Illner diskutiert G20/Flüchtlinge Linken-Chefin entschuldigt sich für Polizisten-Beleidigung
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ein prominentes Thema stand bei G20 nicht auf der Tagesordnung: Die Migrationskrise. Maybrit Illner hob sie deshalb auf die Agenda - und Katja Kipping entschuldigte sich für eine Äußerung von Freitag.
Die Gäste:
- Hubertus Heil, SPD-Generalsekretär
- Katja Kipping, Parteivorsitzende DIE LINKE
- Stephan Mayer (CSU), Sprecher der Arbeitsgruppe Inneres der Unions-Bundestagsfraktion
- Thomas Kleine-Brockhoff, German Marshall Fund
- Albrecht von Lucke, Publizist und Politologe
Das Thema:
Der G20-Gipfel in Hamburg sei ein "totaler Fehlschlag" gewesen, entfuhr in es jüngst Außenminister Sigmar Gabriel. Tatsächlich zeigen die Großmächte wenig Interesse an multilateraler Zusammenarbeit. Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz ist nicht gerettet, nach den USA schert womöglich auch noch die Türkei aus. Und in der Flüchtlingsfrage sind sich die Europäer uneins wie eh und je. 90.000 Flüchtlinge sind in diesem Jahr schon in Italien angekommen, das wieder einmal nach Hilfe ruft und sich von seinen europäischen Partnerländern allein gelassen fühlt. Bis zu 200.000 Menschen könnten bis Ende des Jahres nach Deutschland geflohen sein. Scheitert Europa an der Flüchtlingsfrage?
Der Frontverlauf:
Zunächst einmal stand die politische Nachlese des Gipfels an. Da machte Kipping einen Rückzieher: Von "marodierenden Polizisten" zu sprechen - das war am Freitag, also am Gipfel-Auftakt - sei falsch gewesen. "Dafür entschuldige ich mich." Bei aller Gewalt der Autonomen, die sie verurteile, müsse man aber dennoch ohne Scheuklappen über die Gewaltanwendung aller Seiten reden können.
Mayer sprach hingegen von Erfolgen: "Beim Klimaschutz waren es 19 Länder gegen die USA." Das habe Wirkung gezeigt. Mayer lobte ebenfalls die beschlossene Afrika-Partnerschaft. Die kritisierte wiederum Kipping als viel zu stark darauf ausgerichtet, private Investoren in die Länder zu holen. Wer Afrika wirklich helfen wolle, müsse einfach die unfairen Freihandelsabkommen aufkündigen beziehungsweise erst gar nicht auf den Weg bringen.
War der Gipfel so kurz vor der Wahl ein Stück Selbstinszenierung der Kanzlerin? Von Lucke sah es so und wertete auch die Ausschreitungen als politischen Gewinn für die CDU: "Das spielt den Konservativen in die Hände."
Der Aufreger des Abends:
Die Flüchtlings-Debatte. Kleine-Brockhoff zeigte sich skeptisch: Länder wie Polen oder Ungarn werde die EU nicht dazu bringen, ihre Kontingente zu erhöhen. Heil widersprach: "Solidarität ist keine Einbahnstraße." Wenn Länder keine oder zu wenige Flüchtlinge aufnähmen, könne man darüber nachdenken, etwa Agrarförderung zu kürzen. Der Westen brauche eine "verdammt große Antwort" auf die humanitäre Katastrophe in Afrika, um die Ursachen für die Fluchtbewegungen zu verringern.
Von Lucke fand eine europäische Solidarität als "nicht existent". Was es bräuchte, wäre eine Unterstützung im Rahmen der Vereinten Nationen, um in einigen Regionen Afrikas überhaupt so etwas wie Staaten wieder aufzubauen.
Mayer sagte, es sei schon viel getan worden, um die Flüchtlingslager zu klären: "Asylverfahren dauern jetzt im Schnitt nur noch drei Monate." Außerdem seien einige sichere Herkunftsstaaten definiert worden. Kipping sah die Lösung der Migrationskrise in einem Sozialprogramm, von dem alle profitieren: "Mehr öffentliche Beschäftigung, mehr Lehrkräfte, mehr bezahlbaren Wohnraum" brauche man. Dafür erntete Kipping Applaus im Publikum.
Mayer zufolge "sieht es so aus, als würden wir bis Ende des Jahres 200.000 Flüchtlinge aufnehmen." Das habe auch Signalwirkung auf andere EU-Länder, die sähen, dass mehr ginge, als man vielleicht denke. Das sah Kleine-Brockhoff anders: Es gebe "Aufnahmegrenzen", und wenn man die überschreite, führe das bei der Bevölkerung zu einem Gefühl von Kontrollverlust.
Was nach der Sendung übrig bleibt:
Eine spannende Frage stellte Illner erst ganz zum Schluss: Stimmt es, dass 300.000 Familienangehörige von Flüchtlingen in Deutschland nachziehen werden? Diese Zahl entnahm die Redaktion einer Statistik des Auswärtigen Amts. Heil wand sich um eine Antwort, und dann war auch schon die Zeit um. Auch wenn diese Zahl nicht stimmt: Klar ist, dass das Thema Migration und Integration uns in den kommenden Jahren weiter begleiten wird.