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Scheute Olaf Scholz die gefährliche Fahrt nach Kiew?


Drei Regierungschefs wagen es
Scheute Olaf Scholz die gefährliche Fahrt nach Kiew?


Aktualisiert am 16.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ukraine-Krieg: Als Zeichen der Unterstützung reisten die Regierungschefs zu Präsident Selenskyj. Die Mission sei geheim geplant worden. (Quelle: reuters)

Kiew wird bombardiert, dennoch wagen drei osteuropäische Regierungschefs die Reise in die ukrainische Hauptstadt. Beobachter zeigen sich beeindruckt – und fragen nach dem deutschen Kanzler.

Riskante Reise ins Kriegsgebiet: Die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien sind nach Kiew gereist, um sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. "Hier, im kriegszerstörten Kiew, wird Geschichte geschrieben", twitterte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach der Ankunft in der ukrainischen Hauptstadt – mit einem Foto der drei Regierungschefs, gebeugt über eine Karte der Ukraine.

Der Beifall für die Reise in das umkämpfte Zentrum des Ukraine-Kriegs ist groß. "Der Mut der wahren Freunde der Ukraine", twitterte der ukrainische Ministerpräsident Demys Schmyhal. Selenskyj selbst bezeichnete den Besuch als "starkes Zeichen der Unterstützung" und teilte mit: "Wir wissen das wirklich zu schätzen." Auf Twitter feiern Nutzer: "Staatschefs als menschliche Schutzschilde. Das ist das Allergrößte."

Wie gelang der Polit-Prominenz die Fahrt ins von russischen Truppen größtenteils eingekesselte Kiew. Warum wagte sie den Besuch überhaupt? Und ist eine solche Reise auch für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) denkbar?

Gefährliche Reise mit dem Zug

Ein Flug – sonst auf diplomatischen Reisen Standard – ist nach Kiew derzeit so gut wie unmöglich. Der Flughafen Kiew ist geschlossen, ebenso wie der Luftraum über der Ukraine und den Nachbarstaaten Belarus und der Republik Moldau. Die ukrainische Hauptstadt wird immer wieder von russischen Raketen getroffen, gerade gilt erneut eine strenge Ausgangssperre.

Die Staatschefs aus Polen, Tschechien und Slowenien reisten deswegen mit dem Zug. Bekannt gegeben wurde ihre Reise erst, als sie bereits unterwegs waren und die polnisch-ukrainische Grenze überquert hatten. Die genaue Reiseroute blieb geheim, überhaupt sei die Fahrt "unter strengster Geheimhaltung" geplant worden. Eingeweiht waren vorab EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

Unterstützung für die Ukraine – und ein Seitenhieb auf die "alte EU"

Ein Grund für die Reise der drei Regierungschefs in die Ukraine ist offensichtlich: Ihr Besuch in Kiew ist ein starkes Symbol der Unterstützung. Kein Telefonat eines Spitzenpolitikers mit Selenskyj dürfte bisher in den bewährten wie sozialen Medien so viel Aufmerksamkeit und Diskussionen befördert haben. Zugleich verleiht der brenzlige Kiew-Besuch, mit hohem persönlichem Risiko verbunden, vor Ort geäußerten Forderungen besonderes Gewicht. Regierungs-PR mit Wumms.

Vor diesem Hintergrund forderte Polens Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski von der rechtspopulistischen PiS-Partei eine bewaffnete Friedensmission der Nato in der Ukraine. Sie solle humanitäre Hilfe leisten, dabei aber auch "von Streitkräften geschützt" werden und "in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen".

Seit 1989 haben sich die Beziehungen zwischen Polen und Russland verschlechtert. Trotz Versuchen, sie zu verbessern, sind die Differenzen nach wie vor groß – ebenso wie die Furcht in Polen vor einem russischen Vormarsch. Das zeigten zuletzt auch die Panikkäufe polnischer Bürger an Tankstellen zu Beginn der russischen Invasion in der Ukraine.

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Doch zumindest für die Vertreter Polens, das wegen des Abbaus rechtsstaatlicher Strukturen im Dauer-Clinch mit der EU liegt, taugt die Reise noch zu wesentlich mehr: einem gepfefferten Seitenhieb auf die vermeintlich behäbige EU. So twitterte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, es sei höchste Zeit, dass das "träge und verfallene" alte Europa wieder zum Leben erwache und "Mauern der Gleichgültigkeit" durchbreche.

Und die Deutschen?

Was die Spitzenpolitiker aus Polen, Slowenien und Tschechien wagen – muss sich das nicht auch ein Bundeskanzler Olaf Scholz trauen? Diese Frage beschäftigt derzeit Bürger, Politiker, Journalisten. "Vielleicht sollten Scholz und Macron auch nach Kiew fliegen", twitterte Ulrich Deppendorf, ehemaliger Leiter des ARD-Hauptstadtstudios. "Das wäre ein wahrhaftiges Zeichen der Solidarität." Andere Nutzer fragten mit Blick auf die Reise der drei Regierungschefs spitz: "Was machen eigentlich Scholz und von der Leyen so?"

Das Bundeskanzleramt bewahrt über die künftige Reiseplanung des Kanzlers Stillschweigen. Nach Informationen von t-online gibt es aber derzeit keine Überlegungen, eine ähnliche Reise nach Kiew wie die der drei osteuropäischen Amtskollegen zu starten. Offiziell heißt es, dass über Reisen des Bundeskanzlers informiert würde, wenn sie feststünden – die Standardformel. Auch das Auswärtige Amt hat t-online nach den Reiseplänen von Ministerin Annalena Baerbock gefragt. Eine Antwort steht noch aus.

Aus EU-Kreisen heißt es, dass die Reise des Trios nicht innerhalb der gesamten EU abgesprochen gewesen sei. Der EU-Ratspräsident soll mit Blick auf die Reise auf Sicherheitsrisiken hingewiesen haben, wie EU-Beamte berichten. Eine Reise nach Vorbild der osteuropäischen Regierungschefs wird in Brüssel vor diesem Hintergrund als abwegig gewertet. Die Frage, warum Ursula von der Leyen nicht mitgereist sei, bewertete ein EU-Beamter schlicht als "kurios".

Insbesondere der Vorschlag des polnischen Vize-Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski, eine bewaffnete Nato-"Friedensmission" gegen Russland zu starten, löst auch Irritation aus. Lediglich Estland zeigte sich öffentlich aufgeschlossen. Ansonsten ist die Sorge groß, dass ein solches Vorgehen als direktes Eingreifen und somit als Kriegsbeteiligung der Nato interpretiert würde. Weil genau das verhindert werden soll, wurde die Bitte des ukrainischen Präsidenten Selenskyi, eine Flugverbotszone über der Ukraine zu garantieren, vonseiten der Nato immer abgelehnt.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an das Bundeskanzleramt
  • Anfrage an das Auswärtige Amt
  • Mit Material von dpa
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