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Ukraine-Krieg: Russland rückt vor – der Kampf um Pokrowsk


Krieg in der Ukraine
Putin zieht die Schlinge zu


16.07.2025 - 18:24 UhrLesedauer: 5 Min.
Russische Soldaten kämpfen im Raum Pokrowsk: Sollte Moskau die Stadt einnehmen wollen, steht Putins Armee vor einer großen Herausforderung.Vergrößern des Bildes
Russische Soldaten kämpfen im Raum Pokrowsk: Sollte Moskau die Stadt einnehmen wollen, steht Putins Armee vor einer großen Herausforderung. (Quelle: Anatolii Stepanov/reuters)
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Russland zeigt sich von Donald Trumps Drohungen unbeeindruckt und intensiviert seine Sommeroffensive im Ukraine-Krieg. Dabei könnte die russische Armee nun eine strategisch wichtige Stadt einkesseln.

In dieser Woche herrscht im Ukraine-Krieg plötzlich auf allen Seiten Erleichterung. Die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten sehen es als positives Signal, dass US-Präsident Donald Trump das von Russland angegriffene Land nun doch wieder mit mehr Waffen versorgen möchte. Der Kreml dagegen ist erleichtert, dass Trump noch keine härteren Maßnahmen ergreift. Selbst die russischen Finanzmärkte werteten Trumps Ankündigung als positives Signal und der russische Leitindex RTS konnte seit der Ankündigung aus Washington zulegen.

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Russland hat offenbar zumindest mit neuen US-Sanktionen gerechnet, doch Trump setzte Putin am Montag eine Frist von 50 Tagen, einem Deal zuzustimmen. Wenn er sich weigert, würden die USA laut dem Mann im Weißen Haus auch Länder ins Visier nehmen, die weiterhin Handel mit Russland betreiben.

Was aus westlicher Perspektive wie eine harte Drohung klingt, wird in Russland als Zeichen der Schwäche gesehen. Wolle Trump die russische Führung wirklich bestrafen, hätte er es gleich tun sollen, so die Haltung der meisten Russland-Experten. Nun kann Putin aufatmen. Denn er bekommt mindestens 50 weitere Tage geschenkt, in denen er die US-Sanktionen verhindern und seine Sommeroffensive weiterführen kann.

Und genau das tut die russische Armee aktuell in der Ukraine. Unter hohen Verlusten rückt sie vor, langsam, aber stetig. Nach vielen Monaten erbitterter Kämpfe schaffen es Putins Truppen langsam, die Schlinge um die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk zuzuziehen. Die ukrainischen Verteidiger könnten bald vor einer schwierigen Wahl stehen.

Angst vor dem Kessel in Pokrowsk

Die russische Armee scheint aktuell vor allem die von Putin völkerrechtswidrig annektierten Oblaste Donezk, Luhansk und Saporischschja einnehmen zu wollen. Die Stadt Pokrowsk ist dabei in der Region Donezk eine der letzten großen Herausforderungen für Putin.

Denn auch die russische Armee kämpft mit Nachschubproblemen. Moskau greift derweil immer mehr auf sehr schlecht ausgebildete Soldaten zurück und hat dabei immer weniger Panzer und gepanzertes Gerät zur Verfügung.

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Dementsprechend zielt der Kreml darauf ab, Pokrowsk möglichst ohne lange Häuserkämpfe einzunehmen, denn hier sind die Ukrainer im Vorteil, weil sie das Gelände besser kennen als die Angreifer. Die Stadt ist für die Ukraine ein wichtiger Logistikknotenpunkt und hat darüber hinaus auch eine wichtige symbolische Bedeutung als letzte große Widerstandsbastion im Donbass.

Seit Monaten beißen sich die Kremltruppen hier die Zähne aus, aber sie kommen langsam vorwärts. Dabei ist der Plan der russischen Militärführung auf aktuellen Frontkarten deutlich erkennbar. Sie wollen die Stadt einkesseln. Mittlerweile sind die russischen Truppen schon nah an die Autobahn E50 vorgerückt, über die unter anderem Pokrowsk versorgt wird.

Sollte Russland diese Verbindungen kappen und die Stadt einkesseln können, bleibt den ukrainischen Verteidigern nur eine Wahl: Kampf oder Rückzug. Kämpft die Ukraine um die Stadt, könnte Putin sie aushungern und es droht eine Tragödie, da sich aktuell noch Tausende Soldaten in der Stadt aufhalten sollen.

Russland überzieht Ukraine mit Luftangriffen

Eine weitere Herausforderung für die ukrainische Militärführung sind die massiven russischen Luft- und Drohnenangriffe. Russland hat in der Nacht zum Mittwoch das Land erneut mit Angriffen aus der Luft überzogen. Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde vor allem die Energieinfrastruktur angegriffen, er sprach außerdem von 15 Verletzten.

"Russland ändert seine Strategie nicht", schrieb Selenskyj auf der Plattform X. "Und um diesem Terror wirksam zu begegnen, müssen wir unsere Verteidigung stärken: Mehr Flugabwehrsysteme, mehr Abfangjäger und mehr Entschlossenheit – damit Russland unsere Antwort spürt."

Diese Angriffe zeigen, dass die Ukraine noch immer über zu wenige Flugabwehrsysteme und über zu wenig Munition für ihre Patriot-Systeme verfügt. Trump hatte zwar angekündigt, dass die USA angesichts der russischen Raketenangriffe weitere Patriot-Systeme zur Verfügung stellen würden. Aber wann diese ankommen, ist offen.

Der US-Präsident erklärte zwar, die ersten Systeme aus Deutschland seien schon unterwegs. Das Problem: Die Bundesregierung weiß davon nichts. "Da kann ich nicht bestätigen, dass aktuell schon etwas auf dem Weg ist. Das ist mir nicht bekannt", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch.

Dabei drängt die Zeit. Die ukrainische Luftwaffe teilte am Mittwochmorgen mit, dass Moskau in der Nacht mit einer Rakete des Typs Iskander-M und 400 Drohnen und Drohnenattrappen angegriffen habe. Davon seien 198 Drohnen abgeschossen und 145 Drohnenattrappen mit elektronischen Mitteln zu Boden gebracht worden. Die Hauptziele der Angriffe waren demnach Krywyj Rih, Charkiw und Winnyzja.

Bei russischen Drohnenangriffen auf die westukrainische Stadt Winnyzja sind nach Behördenangaben acht Menschen verletzt worden. Fünf Angestellte von Unternehmen hätten Verbrennungen erlitten, schrieb die stellvertretende Militärgouverneurin Natalja Sabolotna bei Facebook. Drei Passanten seien leicht verletzt worden.

In Krywyj Rih, Selenskyjs Geburtsstadt, kam es in der Folge der Attacken zu Stromausfällen, die Wasserversorgung musste nach Behördenangaben auf Generatoren umgestellt werden.

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Putin weiß immer, was der Westen plant

Russland verfolgt aktuell die Strategie, Schwachstellen der ukrainischen Verteidiger auszutesten, um diese dann für sich zu nutzen. Ein Beispiel dafür ist die Flugabwehr. Doch auch am Boden berichten ukrainische Offiziere, dass eine erste russische Angriffswelle oft aus schlecht ausgebildeten Rekruten bestehe, die Schwächen in der ukrainischen Verteidigung finden sollen. Zu diesen Stellen schickt die russische Armee dann erfahrene Kräfte, um Geländegewinne zu erzielen.

Putins Soldaten zahlen also weiterhin einen hohen Blutzoll. Aber sie kommen voran. Zuletzt ist es ihnen im Oblast Saporischschja an der südlichen Frontlinie sogar gelungen, ukrainische Verteidigungslinien einzunehmen, die für die Ukraine durch ihre Lage eigentlich gut zu verteidigen waren.

Die ukrainische Armee hat diesen Krieg noch lange nicht verloren. Wenn Russland in diesem Tempo weiter verrückt, rechnen Experten damit, dass der Konflikt noch viele Jahre gehen könnte. Aber die ukrainische Armee befindet sich aktuell in einer Lage, in der sie viel stärker auf ihre Soldaten, Waffen und Munition achtgeben muss, weil ihr Gegner quantitativ überlegen ist. Auch diese Tatsache schildern ukrainische Offiziere an der Front immer wieder.

Das stellt die Verteidiger in Pokrowsk vor große Herausforderungen, auch wenn die Ukraine die Stadt in den vergangenen Monaten zu einer Festung ausgebaut hat. Ob die ukrainische Armee sie wird halten könnten, wird am Ende auch davon abhängen, welche moderneren Waffensysteme der Westen liefern wird.

In diesem Zusammenhang bleibt das Problem, dass Trump in seiner Ukraine-Unterstützung keinen klaren Kurs hat. Während am Montag in Washington noch über eine US-Lieferung von Langstreckenraketen spekuliert wurde, dementierte der US-Präsident dies am Dienstag wieder. "Nein, das ist nicht unsere Absicht", erklärte er. Laut Sicherheitsexperten profitiert davon wiederum Putin. Denn die westlichen Unterstützer der Ukraine stehen nicht nur weiterhin auf der Bremse, sondern Trump erklärt auch transparent, was er gegenwärtig vorhat. Damit kann nun auch der Kreml planen und dementsprechend seine Angriffe in der Ukraine forcieren.

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