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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue EU-Richtlinie Das Aus für bestimmte Medikamente?

Die EU will die Klärung des Abwassers verbessern. Zentraler Punkt in der neuen Richtlinie: Medikamentenrückstände. Nun schlagen Hersteller und Ärzte Alarm.
Im November 2024 beschloss die EU eine neue Kommunalabwasserrichtlinie, die bereits am 1. Januar 2025 in Kraft trat. Ein zentraler Punkt in der vierten Stufe: Der Hersteller der Medikamente, die im Abwasser gefunden werden, sollen an den Kosten für die Klärung beteiligt werden. Etwa an den Aufwendungen für den Bau neuer oder die Umrüstung alter Kläranlagen. Mehr noch: Sie sollen 80 Prozent der Kosten übernehmen. Nun schlagen einige Medikamentenhersteller Alarm und drohen, ihre Produkte vom Markt zu nehmen.
Das besagt die neue EU-Richtlinie
Die sogenannte Herstellerverantwortung sieht vor, dass der Hersteller der Produkte, die als Schadstoffe im Abwasser entstehen, für die Beseitigung aufkommen soll. Verpflichtend ist die Richtlinie ab 2029. Anfang 2027 sollen die Produkte benannt werden, um die es geht.
Neben den Herstellern äußern nun auch Ärzte schwere Bedenken. Denn es würde vor allem Generika-Medikamente betreffen. Dabei handelt es sich um Medikamente, deren Patentschutz abgelaufen ist. Und die in der Folge von anderen Firmen produziert werden dürfen. Ein Beispiel: Metformin – ein Diabetes-Medikament. Bis zum Jahr 2000 wurde es von Merck hergestellt, seitdem wird es als Generikum in Indien hergestellt.
Zu billig produziert?
Wie der Verband Pro Generika berichtet, würden mit der neuen Richtlinie die Produktionskosten für das Medikament um 445 Prozent steigen. Es heißt dort: "Fast drei Millionen Patienten müssten auf deutlich teurere Alternativen umsteigen, mit gravierenden Folgen. Die gesetzliche Krankenversicherung wäre mit bis zu 1,5 Milliarden Euro Mehrkosten jährlich konfrontiert – Kosten, die derzeit noch nicht kalkuliert sind. "
Allerdings ergab eine Studie im März, dass Generika aus Asien, speziell aus Indien, auch schwere Risiken bergen können. Mehr dazu lesen Sie hier.
Auch andere Medikamente betroffen
Die Ärzte äußern sich über das "Ärzteblatt" so: "Eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Metformin hätte weitreichende Folgen. Neben höheren Tagestherapiekosten für alternative Präparate wären zusätzliche Belastungen für das Gesundheitssystem zu erwarten – etwa durch notwendige Behandlungsumstellungen, häufigere Arztbesuche, zusätzliche Untersuchungen, Laborkontrollen und Patientenschulungen", so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), Martin Scherer.
Aber auch andere Medikamente seien betroffen. Arzneimittelhersteller hätten bekannt gegeben, dass verschiedene Medikamente bei einer Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie nicht mehr wirtschaftlich rentabel hergestellt werden könnten. Diese Medikamente würden vom Markt genommen werden, wenn es bei der Richtlinie bleibe. Betroffen wären neben Metformin auch das Antibiotikum Amoxicillin und das Brustkrebsmedikament Tamoxifen, so die DEGAM.
Das sagt der Sprecher der Allgemeinmediziner
"Wenn die Pharmahersteller ihre Drohung wahr machen, wird es zu einer echten Versorgungskrise kommen. Die betreffenden Arzneimittel gehören zu den von der WHO definierten essenziellen Arzneimittel, ohne die eine leitliniengerechte Therapie in Zukunft nicht mehr möglich wäre", so Martin Scherer.
Weiter heißt es: "Als wissenschaftliche Fachgesellschaft ist es unsere Aufgabe, auf die absehbare Verschlechterung in der medizinischen Versorgung hinzuweisen und alle Beteiligten aufzufordern, hier sinnvolle Lösungen zu entwickeln. Die beiden Rechtsgüter ‚Gewässerschutz‘ und ‚Verfügbarkeit von Arzneimitteln‘ dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden."
- Deutsches Ärzteblatt: "Sorge um eingeschränkte Verfügbarkeit von Metformin" (4.06.2025)
- pro-generika: "Metformin-Produktion bedroht" (abgerufen am 5.06.2025)
- Scitechdaily: "Not All Generics Are Created Equal: Study Exposes a 54% Higher Risk in Indian-Made Drugs" (5.03.2025)
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.