzeptable Lösungen angesehen werden, so der frühere Marine-Offizier.

Auch der deutsche Experte Richter betont: "Das Ziel kann natürlich kein Kapitulationsfrieden sein, das wäre völlig inakzeptabel." Zugleich verweist er darauf, dass es wichtig sei, irgendwann miteinander zu reden, um den Krieg zu beenden. Viel Hoffnung mache ihm die Lage derzeit allerdings nicht: "Meine Befürchtung ist, dass zurzeit alle Seiten nur auf militärische Mittel setzen, weil sie hoffen, die eigene Verhandlungsposition durch die nächste Schlacht zu verbessern."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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