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Ukraine-Krieg jährt sich: Annalena Baerbock im Kampf um Unterstützung


Ukraine-Jahrestag
Die Kosten für Baerbock werden immer größer

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, New York

Aktualisiert am 23.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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So viele Stimmen wie möglich: Baerbock sucht Unterstützung für die UkraineVergrößern des Bildes
So viele Stimmen wie möglich: Baerbock sucht Unterstützung für die Ukraine. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine droht die Welt kriegsmüde zu werden. Annalena Baerbocks Job wird dadurch noch komplizierter.

Es dauerte einen Moment, bis Annalena Baerbock das Vibrieren ihres Telefons als echt eingeordnet hatte. So erzählt die deutsche Außenministerin in einer aktuellen Dokumentation des "Stern" von jenem Moment, als sie vom Einmarsch der Russen in die Ukraine erfahren hatte. "Um 4.51 Uhr wurden erste Explosionen in Kiew gemeldet. Um 4.59 Uhr war meine Büroleiterin am Telefon. Ich sagte: bitte nicht", so Baerbock.

Genau ein Jahr nach Kriegsbeginn wird die Außenministerin in New York versuchen, die anwesende Weltgemeinschaft von einem frommen Wunsch zu überzeugen: Putin soll sich komplett aus der Ukraine zurückziehen. So ist es in der Resolution zu lesen, die bei einer Notstandssondertagung der UN-Generalversammlung eine überwältigende Mehrheit finden soll.

Doch die Staaten der Welt werden zunehmend kriegsmüde und China sieht plötzlich seine Chance, sich als Friedensstifter zu präsentieren. Für Annalena Baerbock wird die Überzeugungsarbeit damit noch komplizierter als ohnehin schon. Auch, weil sie selbst Fehler gemacht hat.

Baerbocks verhängnisvoller Satz ging um die Welt

Wie immer werden auch bei dieser UN-Resolution einige notorische Verbündete Russlands wie etwa Belarus oder Nordkorea mit Nein stimmen. Die Anzahl der anderen Wackelkandidaten dabei möglichst kleinzuhalten, ist seit Wochen das große Ziel der westlichen Diplomaten.

Ausgerechnet am Jahrestag des russischen Völkerrechtsbruchs darf das Zeichen am Ufer des East River in New York nicht ernüchternd ausfallen. Wichtig ist in solchen Fragen die psychologische Wirkung, und nicht, ob Putins Russland sich an ein solches Votum überhaupt gebunden fühlen könnte.

Der Auftritt von Deutschlands Chefdiplomatin wird in Manhattan mit gewisser Spannung erwartet. Auch, weil ausgerechnet Baerbock mit diplomatischen Fehltritten den Argwohn einiger Wackelkandidaten geschürt haben könnte. "Ja, wir müssen mehr tun, denn wir kämpfen einen Krieg gegen Russland, nicht gegeneinander", hatte sie Ende Januar in Straßburg vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gesagt.

Dass sich unter anderem dieser unbedachte Satz der deutschen Ministerin am Ende in einem schlechteren Votum auswirken könnte, das befürchteten einige, heißt es aus deutschen Diplomatenkreisen. Offen ansprechen will das niemand, es würde den angerichteten Schaden noch größer machen. Passt er doch zu gut in die russische Erzählung von einer angeblichen Bedrohung durch die Nato.

Baerbocks Satz ging um die Welt, und die sehnt sich nach einem schnellen Ende des Krieges. Zur Not auf Kosten der Ukraine, so die Befürchtung ihrer Unterstützer.

Ein diplomatischer Missgriff wie in Straßburg wird Baerbock in ihrem Statement in New York, das sie noch vor dem chinesischen Vertreter halten soll, kaum passieren. Aber der Druck auf die weltweite Allianz gegen Putin wird auch so groß genug sein. Denn immer mehr Staaten spüren die Auswirkungen des Krieges, seien es die Flüchtlingssituation oder wirtschaftliche Probleme. Und seit Tagen mehren sich die Zeichen, dass China sich deutlicher an der Seite Russlands positionieren wird als bislang.

