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Krieg in der Ukraine: MiG-29 – die Geheimwaffe gegen Putin?


Krieg in der Ukraine
MiG-29 – die Geheimwaffe gegen Putin?

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 10.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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MiG-29: Polen möchte offenbar 28 Maschinen an die Ukraine liefern.Vergrößern des Bildes
MiG-29: Polen möchte offenbar 28 Maschinen an die Ukraine liefern. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Ukraine bittet den Westen um Kampfflugzeuge, um die russischen Luftangriffe abzuwehren. Überraschend bietet nun Polen seine MiG-29-Jets an, aber die USA lehnen ab. Was steckt dahinter?

Sie gehörte einst zu den gefürchtetsten Kampfflugzeugen der Sowjetunion und durch ihre Wendigkeit ist sie auch noch heute im Luftkampf konkurrenzfähig. Die MiG-29 sorgt für heftige Debatten im Nato-Bündnis. Für viele westliche Partner kam es überraschend, dass Polen sich dazu bereit erklärte, seine MiG-Kampfflugzeuge abzugeben, um die Ukraine im Kampf gegen die russische Armee zu unterstützen. Die USA lehnen die Plan jetzt ab, obwohl die Idee ursprünglich von der US-Regierung ins Rollen gebracht wurde.

Die Angst vor einem Krieg zwischen Russland und der Nato und einer möglichen nuklearen Eskalation ist hoch, der russische Präsident Wladimir Putin ist spätestens seit seinem Angriff auf die Ukraine wenig berechenbar. Mit Waffenlieferungen bewegt sich das westliche Militärbündnis auf dünnem Eis, könnte die Lieferung von MiG-29-Flugzeugen dazu führen, dass Putin die Nato als Konfliktpartei betrachtet?

Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Welche MiG-29-Flugzeuge möchte Polen liefern?

Polen hat nach unterschiedlichen Angaben noch 28 Stück des in der Sowjetunion entwickelten Kampfflugzeugs MiG-29, darunter 22 Maschinen aus Beständen der NVA. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese aus der DDR übernommenen Flugzeuge an Polen auf Grundlage eines im Juni 2003 geschlossenen Abkommens für einen symbolischen Betrag von einem Euro überlassen. Polen wollte den Abfangjäger für die eigene Verteidigung einsetzen oder für Auslandseinsätze unter dem Dach von UN, OSZE oder auch Nato, wie es damals hieß. Deutschland und Polen vereinbarten Regeln für den Verbleib der Maschinen. Deutscher Standard bei Abgaben an andere Länder ist, dass Berlin eine Weitergabe des Materials an spätere Abnehmer genehmigen muss.

Die polnischen Streitkräfte haben ihre MiG-29 technisch an Nato-Standards angepasst und auch US-Teile in die Maschinen verbaut, um sie leistungsfähiger zu machen. Es ist unklar, ob die USA darauf pochen, dass diese Modifizierungen wieder rückgängig gemacht werden müssen, bevor sie in ukrainische Hände übergeben werden könnten. Das würde viel Zeit kosten.

Warum will die Ukraine die Flugzeuge haben?

Die ukrainischen Piloten sind im Umgang mit dem Kampfflugzeug geschult und bräuchten keine weitere Ausbildung. Bei Kriegsbeginn verfügte die Ukraine noch über etwa 125 Flugzeuge, darunter 37 MiG-29. Nach Angaben westlicher Militärs haben russische Angriffe die Luftstreitkräfte weitgehend zerstört.

Welchen Einfluss hätten die MiG-29 auf das Kriegsgeschehen?

An der russischen Luftüberlegenheit würde sich nicht viel ändern, doch die Ukraine hätte durch eine handlungsfähige Luftwaffe mehr strategische Möglichkeiten. "Die Intensität des Luftkrieges in der Ukraine nimmt zu und es wäre eine Entlastung für die ukrainischen Streitkräfte", erklärt Gustav Gressel, Russland- und Militärexperte bei der internationalen Denkfabrik “European Council on Foreign Relations”, gegenüber t-online. "Solange es die Bedrohung von Fliegerabwehr und Kampfflugzeugen gibt, wird Russland sich hüten, zum Beispiel Mittelstreckenbomber einzusetzen."

Diese Bomber sind strategisch wichtig für die russische Armee und Verluste wären teuer. "Die schickt man nicht unüberlegt ins Gefecht", so Gressel. Für die Zivilbevölkerung mache das einen großen Unterschied, auch wenn es die militärische Großwetterlage in der Ukraine nicht verändert. Zumindest wäre es schwerer für Russland, Flächenbombardements aus der Luft auf ukrainische Städte durchzuführen.

Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sieht dagegen einen geringen Vorteil. "Wir gehen davon aus, dass die Aufnahme von Flugzeugen in das ukrainische Inventar die Effektivität der ukrainischen Luftwaffe im Verhältnis zu den russischen Fähigkeiten wahrscheinlich nicht wesentlich verändern wird", sagte er am Mittwochabend. Der Gewinn aus so einer Verlegung sei daher "gering".

Könnten die MiG-29 in der Ukraine überhaupt noch starten und landen?

In der Tat sind viele Flugplätze in der Ukraine von der russischen Armee zerstört worden, aber die MiG-29 braucht keine ausgedehnte Start- und Landebahn. Durch ihren Bremsschirm kann sie auch auf breiteren Straßen landen, wenn diese gerade sind. Durch ihre Bereifung kann sie sogar auf unbefestigtem Boden starten.

