Ist das der Durchbruch im Kampf gegen Krebs?
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Seit Jahrzehnten forschen Mediziner an der Behandlung von Krebs. Jetzt soll ein neuer Therapieansatz kommen. Und der hat ausgerechnet mit Corona zu tun.
Das Wichtigste im Γberblick
Die in der Corona-Pandemie mit ihren Impfungen so erfolgreichen Unternehmen Moderna und Biontech wurden eigentlich grΓΌndet, um eine besondere GeiΓel der Menschheit zu besiegen: den Krebs. Die Forschungen daran nehmen nun Fahrt auf und die Zwischenergebnisse sind vielversprechend. Mehr dazu lesen Sie hier.
Doch wie funktioniert die Methode? t-online erklΓ€rt den Ansatz.
Was ist Krebs?
Obwohl jeder sicher jemanden kennt, der Krebs hat oder hatte, ist noch immer fΓΌr viele nicht ganz klar, was die Krankheit verursacht: Krebs entsteht durch vielfΓ€ltige EinflΓΌsse β etwa durch Zellgifte wie Alkohol und Nikotin, UV-Strahlung oder Kontakt zu chemischen Substanzen.
Im Kern handelt es um eine SchΓ€digung des Erbgutes in unseren Zellen. Dies kann durch zufΓ€llige oder zumindest nicht stringent auf einen bestimmten Faktor zurΓΌckfΓΌhrbare Mutationen entstehen. Jeden Tag kommt es zu Milliarden Zellteilungen in unserem KΓΆrper und dabei kΓΆnnen, wenn auch selten, Fehler beim Kopieren der Erbinformation auftreten. Die Folge: Die Zellen mutieren, Krebszellen kΓΆnnen sich entwickeln.
Normalerweise erkennt das Immunsystem Zellen, deren Erbinformation nicht mehr korrekt ist, und eliminiert sie. Doch manchmal wird eine solche Zelle vom Immunsystem ΓΌbersehen. Warum das passiert, ist bis heute noch nicht restlos geklΓ€rt.
Aus dieser Zelle kann sich ein Tumor entwickeln, eine Geschwulst, die gesunde Zellen verdrΓ€ngt und am Ende Organe zerstΓΆrt, die lebenswichtig sind. Erfolgreiche Krebszellen sind gut darin, sich zu tarnen, sie unterdrΓΌcken das Immunsystem, um sich ungehindert ausbreiten zu kΓΆnnen. Γbersetzt gesagt: Der Feind befindet sich im eigenen KΓΆrper, wird aber vom Immunsystem nicht als solcher wahrgenommen.
Wie wird Krebs bislang behandelt?
Im ersten Schritt wird die Geschwulst normalerweise chirurgisch entfernt. Danach wird versucht, vereinzelte verbliebene Krebszellen im KΓΆrper zu beseitigen, durch Chemotherapie oder Bestrahlung. Diese Methoden treffen jedoch nicht nur Krebs-, sondern auch gesunde Zellen und vor allem auch Immunzellen, die gegen den Tumor aktiv sind. Die Nachteile der Therapien sind offensichtlich.
In den vergangenen Jahren sind deshalb neue AnsΓ€tze entwickelt worden, die stattdessen auf eine Aktivierung des kΓΆrpereigenen Immunsystems setzen. Der Immunologe Andreas Radbruch erklΓ€rt im GesprΓ€ch mit t-online: "Im Kern ist Krebs ja kein Feind von auΓen, sondern es handelt sich eigentlich um auΓergewΓΆhnliche kΓΆrpereigene Zellen, die sich der Γberwachung durch das Immunsystem entziehen. Das Ziel der immunologischen KrebsbekΓ€mpfung ist daher, eine Autoimmunreaktion zu erzeugen, also eine Reaktion des Immunsystems gegen kΓΆrpereigene Zellen."
Dr. Andreas Radbruch ist Immunologe und Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin. Er berΓ€t unter anderem den Gesundheitsausschuss des Bundestages
Und das ist der Knackpunkt. Wie macht man dem Immunsystem klar, dass es die Krebszellen nicht tolerieren soll, obwohl es eigentlich kΓΆrpereigene Zellen sind? In den zurΓΌckliegenden Jahren hat sich hier viel getan.
Immunologische Krebstherapien haben sich als sehr wirkungsvoll erwiesen. Methoden wie der Einsatz von "CAR-T-Immunzellen", die Tumorzellen gezielt angreifen, und die "Checkpoint-Inhibitoren", die die "Bremsen" des Immunsystems lΓΆsen und es heftig gegen die Tumorzellen reagieren lassen, zeigten groΓe Erfolge.
Die mRNA-Impfung gegen den Krebs kΓΆnnte sich zu einer wirkungsvollen dritten Immuntherapie entwickeln. Sie bietet entscheidende Vorteile.
Wie funktioniert die mRNA-Technologie?
"Der Ansatz ist sehr gut fΓΌr die KrebsbekΓ€mpfung geeignet", erklΓ€rt Radbruch. "Diese Technologie erlaubt es, sehr schnell einen fΓΌr jeden Patienten individuell angepassten Impfstoff zu produzieren, der prΓ€zise die geringen Unterschiede zwischen Krebszellen und gesunden KΓΆrperzellen ausnutzt, das Immunsystem alarmiert und es gezielt die Tumorzellen angreifen lΓ€sst."
Um die individuelle Impfung entwickeln zu kΓΆnnen, werden den an Krebs erkrankten und operierten Menschen Gewebeproben von den Tumor- und den gesunden Zellen abgenommen. In Laboruntersuchungen wird ermittelt, welche Proteine die beiden Zellarten voneinander unterscheiden. Radbruch: "Es zeigen sich hier wirklich bei den verschiedenen Krebsarten und den einzelnen Betroffenen ganz unterschiedliche Muster. Krebs ist so individuell wie ein Fingerabdruck."
Ein Protein, das typisch fΓΌr die Krebszellen ist, wird dann mittels der mRNA-Technologie verimpft. Damit wird das Immunsystem alarmiert und eine Immunreaktion stimuliert. Die Folge: Der KΓΆrper attackiert die Krebszellen.
So das Konzept, das sich jetzt in klinischen Versuchen bewΓ€hren muss. Einen Nachteil hat die Technologie aber, die ja noch in der Entwicklung ist: Sie kann bislang nur bei Menschen angewandt werden, die bereits an Krebs erkrankt sind. Die individuellen Profile der Krebszellen mΓΌssen erst mal erkennbar werden. Radbruch: "Die Vision ist, dass man irgendwann auch seltene KrebsvorlΓ€uferzellen erfassen und vorsorglich eliminieren kann. Man muss abwarten, ob das gelingt. Wenn es so wΓ€re, wΓ€re es dann auch eine echte 'Impfung'."
- Interview mit Andreas Radbruch
- spiegel.de: "Kommt bald die Impfung gegen Krebs?" (19.02.2023, kostenpflichtig)