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Wer ist Tschetschenen-Führer Kadyrow? Putins blutiger Schatten soll im Koma liegen


Tschetschenen-Despot im Koma?
Darum ist Kadyrow so wichtig für Putin

Von t-online, mam, pdi

15.09.2023Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin, Präsident von Russland (l.) und Ramsan Kadyrow, Oberhaupt Tschetscheniens: Er wird auch "Putins Bluthund" genannt.Vergrößern des BildesWladimir Putin, Präsident von Russland (l.) und Ramsan Kadyrow, Oberhaupt Tschetscheniens: Er wird auch "Putins Bluthund" genannt. (Quelle: Bilder: ITAR TASS/ Grafik: Heike Aßmann/imago-images-bilder)
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Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schaut alle Welt auf Wladimir Putin. Doch hinter dem Kremlchef steht ein prominenter Handlanger. Er soll laut ukrainischen Angaben nun im Koma liegen.

Ramsan Kadyrow hat sich schon vor Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine den Spitznamen "Putins Bluthund" erarbeitet. Der Tschetschenen-Führer gilt als äußerst brutal und gleichzeitig hat er als Präsident Tschetschenien für Wladimir Putin die russische Kaukasus-Republik befriedet – er steht treu an der Seite des Kreml-Chefs.

Doch nun melden ukrainische Geheimdienste, dass Kadyrow im Koma liegen soll, sein Gesundheitszustand sei kritisch. (Mehr dazu lesen Sie hier) Diese Berichte können nicht verifiziert werden. Es wäre aber ein schwerer Rückschlag für Putin, wenn er einen seiner treuesten Handlanger verlieren würde.

Wer ist der Mann, der Putin so die Treue hält?

Video | Ukraine: Aufruhr um Putins "Bluthund" – doch die Szene soll Toten zeigen
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Quelle: t-online

Oberhaupt durch Putins Gnaden

Ramsan Kadyrow ist der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Schon sein Vater Achmat wurde von Putin zum Oberhaupt Tschetscheniens ernannt – als Belohnung dafür, dass er seiner Armee im zweiten Tschetschenienkrieg 1999 den Rücken kehrte und stattdessen auf russischer Seite kämpfte. In dem zehnjährigen Krieg, der viele Opfer unter der Zivilbevölkerung forderte, eroberte er die bis dahin als unabhängig geltende Region.

Als Dank brachte Wladimir Putin Achmat Kadyrow an die Macht, bis er 2004 von islamistischen Rebellen ermordet wurde. Offiziell nahm Alu Alchanow dann das Amt des Präsidenten ein. Inoffiziell aber hielt längst Kadyrows Sohn Ramsan die Fäden in der Hand. 2007, im Alter von 30 Jahren, trat er auch offiziell in die Fußstapfen seines Vaters. 2021 fuhr er angeblich ein Wahlergebnis von 99,6 Prozent ein. Menschenrechtler kritisieren jedoch, dass es in Tschetschenien schon lange keine legitimen und freien Wahlen mehr gibt.

Prunk und Protz durch eigene Stiftung

Abseits der Wahlmanipulation schreckt Kadyrow offenbar auch vor weiteren Verbrechen nicht zurück: Der Verdacht lautet, Kadyrow finanziere seinen ausladenden Lebensstil durch Korruption. Der 45-Jährige ist Vater von insgesamt 12 Kindern und Mann von zwei Frauen. Jeder von ihnen soll er einen Palast in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny gebaut haben, ein dritter dient ihm laut Medienberichten als Regierungssitz.

Doch nicht nur in Grosny soll Kadyrow herrschaftlich leben. Mit seinem 80-Millionen-Dollar teurem Airbus soll er auch regelmäßig in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) fliegen, berichtet die "Ukrainska Pravda". Bilder in den sozialen Medien belegen das. Demnach besitze er eine Villa in Dubai – auf der berühmten Inselgruppen Palm Islands. Woher Kadyrow das Geld habe, fragte eine Journalistin 2011. "Allah gibt. Ich weiß es nicht", antwortete dieser.

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Die Wahrheit aber liegt wohl woanders: Wie das Investigativteam "Projek" sowie das MBCh-Media-Portal herausfanden, sind die Bürger Tschetscheniens zu Zwangsabgaben an die Achmat-Kadyrow-Stiftung verpflichtet. Mit umgerechnet 70 Millionen Euro war sie 2019 die wohlhabendste in Russland.

Kadyrows "verschwundene" Kritiker

Handfeste Beweise für die Korruption fehlen bislang. Denn Kritiker, Oppositionelle oder Journalisten, die Kadyrow in den Weg kommen, haben um ihr Leben zu fürchten. Drei Beispiele:

Januar 2022: Sarema Musajewa wird von Sicherheitskräften gewaltsam aus ihrer Wohnung in Nishni Nowgorod entführt und in die tschetschenische Hauptstadt Grosny gebracht, das berichtet die BBC. Dort wird sie wegen angeblichen Betruges inhaftiert. Auf dem regimekritischen Telegram-Kanal "1ADAT" heißt es am Mittwoch, Musajewa befinde sich derzeit im Krankenhaus, da sich ihre Gesundheit in Gefangenschaft massiv verschlechtert habe. Unabhängig prüfen lässt sich diese Angabe nicht.

