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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Russische Flotte Putins schmutziges Geschäft mit dem Öl

Die EU setzt auf Sanktionen gegen Putins Schattenflotte. Eine Ölkatastrophe im Schwarzen Meer zeigt die Umweltgefahren durch die maroden Tanker.
Ein Teil der Strände rund um den Badeort Anapa an Russlands Schwarzmeerküste ist seit Kurzem gesperrt. Von Problemen mit "sanitären und hygienischen Standards" sprechen die russischen Behörden nebulös.
Die wahren Gründe der Maßnahme: Die Folgen einer Ölkatastrophe im Schwarzen Meer, deren Auswirkungen auf Menschen und Umwelt die russische Regierung weitgehend verschleiert.
Ende vergangenen Jahres waren in der Straße von Kertsch zwischen dem russischen Festland und der von Wladimir Putin annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zwei marode russische Öltanker in schwerer See gekentert: die "Wolgoneft 212" sank, ihr Partnerschiff "Wolgoneft 239" lief auf Grund und brach auseinander. An Bord der beiden Tanker: rund 9.200 Tonnen Schweröl.
EU bereitet weitere Sanktionen vor
Es sind auch Ölkatastrophen wie diese, die die EU mit ihren neuen Sanktionen gegen Putins Schattenflotte verhindern will. Dabei handelt es sich um alte Tanker aus EU-Staaten, die verkauft und unter fremder Flagge gelistet werden, um das Ölembargo zu umgehen, das die EU-Staaten nach Putins Angriff auf die Ukraine 2022 verhängten.
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Die Maßnahmen greifen ab Dienstag. Doch noch vor einem Telefonat zwischen Putin und dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump am Montag brachte die EU weitere Restriktionen ins Gespräch. Es gehe darum, bestehende Regelungen strikter umzusetzen, "falls Russland sich nicht ernsthaft auf eine Waffenruhe und Friedensgespräche einlässt", erklärte Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni nach einer Telefonrunde mit den Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Italiens, Frankreichs, Großbritanniens und der USA.
Bei den Maßnahmen gegen die Schattenflotte geht es nicht allein darum, Putin von Deviseneinnahmen abzuschneiden. Nach Ansicht von Experten stellt die russische Schattenflotte große Risiken für die Schifffahrt und die Umwelt dar. Sie verweisen darauf, dass viele Tanker überaltert seien, technische Mängel hätten und zeitweise ohne automatisches Identifizierungssystem unterwegs seien.
Helfer berichten von Ölklümpchen in der Lunge
Die "Wolgoneft 212" und "Wolgoneft 239" fuhren unter russischer Flagge. Sie hatten im Auftrag des russischen Konzerns Rosneft an der Wolga Schweröl aus Raffinerierückständen geladen, das in Russland auch als Heizöl genutzt wird.
Recherchen der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) belegen die Dimension der Umweltkatastrophe. Demnach waren freiwillige Helfer bei den ersten Aufräumarbeiten am Strand zu Jahresbeginn nur unzureichend geschützt.
Die "FAZ" sprach mit dem russischen Umweltschützer Igor Schkradjuk vom Moskauer "Zentrum zur Bewahrung der Biodiversität". Er sagte der Zeitung über die Arbeiten an ölverschmierten Stränden: "Der Wind nahm winzige Brocken davon auf, und sie gerieten in die Lungen."
Umweltschützer Schkradjuk weiter: "Viele Freiwillige leiden unter Schmerzen des Verdauungssystems, Problemen mit der Bauchspeicheldrüse und der Leber." Schkradjuk selbst sagte der Zeitung: "Mir tun regelmäßig die Nieren weh."
Mysteriöse Erkrankungen und ein ungeklärter Todesfall
Die offiziellen russischen Fotos zeigen nur leicht verschmutzte Strände. Noch immer ist unklar, welche giftigen Rückstände sich in dem Schweröl befanden. Von krebserregenden Substanzen ist die Rede.
Schkradjuk berichtete der "FAZ" von einer Abnahme roter Blutkörperchen bei verseuchten Seevögeln. Auch bei einem Menschen, der längere Zeit bei den Reinigungsarbeiten am Strand half, sei die Zahl der roten Blutkörperchen gesunken. Sie übernehmen im Blut den Sauerstofftransport.
Ein 17-jähriger Student, der von seiner Universität zu Reinigungsarbeiten in Anapa herangezogen worden war, sei überraschend verstorben. Offizielle Begründung: Herzversagen. Auch sei der Student an Asthma erkrankt gewesen. Seine Mutter bestreitet das jedoch.
Putin-Freund soll in Affäre verwickelt sein
Die verschwiegene Umweltkatastrophe hat noch eine weitere politische Komponente. Einer der verunglückten Frachter soll in Rostow am Don zusätzliche Ladung der Raffinerie von Nowoschachtinsk aufgenommen haben. Das Schweröl soll besonders stark mit giftigen Reststoffen belastet sein. Die betreffende Raffinerie soll der Frau des Putin-Vertrauten Wiktor Medwedtschuk gehören.
Der ukrainische Geschäftsmann hatte in der Ukraine pro-russische Propaganda betrieben. Dem früheren pro-russischen Präsidenten der Ukraine, Leonid Kutschma, diente er als Chef der Präsidialverwaltung.
Medwedtschuk wurde nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 festgenommen und später vom Kreml gegen ukrainische Kriegsgefangene ausgetauscht. Nun soll er für Putin ein russlandfreundliches Regime auf der Krim aufbauen. Eine Umweltkatastrophe unter staatlicher russischer Aufsicht käme da ungelegen.
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- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa