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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Telefonat mit Donald Trump Für Putin könnte es nicht besser laufen

Trump feiert sein Telefonat mit Putin als Durchbruch. Dabei macht der Kremlchef nur vage Versprechen. In der Ukraine fallen weiter Bomben und Europa sieht machtlos zu.
Gleich nachdem er mehr als zwei Stunden mit Donald Trump telefoniert hatte, stellte sich Wladimir Putin vor die Moskauer Presse. Den langen Anruf zur Ukraine mit seinem amerikanischen Amtskollegen lobte der russische Machthaber als "nützlich". Wenig später folgte Trump mit einem Beitrag auf seinem sozialen Netzwerk "Truth Social". Der US-Präsident schrieb darin: "Der Ton und der Geist des Gesprächs waren ausgezeichnet." Er glaubt, das sei "ziemlich gut gelaufen".
Und ja – so ist es tatsächlich. "Nützlich" allerdings war die Unterhaltung der beiden Staatschefs hauptsächlich für Wladimir Putin selbst. Und "ausgezeichnet" lief es auch für Trump. Beide Männer konnten mit ihrem Telefonat vorerst erreichen, was sie wollten. Nur für die Ukraine und Europas Sicherheitsarchitektur war es ein bitterer Tag. Denn keines der europäischen Ziele wurde erreicht. Von einem bedingungslosen, sofortigen Waffenstillstand ist plötzlich keine Rede mehr.
Trump kann sich nach dem Gespräch als diplomatischer Friedensstifter inszenieren. Seine Botschaft: Die Waffen könnten bald schweigen, Russland und die Ukraine sollen nun "unverzüglich" mit Verhandlungen über eine Waffenruhe und einen Friedensvertrag beginnen. Als Krönung schlägt der US-Präsident den Vatikan unter dem neuen amerikanischen Papst Leo XIV. als Schauplatz für eine "große Friedenskonferenz" vor. Eine Bühne, wie gemacht für einen Mann, der Frieden wohl vor allem als eigene Performance betrachtet.
- Nach Telefonat mit Putin: Trump stellt Friedensgipfel im Vatikan in Aussicht
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Und wirklich, man könnte diesen nun immerhin künftig geplanten Beginn von Verhandlungen im Vatikan als einen guten Anfang betrachten. Doch was Trump jetzt nach außen hin wie einen Erfolg aussehen lässt, ist in Wirklichkeit: ein doppelter Sieg für Putin, ein Win-Win für den Kreml.
1. Putin gewinnt Zeit – und kann weiterbomben
Die gestellten Erwartungen vor dem Gespräch waren klar: ein sofortiger, bedingungsloser Waffenstillstand. Europa, die Ukraine und sogar Trump selbst hatten dies in den Tagen zuvor gefordert. Es war die letzte, klar formulierte Bedingung für weitere Gespräche. Doch nach dem Anruf? Keine Rede mehr davon. Trump spricht nun von "Verhandlungen über die Bedingungen eines Waffenstillstands". Die Sprache der Ultimaten ist einer Sprache von Memoranden gewichen.
Putin hat damit sein nächstes Etappen-Ziel erreicht: Er muss nicht einlenken, nicht stoppen, nicht nachgeben. Die russischen Bomben fallen weiter und die Kampfdrohnen zielen weiter auf ukrainische Städte und Zivilisten. Die Verhandlungen müssten nun mühsam vorbereitet werden, was sich weitere Wochen und Monate lang hinziehen kann – zudem mit ungewissem Ausgang. Währenddessen blutet die Ukraine weiter. Und Russland nutzt die Zeit zur militärischen Neuaufstellung und zum Weiterrüsten.
2. Der Westen verliert an Glaubwürdigkeit
Noch vor wenigen Tagen war die Botschaft aus den europäischen Hauptstädten unmissverständlich: Wenn Putin nicht auf einen sofortigen Waffenstillstand eingeht, folgen harte Konsequenzen. Gerade der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz sprach offen von einem Ultimatum. Auch Frankreichs Emmanuel Macron, Polens Donald Tusk, der britische Premier Keir Starmer und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stimmten ein. Sanktionen gegen eingefrorene russische Vermögen, ein Vorgehen gegen die Schattenflotte im Baltikum – all das wurde laut diskutiert.