Musajewa ist Mutter des tschetschenischen Regimekritikers Abubakar Yangulbaev. Dieser lebt mittlerweile im Ausland und hatte der BBC nur einen Monat zuvor davon berichtet, dass Dutzende seiner tschetschenischen Verwandten verschwunden seien. Er wird von Kadyrow zusammen mit seinem Bruder Ibrahim Yangulbaev für die Gründung von "1ADAT" verantwortlich gemacht. Auf Telegram erklärte das Staatsoberhaupt zu Beginn des Jahres, auf "die Sippe" warte "entweder Gefängnis oder ein Platz unter der Erde". Yangulbaev nimmt die Drohung ernst – und äußerte gegenüber der BBC die Vermutung, dass Kadyrow die Familie mit der Festnahme seiner Mutter wieder nach Tschetschenien locken wolle.

September 2020: Der "1ADAT"-Moderator Salman Tepsurkaev "verschwindet". Einen Tag später taucht ein Video in den sozialen Medien auf, das zeigt, wie der 19-Jährige dazu gezwungen wird, sich selbst sexualisierte Gewalt zuzufügen. In einem zweiten Video erklärt er, seine regimekritischen Aussagen zu bereuen. Wie die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" in ihrem Russlandbericht 2021 mitteilt, fehlt von Tepsurkaev seitdem jede Spur.

Oktober 2006: Anna Politkowskaja wird vor ihrem Haus in Moskau erschossen. Die kremlkritische Journalistin der russischen Zeitung "Nowaja Gaseta" hatte sich mit Berichten über schwerste Menschenrechtsverbrechen in Tschetschenien Feinde gemacht. Erst Jahre später wurden fünf Tschetschenen verurteilt. Wer den Auftrag gab, ist unbekannt.

Morde und "Ehrenmorde" an LGBTQ+

Nicht nur gegen Kritiker geht Kadyrow vor: Auch Teile der Zivilbevölkerung Tschetscheniens müssen ihren Machthaber fürchten – etwa Mitglieder der LGBTQ+-Community oder Menschen, die von der Polizei für solche gehalten werden, und ihre Familien. Immer wieder lässt Kadyrow zum Beispiel homosexuelle Menschen verfolgen, festnehmen oder sogar töten.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) gab 2018 bekannt, dass es dafür "überwältigende Beweise" gebe. Teilweise soll Kadyrow die Betroffenen sogar persönlich gefoltert haben, berichtet das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International dokumentierte 2019 eine Verfolgungswelle von LGBTQ+, infolge derer mindestens zwei Menschen in einem Geheimgefängnis in Argun zu Tode gefoltert worden sein sollen. Dutzende weitere wurden demnach misshandelt.

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Veronika Lapina, Leiterin der Nordkaukasus-Abteilung der NGO "Russian LGBT Network", berichtete der "Tagesschau" von Fällen, in denen die tschetschenische Polizei die Familie der Betreffenden so lange bedroht habe, dass diese "Ehrenmorde" an ihren homosexuellen Angehörigen begingen.

Der Kreml, der die LGBTQ+-Community ebenfalls diskriminiert, verfolgte die Berichte trotz internationalen Drucks nicht.

Der "Bluthund" und sein "Herrchen"

Warum setzt Kadyrow so viel Gewalt ein? Die Politikwissenschaftlerin Miriam Katharina Heß von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sah darin den einzigen Weg für "Putins Bluthund", sich an der Spitze Tschetscheniens zu halten. "Seine einzige 'Machtlegitimation' ist die Unterstützung aus Moskau. Das erklärt auch seine Loyalität Putin persönlich gegenüber, denn letztendlich verdankt er seine politische Position nur ihm", sagte Heß im April 2022 zu t-online.

Loyal ist umgekehrt aber auch der Kremlchef: Er schweigt, wenn die internationale Gemeinschaft von ihm verlangt, Rechenschaft für Kadyrows Bluttaten abzulegen.

Auf seinem Telegram-Kanal sicherte Kadyrow seinem "Oberbefehlshaber" Wladimir Putin im Ukraine-Krieg stets uneingeschränkte Unterstützung zu. Im vergangenen Jahr wollte er sogar Kiew einnehmen. "Damit inszeniert er sich erfolgreich als 'Bluthund' Putins, der, sobald sein 'Herrchen' den Befehl gibt, zum Angriff bereit ist", sagte Politikwissenschaftlerin Heß.

Gleichzeitig bediene Kadyrow auf seinem Kanal das Narrativ des "unerschrockenen, religiösen und warmherzigen Kriegshelden": Mit Propagandavideos, die Aufmärsche seiner Armee in Tschetschenien und angebliche Kriegshandlungen in der Ukraine zeigen, unterhält er seine Follower. Meist sind die Inhalte unterlegt mit traditionellem islamischem Gesang. Darunter mischen sich Aufnahmen, die Kadyrow beim Beten in einer Moschee zeigen oder bei einem Besuch in einem Krankenhaus.

Kadyrow, der sich selbst als Muslim und Anhänger des sunnitischen Sufismus bezeichnet, inszeniert so seinen Glauben und versucht die überwiegend muslimisch geprägte tschetschenische Bevölkerung damit zu erreichen. Doch auch Putin nützt diese Inszenierung: Er schützt sich so vor der Gefahr, dass sich die arabische Welt gegen ihn wendet, erklärte Heß. Durch den Islam, den Kadyrow in seiner Propaganda inszeniert, könne an dieser Stelle eine Art Verbindung geschaffen werden, die Putin nicht leisten könne.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Anfrage an Politikwissenschaftlerin Miriam Katharina Heß von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik
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