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Flughafen Frankfurt-Hahn: So reagiert die Region auf die Insolvenz


Airport Frankfurt-Hahn
"Die Insolvenz kam wie ein Donnerschlag"

Von Mauritius Kloft, Lautzenhausen

Aktualisiert am 04.11.2021Lesedauer: 5 Min.
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Frankfurt-Hahn: Der Airport ist seit Mitte Oktober 2021 insolvent.Vergrößern des Bildes
Frankfurt-Hahn: Der Airport ist seit Mitte Oktober 2021 insolvent. (Quelle: Kloft/T-Online-bilder)

Der Flughafen Frankfurt-Hahn ist insolvent. Doch vor Ort in Lautenhausen fürchten die Menschen keine Schließung. Im Gegenteil: Sie wollen die Pleite als Chance nutzen.

Walter Hitthaler kann man gut und gerne als regionales Urgestein bezeichnen. Der 84-Jährige, graue Haare, blauer Arbeitsmantel, betreibt seit 48 Jahren einen Gastronomiebetrieb am Flughafen Frankfurt-Hahn, im 400-Seelen-Ort Lautzenhausen im Hunsrück.

Ursprünglich war sein Geschäft ein Imbiss für die Amerikaner am einstigen US-Militär-Airport, Name: "Walters Futterkrippe". 2004 hat er ein Hotel aufgebaut, das "Airport-Hotel Fortuna", drei Sterne, 18 Mitarbeiter. Auch einen Shuttle zum wenige Hundert Meter entfernten Flughafen bietet Hitthaler an.

Trotz der räumlichen Nähe und dem "Flughafen" im Namen des Hotels war der Hitthaler nicht schockiert, als die Meldung kam, der Airport Hahn sei insolvent. "Der Flughafen Hahn hat schon immer Höhen und Tiefen durchlebt", sagt er im Gespräch mit t-online. "Wegen der Insolvenz mache ich mir keine Sorgen."

Suche nach Investoren beginnt

Der Flughafen Frankfurt-Hahn ist – je nach Zählung – einer von rund 20 kleineren Regionalflughäfen in Deutschland, die meistens von Kommunen oder Bundesländern betrieben werden. Nicht erst seitdem der Luftverkehr in der Corona-Krise eingebrochen ist, kämpfen viele von ihnen mit finanziellen Schwierigkeiten. Der Airport Hahn im Hunsrück bildet da keine Ausnahme.

Steht der Flughafen deshalb vor dem Aus? Walter Hitthaler glaubt nicht daran. "Ich bin mir sicher, dass sich ein Investor finden wird", sagt er. Denn der Airport habe einiges zu bieten, meint er.

Das sieht der vorläufige Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner ähnlich. So darf der Airport 24 Stunden lang betrieben werden, ein richtiges Nachtflugverbot gibt es nicht. Auch die Lage Hahns sei sehr günstig, die Anbindung gut.

"Das sind Punkte, mit denen wir Investoren ermutigen können", sagte Plathner am Mittwoch vor Journalisten. Kommende Woche solle der Investorenprozess gestartet werden, einige potenzielle Geldgeber hätten sich bereits kurz nach dem Insolvenzantrag gemeldet, so Plathner.

"Das kam wie ein Donnerschlag"

Der Airport Frankfurt-Hahn gehört zu 82,5 Prozent dem chinesischen Großkonzern HNA. Dieser hatte die Unternehmensanteile 2017 für rund 15 Millionen Euro vom Land Rheinland-Pfalz erworben. Die restlichen 17,5 Prozent hält das Land Hessen.

Die Bezeichnung des Airports mit dem Namen der Mainmetropole ist dabei kaum mehr als ein Marketing-Trick: Der Flughafen ist rund anderthalb Autostunden von Frankfurt entfernt. Nicht selten kommt es vor, dass Menschen, die eigentlich zum Luftdrehkreuz Frankfurt am Main wollten, in Lautzenhausen landen.

Zuletzt hatte die Festnahme der Führungsspitze der finanziell angeschlagenen HNA Group für Aufsehen gesorgt, der chinesische Konzern rutschte bereits Anfang des Jahres in die Insolvenz. Der Hunsrück-Flughafen betonte damals noch, dies habe keine Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Der Airport sei auf gutem Kurs, hieß es auch Anfang Oktober.

Doch dem war offenbar nicht so: Rund zwei Wochen später meldete der Flughafen Insolvenz an. "Das kam wie ein Donnerschlag", sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Karl-Heinz Heinrich. Umso größer ist jetzt die Hoffnung, dass es anders wird.

Kritik am chinesischen Eigner ist groß

Denn die Kritik am HNA-Konzern ist von allen Seiten groß. Heinrich versucht sich diplomatisch auszudrücken, sagt, es sei viel geplant worden, "doch zu einer Umsetzung kam es nie". Mit einem neuen, finanzkräftigen Investor solle sich das ändern.

Das hofft auch Kerstin Rudat. Die CDU-Kommunalpolitikerin und Vorständin der Mittelstandsunion in Rheinland-Pfalz setzt sich seit Jahren für einen zukunftsfähigen Flughafen am Platz ein. Ihre Kritik am chinesischen Mutterkonzern fällt deutlich aus.

