t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAusland

Iran-Konflikt: Proteste weiten sich nach Flugzeugabschuss aus – Ausschreitungen


Nach Flugzeugabschuss
Proteste im Iran weiten sich aus – offenbar Ausschreitungen

Von dpa, dru, aj

Aktualisiert am 13.01.2020Lesedauer: 4 Min.
Teheran am Samstagabend: Eine Frau spricht bei einer Trauerkundgebung vor der Amir-Bakir-Universität mit einem Polizisten.Vergrößern des BildesTeheran am Samstagabend: Eine Frau spricht bei einer Trauerkundgebung vor der Amir-Bakir-Universität mit einem Polizisten. (Quelle: Mona Hoobehfekr/ISNA/ap)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

176 Menschen sind tot, weil das iranische Militär eine ukrainische Passagiermaschine abgeschossen hat – aus Versehen, wie es heißt. Der Unmut über das tagelange Leugnen treibt viele Iraner auf die Straße.

Nach dem irrtümlichen Abschuss eines Passagierflugzeugs wächst im Iran die Kritik an der Führung der Islamischen Republik. Nach ersten Demonstrationen am Samstag weiteten sich die Proteste am Sonntag aus. In Teheran demonstrierten nach Angaben der Nachrichtenagentur ILNA bis zu 3.000 Menschen. Zudem gab es Kundgebungen an mindestens zwei Universitäten in der Hauptstadt.

Wie aus einem Gedenken ein wütender Protest wurde, bei dem auch der britische Botschafter kurzzeitig festgenommen wurde, sehen Sie oben im Video.

Die Teilnehmer kritisierten auf dem Asadi-Platz dem Bericht zufolge die Vertuschung von Fakten durch die Regierung und forderten den Rücktritt aller beteiligten Offiziellen. In den sozialen Medien kursierten Videos, die Rufe auch nach einem Rücktritt der iranischen Führungselite zeigen sollten.

Polizei und Sicherheitskräfte vor Ort versuchten laut ILNA, die Proteste zu beenden. Von schweren Ausschreitungen mit Verletzten war in den sozialen Medien die Rede. Unbestätigten Angaben zufolge kam es auch in anderen Landesteilen zu Protesten.

Trump twittert auf Persisch

Unterstützung bekamen die Demonstranten von US-Präsident Donald Trump, der ihnen Beistand zusicherte. "Wir verfolgen Ihre Proteste aufmerksam und lassen uns von Ihrem Mut inspirieren", schrieb er in Twitterbotschaften auf Englisch und Persisch an das "tapfere, leidgeprüfte" iranische Volk.

Zugleich warnte er die iranische Führung vor einem gewaltsamen Vorgehen gegen regierungskritische Demonstranten. "Töten Sie nicht ihre Demonstranten", schrieb er ganz in Großbuchstaben auf Twitter. "Tausende sind von Ihnen bereits getötet oder inhaftiert worden." Der US-Präsident warnte: "Die Welt sieht zu. Noch wichtiger ist, dass die USA zuschauen."

Der Iran bezeichnete Trumps Einlassungen via Twitter als absurd. "Stehen Sie an der Seite der Iraner oder gegen sie, wenn Sie ihren Nationalhelden (Soleimani) in einer Terroraktion töten lassen", fragte Außenamtssprecher Abbas Mussawi auf Twitter. Außerdem habe Trump kein Recht, auf Persisch zu twittern, nachdem er jahrelang das iranische Volk mit Drohungen und Sanktionen terrorisiert habe.

Am Sonntag (Ortszeit) twitterte Trump dann, sein Nationaler Sicherheitsberater gehe davon aus, dass die Sanktionen und Proteste den Iran an den Verhandlungstisch zwingen würden. "Tatsächlich könnte es mir egaler nicht sein, ob sie verhandeln. Es wird völlig ihnen überlassen sein, aber: keine Atomwaffen und "tötet eure Demonstranten nicht"", schrieb er.

Britischer Botschafter kurzzeitig festgenommen

Am Rande der Proteste in Teheran wurde am Samstagabend der britische Botschafter kurzzeitig festgesetzt. Er hatte nach eigenen Angaben an einer Trauerkundgebung für die Absturzopfer teilgenommen, unter denen auch Briten waren, die Veranstaltung aber schon nach fünf Minuten verlassen, als Parolen gerufen wurden. Die Nachrichtenagentur Tasnim berichtete dagegen, Botschafter Rob Macaire habe vor der Universität Amir Kabir Demonstranten animiert, "radikale Aktionen" durchzuführen.

Das iranische Außenministerium bestellte Macaire am Sonntag ein und erklärte, seine Teilnahme an einer "illegalen Kundgebung" habe gegen die diplomatischen Vorschriften verstoßen. Außerdem soll es Proteste vor der britischen Botschaft gegen Macaire gegeben haben. Laut Augenzeugen verbrannten regimetreue Demonstranten die britische Flagge und forderten die Ausweisung des Botschafters.

Die Regierung in London verurteilte die Festsetzung des Botschafters als "ungeheuerliche Verletzung internationalen Rechts", ähnlich äußerte sich die Bundesregierung. Auch die EU zeigte sich besorgt. Botschafter genießen im Gastland Immunität, so sind sie vor straf- und zivilrechtlicher Verfolgung geschützt.

Revolutionsgarden räumen Flugzeugabschuss ein

Nach tagelangem Leugnen hatte der Iran am Samstag eingestanden, für den Absturz des ukrainischen Passagierflugzeugs mit 176 Todesopfern verantwortlich zu sein. Die Revolutionsgarden erklärten, die Maschine sei inmitten der militärischen Konfrontation mit den USA versehentlich als feindlicher Marschflugkörper eingestuft und dann abgeschossen worden. Zuvor hatten die Behörden das tagelang abgestritten und von einem technischen Defekt gesprochen.

Präsident Hassan Ruhani versprach eine gründliche Untersuchung und sagte, der "unverzeihliche Vorfall" werde juristisch konsequent verfolgt. Zudem sollten die Opferfamilien entschädigt werden. Ähnlich äußerte sich der oberste Führer, Ajatollah Ali Chamenei, der sein tiefstes Mitgefühl ausdrückte und lückenlose Aufklärung forderte.

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj nahm eine Entschuldigung Ruhanis an und kündigte Entschädigungsforderungen an. Der Iran müsste für den Abschuss ungefähr 100 Millionen Dollar (85 Millionen Euro) an Entschädigung zahlen, erklärte der Vizechef der iranischen Versicherungsbehörde am Sonntag der Nachrichtenagentur Isna. Davon seien 70 Millionen Dollar für die Maschine und der Rest für 176 Opfer.

Signale der Entspannung

Seit dem Abschuss der Passagiermaschine haben mehrere ausländische Fluggesellschaften, auch Lufthansa und Austrian Airlines, ihre Flüge nach Teheran eingestellt. Die Lage war eskaliert, nachdem die USA den iranischen General Ghassem Soleimani in Bagdad getötet hatten. Nach dem Vergeltungsangriff des Irans auf von den USA genutzte Militärstützpunkte im Irak hatten Trump und Ruhani angekündigt, den Konflikt auf die politische Ebene zurückführen zu wollen.

Die erste und einzige olympische Medaillengewinnerin des Irans verließ das Land inzwischen und begründete ihre Flucht mit der politischen Situation. Die Taekwondo-Kämpferin Kimia Alisadeh bezeichnete sich am Sonntag auf Instagram als "eine der Millionen unterdrückter Frauen im Iran".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherchen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website