Und jetzt? Vorerst nur Schweigen. Dabei müssen die europäischen Staats- und Regierungschefs eigentlich genau jetzt handeln, wenn sie ihre Drohungen ernst gemeint haben. Tun sie es nicht, verlieren sie an Glaubwürdigkeit. Tun sie es doch, riskieren sie aber den Zorn Trumps, der bereits von der großen Friedensshow im Vatikan träumt. "Europa wird den Druck auf Moskau durch Sanktionen erhöhen", verkündete Friedrich Merz nach dem Trump-Telefonat. Und dass dies mit dem US-Präsidenten so abgestimmt sei. So oder so: Europa steht jetzt ziemlich schlecht, weil alleine da. Putin kann sich freuen.
3. Trump lässt sich von Putin vereinnahmen
Trump behauptet, er habe in dem Gespräch mit Putin am Montag Fortschritte erzielt. Tatsächlich hat er aber Putins Taktik akzeptiert: Statt einer sofortigen Waffenruhe unterstützt er nun dessen Idee eines Memorandums über Prinzipien und Zeitpläne. Und über eine mögliche Waffenruhe – irgendwann, vielleicht.
Das ist kein Verhandlungserfolg, sondern gleicht einer Kapitulation vor dem Kreml. Putins Sprecher betonte sogar, dass in dem Telefonat "keine konkreten Zeitrahmen für einen Waffenstillstand" vereinbart wurden. Stattdessen spricht Putin weiter von den "tieferliegenden Ursachen des Konflikts". Hinter der Phrase verbergen sich seine noch immer bestehenden Maximalforderungen: Gebietsabtretungen, Nato-Verzicht, Entmilitarisierung der Ukraine.
Während Trump glaubt, er habe seinen Deal schon so gut wie in der Tasche, begreift der US-Präsident offenkundig nicht: Für Putin ist "Verhandeln" kein Weg zum Ziel, sondern ein Spiel mit asymmetrischen Regeln, das man immer weiterspielen kann. Was für Trump als Deal erscheint, ist für Putin eine weitere willkommene Finte. Während der Kremlherrscher lediglich die Illusion einer künftigen Einigung kreiert, schafft er auf dem Schlachtfeld weitere Fakten. Trump gibt nach, Putin marschiert weiter.
4. Die USA fahren ihre Vermittlerrolle herunter
Bemerkenswert ist auch Trumps eigene Einschätzung, dass "die Bedingungen für eine Einigung nur von den Kriegsparteien selbst ausgehandelt werden können". Übersetzt klingt das zumindest danach: Die USA verabschieden sich aus der aktiven Rolle als Vermittler. Trump will offenbar keine Verantwortung mehr übernehmen – und also auch keine Rechenschaft ablegen. Der US-Präsident bereitet stattdessen dem amerikanischen Papst die Bühne. Wenn es dann schiefgeht, sind wahrscheinlich entweder Selenskyj, Putin oder gar Leo XIV. die Schuldigen.
Für Putin kann es kaum besser laufen. Denn ein Amerika, das sich nun vor allem neutral und passiv verhält, bedeutet weniger Druck auf Moskau. Schon jetzt zeigt sich das: Trumps Umfeld betont, man sei nicht an neuen Sanktionen interessiert. Die Warnungen seines Finanzministers Scott Bessent, Russland wirtschaftlich zu schwächen, sind verhallt.
Im Gegenteil: Trump winkt Putin mit lukrativen Geschäften, sollte es irgendwie vorangehen. Sein Vizepräsident JD Vance beschrieb vor seinem Abflug aus Rom, dass es für Putin eben auch schwer sei, den Krieg so plötzlich einzustellen, weil er Russland nun mal komplett auf Kriegswirtschaft umgestellt habe. Das klang fast schon nach Verständnis für die Situation des Aggressors.
5. Putin stellt Trump, Europa und Ukraine bloß
Zusammengefasst kann gesagt werden: Während die Ukraine bereit war, Zugeständnisse zu machen – ein 30-tägiger Waffenstillstand, ein Rohstoffabkommen, direkte Verhandlungen – hat Russland nichts angeboten. Kein Waffenstillstand, keine Rücknahme seiner Truppen, keine neuen Vorschläge. Es ist ihm erneut gelungen, Friedenswillen lediglich vorzuspielen.
Und dennoch kann Putin nun sagen: "Ich bin bereit zu verhandeln." Unter Trumps Mithilfe erscheint der Angreifer und Völkermörder nun als kompromissbereit, dialogorientiert. Es war einmal mehr eine kalkulierte und gelungene Inszenierung des Kremlherren. Sie funktioniert. Und Trump merkt es nicht einmal. Europa ist ebenfalls blamiert, merkt es und ist machtlos. Spätestens jetzt dürfte klar sein: Die Ukraine kämpft in Wahrheit allein.
- Eigene Beobachtungen
- Mitteilungen des Weißen Hauses
- Äußerungen von JD Vance