"Die Übernahme durch HNA war eine schlechte Wundertüte", sagt sie. "Niemand fühlt sich zuständig, die Eigner sind nicht erreichbar, Investitionen werden blockiert. Doch hier kann man viel mehr draus machen." Ein Investor müsse Geld in die Hand nehmen, fordert sie. Der Flughafen dürfe nicht zum "Träumefriedhof" werden, so Rudat.

Image des Billigflieger-Airports

Bislang, auch unter chinesischer Führung, galt der Airport Hahn als Drehkreuz für Billigflieger, der Platzhirsch im Passagiergeschäft hieß Ryanair. Einst zählte der Regionalflughafen jährlich bis zu vier Millionen Passagiere. Mittlerweile ist er davon meilenweit entfernt.

Denn die irische Discounter-Airline verringerte ihr Angebot im Hunsrück und verlagerte Flüge an größere benachbarte Flughäfen wie Frankfurt am Main und Köln/Bonn. Vom Image des Billigairports müsse der Hunsrück-Flughafen dauerhaft weg, sagt Rudat. Dagegen könne er sich stärker aufs Frachtgeschäft konzentrieren, meint sie.

In diesem Segment ging es zuletzt aufwärts, der Airport verbuchte beim Frachtverkehr starke Zuwächse. Dabei profitierte er unter anderem vom Boom des Onlinehandels und von Container-Engpässen im Seegeschäft wegen der Corona-Krise.

Umweltschützer kritisieren Regio-Airports

Umweltschützern sind die vielen regionalen Flughäfen trotzdem ein Graus. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) sprach sich in einer groß angelegten Studie für eine sofortige Schließung von sieben deutschen Airports aus. Auch der Flughafen Hahn stand auf der Liste.

Sie leisteten nur geringe Beiträge zur Konnektivität, seien dauerhaft von Beihilfen abhängig und hätten sinkende Passagierzahlen verzeichnet, lautete die Kritik in dem Report, der im August 2020 veröffentlicht wurde.

Der Hahn-Airport hat in der Vergangenheit ebenfalls Beihilfen in Millionenhöhe erhalten, finanziert vom Steuerzahler. Derweil läuft noch ein Rechtsstreit, ob Unterstützungen vom Land Rheinland-Pfalz in den Jahren 2017 und 2018 rechtmäßig waren.

"Wir brauchen unseren Flughafen"

Anders sieht das – erwartungsgemäß – Ralph Beisel. Er ist Geschäftsführer des Flughafenverbands ADV, in dem die deutschen zivil genutzten Flughäfen zusammengeschlossen sind.

"Regionalairports sollten nicht allein nach betriebswirtschaftlichen Kennziffern bewertet werden", sagt er t-online. "Vielmehr ist der Gesamtnutzen für die Region ausschlaggebend."

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Auch bei Hahn sei das der Fall, die Region brauche den Flughafen. Zwar arbeiten nur rund 430 Menschen direkt am Flughafen, insgesamt hängen aber rund 2.000 Jobs vom Airport ab – in Hotels, Parkplätzen oder eben im Shuttleservice, entweder vom Parkplatz zum Terminal oder von dort nach Frankfurt am Main.

"Wir sind eben keine Großstadt", so Arbeitnehmervertreter Heinrich. "Wir brauchen unseren Flughafen."

"Der größte Konkurrent von Hahn ist der Flughafen Luxemburg"

Wie Beisel betont, habe der Flughafen Hahn aufgrund seiner Lage aber noch ein gesondertes Problem. Denn: "Der größte Konkurrent von Hahn ist der Flughafen Luxemburg."

Anders als hierzulande müsse der Airport dort keine Luftsicherheitsgebühr für die Passagier- und Handgepäckabfertigung an den Staat zahlen, auch eine Luftverkehrssteuer wie in Deutschland falle nicht an. "Das ist eine nicht hinnehmbare Wettbewerbsverzerrung", sagt er.

Ein Ticket koste so rund 20 Euro mehr, wenn der Airport die Gebühren auf die Kunden abwälze. "Wären diese nationalen Sonderbelastungen nicht, könnte der Flughafen Hahn viele neue Strecken gewinnen und damit Einnahmen erzielen."

Beihilfen-Regelung läuft aus

Dass der Flughafen in Zukunft schwarze Zahlen schreibt, erwartete die Airport-Geschäftsführung noch vor der Pleite. Anfang Oktober hieß es vom Flughafen, "dass bis zum Jahr 2024 ein positives Konzernjahresergebnis erreicht werden kann". Das Datum ist nicht ohne Grund gewählt. Denn danach dürfen Flughäfen gemäß EU-Recht generell keine staatlichen Subventionen mehr bekommen.

Fraglich ist aber, ob die EU das tatsächlich durchsetzt. Überlegungen, die Frist um einige Jahre nach hinten zu verschieben, gibt es derweil schon.

Der Grund: Sämtlichen Flughäfen in der EU, die in weniger als drei Jahren nicht auf eigenen Beinen stehen, sondern auf staatliche Beihilfen angewiesen sind, droht dann die Schließung. Hahn soll nicht dabei sein, so die Hoffnung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Gespräche vor Ort
  • Telefongespräch mit Ralph Beisel
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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