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Nahverkehr liegt lahm: Dieser Streik ist das Letzte, was Deutschland braucht


Nahverkehr liegt lahm
Dieser Streik ist das Letzte, was Deutschland jetzt braucht

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 29.09.2020Lesedauer: 3 Min.
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Beschäftigte des öffentlichen Dienstes streiken (Symbolbild): Die Warnstreiks kommen zur falschen Zeit.Vergrößern des Bildes
Beschäftigte des öffentlichen Dienstes streiken (Symbolbild): Die Warnstreiks kommen zur falschen Zeit. (Quelle: Philipp Schulze/dpa)

In vielen Städten ruht seit heute Morgen der öffentliche Nahverkehr. Tausende Beschäftigte machen in den Tarifverhandlungen Druck. Doch in diesen Zeiten ist das unpassend.

Als wäre die Corona-Zeit nicht hart genug. Für alle, die zur Arbeit, in die Schule oder auch nur zum Einkaufen müssen, kommt heute neues Ungemach dazu.

Für diesen Dienstag hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zu Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr aufgerufen. Es droht ein harter Tarifkampf, der sich noch über Wochen hinziehen kann. Bei der Müllabfuhr, in Kindertagesstätten, in Krankenhäusern. Nichts könnte das Land in seiner derzeitigen wirtschaftlichen Situation weniger gebrauchen.

Auch ohne Streiks wird die jährliche Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 um rund sechs Prozent schrumpfen. Der wochenlange Stillstand im Frühjahr, die desolate Lage vieler Restaurants, Hotels, Kulturstätten und Unterhaltungsangebote, dazu die wirtschaftlichen Gefahren, die sich durch die zweite Welle der Infektion ergeben – sie haben das Land ökonomisch auf eine Talfahrt ohne Beispiel geschickt.

Im öffentlichen Dienst spürt man die Krise offenbar nicht

Andere Branchen haben das längst in einen angemessenen Tarifvertrag gegossen. So verzichtet die Metallindustrie in diesem Jahr komplett auf eine Lohnanpassung. Im öffentlichen Dienst dagegen spürt man die Krise nicht: Verdi will 4,8 Prozent mehr. Das ist ein Fehler.

Die Gewerkschaft sagt, sie habe den Arbeitgebern auch angeboten, später zu verhandeln. Doch für den Aufschub bis zum Jahresende verlangte sie eine Einmalzahlung von 1.500 Euro pro Beschäftigten. Zu viel für die Arbeitgeber, die prompt vorrechneten, das käme einem Gehaltssprung von sieben Prozent gleich, den man niemals wieder zurückholen könne.

Niemand missgönnt den öffentlich Bediensteten einen ordentlichen Lohnzuwachs. Doch sollten sich die Beschäftigten des Staates nicht gerade an die Spitze der Lohnbewegung setzen.

Städte und Gemeinden, die größten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, leiden schwer unter dem Rückgang der Gewerbesteuer. Müssen sie künftig viel mehr Geld für Löhne und Gehälter ausgeben, wird woanders gespart. Bei den Schwimmbädern, der Schulsanierung oder der Straßenbeleuchtung zum Beispiel.

Staat darf freier Wirtschaft keine Konkurrenz machen

Dazu kommt: Die Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sind viel sicherer als die in der Wirtschaft. Das wiegt in Krisenzeiten schwerer als sonst. Natürlich müssen die Staatsbediensteten so bezahlt werden, dass sie mit vergleichbaren Qualifikationen in privaten Unternehmen mithalten können. Aber mehr darf es eigentlich nicht sein – sonst würde der Staat den Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt noch mehr Konkurrenz machen.

Gerne wird die Lohnforderung des öffentlichen Dienstes in diesen Tagen auch mit den besonderen Härten begründet, die viele Angestellte in den vergangenen Monaten zu bewältigen hatten: Während Bürokräfte friedlich im Homeoffice arbeiten konnten, mussten Pfleger, Busfahrerinnen und Müllkutscher raus zur Arbeit.

Dafür hätten sie Lob und Anerkennung verdient, argumentiert die Gewerkschaft. Klatschen reiche nicht, jetzt müsse die Anerkennung materiell ausgedrückt werden.

Warnstreiks kommen aus einer anderen Zeit

Gute Idee. Nur: Sollen auch die Behördenmitarbeiter von der besonderen Anerkennung profitieren, die in den letzten Monaten zu Hause gearbeitet haben? Haben die Angestellten in Museen, Hallenbädern und in der Fahrbereitschaft eine besondere Belohnung verdient, weil sie in die vergleichsweise komfortable Staats-Kurzarbeit mit 90 bis 95 Prozent der letzten Nettobezüge geschickt wurden?

Für die besonders belasteten Berufsgruppen ist eine großzügige Einmalzahlung richtig und notwendig. Ein Argument für einen dauerhaften Lohnaufschlag im gesamten öffentlichen Dienst entsteht daraus jedoch nicht.

Die Warnstreiks im öffentlichen Dienst scheinen wie aus einer anderen, einer viel besseren Zeit zu kommen. In die heutige passen sie nicht.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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