China, ein problematischer Friedensstifter

Mit einer Friedensinitiative wolle China demnächst einen eigenen Vorstoß wagen, verkündete Chinas oberster Diplomat für Außenpolitik, Wang Yi, bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Mit Annalena Baerbock führte Wang Yi am Rande der Konferenz ein ausführliches Gespräch.

China habe sich immer für die Förderung von Friedensgesprächen eingesetzt, egal wie kompliziert die Situation sei, ist zu dem Treffen der beiden auf der Webseite der chinesischen Botschaft in Berlin zu lesen. China sei bereit, "die Kommunikation mit Deutschland und anderen europäischen Ländern zu verstärken, um die Situation so schnell wie möglich zu entspannen".

Kurz nach dem Überraschungsbesuch von US-Präsident Joe Biden tauchte Wang Yi dann in Moskau auf und schüttelte Putin die Hand. Auch Chinas Präsident Xi Jingping will in den kommenden Monaten nach Moskau reisen.

Parallel dazu verbreitet das Pekinger Außenministerium eine Darstellung, die Putin gefallen dürfte. Unter dem Titel "Die US-Hegemonie und ihre Gefahren", veröffentlichte man in dieser Woche ein anti-amerikanisches Pamphlet, das auch an Journalisten verschickt wurde.

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Ein Satz, den Peking derzeit an Russland richten müsste, zielt darin auf die USA. "China wendet sich gegen jede Form von Hegemonismus und Machtpolitik und lehnt Einmischungen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ab." Die Vereinigten Staaten müssten sich kritisch prüfen, die eigene Arroganz ablegen und "hegemoniale, herrschsüchtige und schikanierenden Praktiken aufgeben".

Über die eigene Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine schweigt sich China aus und weist Anschuldigungen der Amerikaner zurück, es würde Waffenlieferungen an Moskau planen. Die Biden-Regierung soll darum jetzt bereit sein, Geheimdienstinformationen an die Öffentlichkeit zu geben, welche die chinesischen Pläne belegen sollen.

Eines scheint klar zu sein, China wird auf die territoriale Integrität der Ukraine bei seinen geplanten Friedensbemühungen nur dann eingehen, wenn die Nato-Staaten selbst keine Waffen mehr liefern. Ein Risiko, das aber weder die Ukraine, noch ihre Unterstützer eingehen dürften.

Die Kosten für Deutschland steigen

Annalena Baerbock ist Außenministerin in einer Zeit, in welcher der Ukraine-Krieg nur das grauenhafteste Zeugnis einer neuen Blockbildung in der Welt ist. Der Kampf von China, Russland und den demokratischen Bündnisstaaten um die Wackelkandidaten wird heftig geführt.

Anders als in früheren Zeiten lassen sich Länder wie Brasilien, Indien oder Südafrika aber nicht mehr einfach überzeugen oder zwingen. Das zeigte zuletzt auch die Reise des Bundeskanzlers zum frisch gewählten brasilianischen Präsidenten Luiz Lula da Silva, der ebenfalls eine ganz eigene Ansicht zum Ukraine-Krieg und zur US-Politik vertritt.

Am Jahrestag des Ukraine-Krieges wird Baerbock dann auch wie beim vergangenen Mal in New York vor dem UN-Sicherheitsrat sprechen dürfen. Russlands Außenminister Lawrow wird ihre Worte dieses Mal wieder nicht vernehmen. Vergangenes Jahr verließ er vorher den Raum. Zur Sitzung am 24. Februar will er gar nicht erst anreisen.

Egal, wie viel Gehör die Rede von Baerbock bei den Vereinten Nationen finden wird. Mit Lippenbekenntnissen lassen sich Verbündete heute nicht mehr gewinnen. Immerhin soll im Vorfeld verhindert worden sein, dass es zum Jahrestag des Überfalls eine Gegenresolution von China geben wird.

Dennoch: Die Kosten für Deutschland werden höher. Um diese zu definieren, auch dafür braucht es die schon lange angekündigte nationale Sicherheitsstrategie. Baerbocks Außenministerium und das Bundeskanzleramt streiten darüber nach wie vor.

Verwendete Quellen
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