Westliche Länder lieferten schon Flugabwehrsysteme, wie zum Beispiel Stinger-Raketen. Reicht das nicht aus?

Schultergestützte Flugabwehr wie die Stinger-Raketen sind vor allem gegen tieffliegende Ziele wirkungsvoll. Gegen Langstrecken- und Präzisionsraketen von Kampfflugzeugen sind sie allerdings wenig hilfreich. Dafür bräuchte es eigene Kampfflugzeuge oder zum Beispiel mehr BuK- oder S-300-Flugabwehrsysteme.

Können die Nato oder einzelne Bündnispartner als Folge einer solchen Lieferung in den Konflikt hineingezogen werden?

Die Ukraine ist ein souveräner Staat mit einer demokratisch gewählten Regierung und der Hoheit über den eigenen Luftraum. Allerdings hat der russische Angriff eine Realität geschaffen, in der die Nato unbedingt verhindern will, zur Kriegspartei zu werden. Waffenlieferungen allein begründen dies wohl nicht, haben unterschiedliche Experten in den vergangenen Tagen erklärt. Anders könnte es aussehen, wenn die MiG-29 von Ramstein aus zu Kampfeinsätzen aufsteigen würden oder von dort versorgt werden.

Letztlich zählt dabei, wie Russland reagiert. Das russische Außenministerium warnte am Montag erneut vor westlichen Waffenlieferungen in die Ukraine und Folgen für die Nato. Dies könne eine "katastrophale Entwicklung der Situation nicht nur in der Ukraine, sondern auch in den Nato-Ländern provozieren".

Wieso Ramstein als möglicher Ort einer Übergabe?

Das polnische Außenministerium hatte am Dienstagabend erklärt, die Regierung sei bereit, alle ihre MiG-29 unverzüglich und kostenlos auf den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz zu verlegen und den USA zur Verfügung zu stellen. Die US-Luftwaffe hat ihr europäisches Hauptquartier in Ramstein, das auch Sitz eines Nato-Kommandos für die Luftstreitkräfte ist.

"Entscheidungen über die Lieferung von Offensivwaffen müssen auf der Ebene der gesamten Nato einstimmig getroffen werden", sagte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki dazu. Polen könne keine eigenständigen Schritte tun, weil es nicht an diesem Krieg beteiligt sei. Der Nato-Mitgliedstaat reagiert nach eigener Aussage auf US-Außenminister Antony Blinken. "Wir sehen uns derzeit aktiv die Frage von Flugzeugen an, die Polen an die Ukraine liefern könnte", hatte der amerikanische Chefdiplomat in Moldau gesagt.

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Was bezweckte Polen mit dem Vorstoß?

In der aktuellen Lage geht es stets auch darum, Druck und eine Drohkulisse gegenüber Russland aufzubauen. "Strategische Kommunikation" kann in diesem Sinne wie eine Art Bombe gezündet werden. Allerdings deutet nach der polnischen Erklärung vieles auf Kommunikation aus Verärgerung hin oder auf einen Riss im Bündnis.

Bundeskanzler Olaf Scholz lehnte den Vorschlag gleich ab und sagte am Mittwoch, zu den konkreten Schritten "gehören ganz sicherlich keine Kampfflugzeuge". Das US-Verteidigungsministerium bezeichnete den überraschenden Vorschlag Polens vorher schon als "nicht haltbar" - mit Hinweis auf "schwierige logistische Herausforderungen" und "ernsthafte Bedenken" wegen der geopolitischen Dimension.

Jakub Kumoch, außenpolitischer Berater von Polens Präsident Andrzej Duda, ließ am Mittwoch erkennen, worum es Polen geht. Äußerungen westlicher Politiker seien "unglücklich" gewesen. Man habe sich der ukrainischen Seite erklären müssen, die gedacht habe, Polen würde blockieren. Kumoch sagte, deutlich sei nun: "Die USA wollen nicht, dass diese Flugzeuge auf amerikanischen Basen landen."

Ist die Lieferung der MiG-Kampfflugzeuge nun vom Tisch?

Nein, das Nato-Bündnis muss nur die Frage beantworten, wie die Flugzeuge geliefert werden sollen. Die USA haben allerdings dem Plan, die Jets im Ramstein zwischenzulagern, eine Absage erteilt und stellen den strategischen Vorteil der Flugzeuge sogar in Frage. Polen möchte nicht ohne Rückendeckung der Nato-Partner in einen Konflikt mit Russland gehen. "Es kommt mir etwas suspekt vor, schließlich war der US-Außenminister erst kürzlich in Polen", sagt Gressel. "Das Durcheinander könnte eine Verschleierungstaktik sein, damit Russland nicht weiß, was los ist. Ich glaube und hoffe, dass am Ende die MiG-29 in die Ukraine geliefert werden."

Was könnte der Ukraine noch helfen?

Momentan konzentriert sich die Debatte sehr auf Kampfflugzeuge, aber natürlich wäre auch die Lieferung von Flugabwehrsystemen und Munition dafür hilfreich für die Ukraine. "Es wäre sehr sinnvoll, wenn europäische Staaten Flugabwehrsysteme an die Ukraine liefern würde", meint Gressel. "Die Ukraine hat eigentlich noch schießfertige Systeme, aber die Munition geht aus. Momentan beschränkt sich die Diskussion leider nur auf Kampfflugzeuge."

Finnland verfügt über BuK-Syteme, Griechenland oder die Slowakei haben die S-300-Flugabwehr in ihrem Arsenal.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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