Schizophrener darf nicht zu Elektrotherapie gezwungen werden
Karlsruhe (dpa) - Einem Patienten darf gegen seinen Willen nur eine
Ă€rztliche Behandlung aufgezwungen werden, die einem breiten
medizinisch-wissenschaftlichen Konsens entspricht. Das stellt der
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe klar.
In dem konkretenFallsollte ein junger Mann mit Schizophrenie
zwangsweise einer Elektrokrampftherapie unterzogen werden. Das ist
laut BGH nicht zulÀssig (Az. XII ZB 381/19).
Bei dieser Therapie lösen die Ărzte unter Narkose durch kurze
elektrische Reizung des Gehirns einen Krampfanfall aus, der zu
neurochemischen VerĂ€nderungen fĂŒhrt. Bei bestimmten schweren
Depressionen gilt das als bestmögliche Behandlung. FĂŒr Patienten mit
Schizophrenie gibt es keine solche eindeutige Empfehlung.
Der 26-JÀhrige war schon hÀufiger in der Psychiatrie gegen seinen
Willen mit verschiedenen Medikamenten behandelt worden - ohne
gröĂeren Erfolg. Auf Grundlage eines neuen SachverstĂ€ndigengutachtens
gestatteten Heidelberger Gerichte dem Betreuer des Mannes, in die -
notfalls auch zwangsweise - Elektrokrampftherapie einzuwilligen.
Dagegen legten der Patient und seine Mutter in Karlsruhe erfolgreich
Beschwerde ein. Laut Gesetz darf der Betreuer einer Zwangsbehandlung
nur zustimmen, wenn diese "zum Wohl des Betreuten notwendig ist, um
einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden".
NachAuffassungder BGH-Richter kann eine Behandlung nur dann
notwendig sein, wenn Experten sie einhellig zur Therapie empfehlen.
Ein solcher breiter Konsens könne sich zum Beispiel in
wissenschaftlichen Stellungnahmen des Beirats der BundesÀrztekammer
oder in medizinischen Leitlinien ausdrĂŒcken, hieĂ es. FĂŒr die
Elektrokrampftherapie bei Schizophrenie-Patienten vermittelten die
Stellungnahmen und Leitlinien aber keinen solchen Konsens.