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Hamas-Massaker: Wie geht Deutschland mit dem Hass auf jüdische Bürger um?


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Michel Friedmans flammender Appell
"Dann ist für mich Schluss mit lustig"

  • Philipp Michaelis
InterviewVon Philipp Michaelis

Aktualisiert am 07.10.2024Lesedauer: 10 Min.
imago images 0314858607Vergrößern des Bildes
Michel Friedman: "Der Judenhass war schon vor 2015 unerträglich." (Quelle: IMAGO/Frank Gaeth/imago)

Vor genau einem Jahr verübten Terroristen der Hamas das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust. Der überschäumende Hass dieser Attacke schwappt auch nach Deutschland. Der Publizist Michel Friedman fordert Konsequenzen.

1.139. So viele Menschen wurden beim Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 getötet. 695 von ihnen waren Zivilisten, 36 Kinder und Jugendliche. Mehr noch als die schiere Zahl der Opfer entsetzte die Weltöffentlichkeit aber die unbeschreibliche Brutalität, mit der die Terroristen ihre Opfer abschlachteten.

Auch in Deutschland gingen danach Menschen auf die Straße. Allerdings nicht nur, um der Opfer zu gedenken und sich mit Israel zu solidarisieren. Seit die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Gazastreifen Vergeltungsschläge gegen die Hamas anstrengte, protestieren in Deutschland regelmäßig Menschen – vor allem gegen die humanitären Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung, aber auch explizit gegen Israel. Der Publizist Michel Friedman ist enttäuscht über den Umgang Deutschlands mit dem Massaker, das sich heute zum ersten Mal jährt.

t-online: Herr Friedman, Sie haben einmal gesagt, Sie glaubten nicht an einen Gott, aber Sie glaubten an den Menschen. Hat der 7. Oktober des vergangenen Jahres diesen Glauben in Ihnen erschüttert?

Michel Friedman: Wer an Menschen glaubt, denkt realistischerweise an alle Möglichkeiten, die in uns stecken. Das eine ist die unglaubliche Fähigkeit, Leben zu entwickeln, zu lieben, solidarisch zu sein, Empathie zu haben, Zukunft miteinander aufzubauen. Aber die andere Seite des Menschen war immer auch schon Zerstörung, Barbarei, Mord und Hass. Wir erlebten am 7. Oktober leider, dass die zweite Beschreibung lebendig wird. Wir erlebten nicht nur das Töten an sich, das schon unverzeihlich ist, sondern wir erlebten, wie Babys verbrannt, tote Frauen vergewaltigt, Videos aufgezeichnet und dann in den sozialen Medien Millionen mal geklickt und mit Zuspruch beantwortet wurden.

Video | Israel veröffentlicht Video von Morden der Hamas
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Quelle: t-online

Wir erlebten die totale Enthumanisierung. Das ist am 7. Oktober in einer Art und Weise geschehen, die den schlimmsten Tag, das größte Massaker nach der Shoah in die Realität umgesetzt hat. Erst recht und umso mehr, da es Juden und jüdische Menschen getroffen hat.

Aber?

Das entmutigt mich nicht, an den Menschen zu glauben. Wenn wir aufhören, an den Menschen zu glauben, wenn wir in Misstrauen und Zynismus leben, wird diese Welt keine Zukunft haben. Das heißt ja nicht, dass man naiv ist, sondern das heißt, dass wir alles versuchen müssen, um vor allem junge Menschen wieder mit Liebe und Respekt von den Eltern, aber auch in Freiheit und unter menschlichen Umständen aufwachsen zu lassen, damit der Hass keine Chance hat.


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Hass ist hungrig. Hass wird nie satt.


Michel Friedman


Den Hass des 7. Oktober beobachten wir derzeit fast tagtäglich auch auf den Straßen in Deutschland. Allein die Berliner Staatsanwaltschaft bearbeitet seit diesem Tag derzeit gut 3.200 Fälle, in denen Antisemitismus im Kontext des Nahostkonflikts eine Rolle spielt. Was haben wir als Land, als Gesellschaft falsch gemacht, dass dieser offene Hass auf alles Jüdische wieder Straßenalltag werden konnte?

Hass ist hungrig. Hass wird nie satt. Und wenn Hass öffentlich gegen Menschen gerichtet wird, ist das keine Meinung, sondern eine Straftat. Judentum erlebt in Deutschland leider seit 1945 immer noch den rechtsextremistischen Judenhass und seit 2022 ...

... also seit der Einstufung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz.

Seitdem ist es offiziell: Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die Demokratie in unserem Land, aber auch die größte Gefahr für jüdisches Leben. In den letzten Jahren aber, vor allem seit dem 7. Oktober, sehen wir etwas, bei dem man lange weggeschaut hat: Hass radikalisierter Muslime, die in Deutschland leben, auch deutscher Muslime, unterstützt von einem Linksextremismus, dessen Israel-Verachtung nicht erst bei den Diskussionen um die Documenta 2022 aufgefallen war.

Und auch das hat man nicht ernst genug genommen. Wir haben uns zu Recht auf den Rechtsextremismus konzentriert, und zu Unrecht zu wenig auf islamistische und linksextremistische Gewalt in Deutschland geachtet. Was man tun kann, hätte man schon längst beginnen müssen zu tun. Ich lebe seit 50 Jahren, also ein halbes Jahrhundert, in diesem Land. Und es gab so oft, viel zu oft, Gewalttaten, von geistiger Brandstiftung, was kein Kavaliersdelikt ist, bis hin zu tatsächlicher Gewalt, sogar zu Terroranschlägen von Rechtsextremisten. Das wurde immer verharmlost, zu Einzelfällen deklariert oder auf "Verrückte" in Anführungsstrichen reduziert. Aber wir wissen alle: Rechtsextremismus und Judenhass haben am 8. Mai 1945 nicht aufgehört.

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Im Gegenteil.

Das Erschreckende, das Neue ist: Eine Partei des Hasses, die eindeutig antisemitisch ist und in Teilen auch den Holocaust leugnet, wird demokratisch von Millionen von Menschen gewählt. Sie ist aber deswegen noch keine demokratische Partei. Dass sie in den Bundestag gekommen ist, ist eine strukturelle Verschlechterung.

Wer heute "Wehret den Anfängen" sagt, dem kann ich nur sagen: Erstens sind wir mittendrin. Und zweitens: Wenn man jedes Mal, wenn man "Wehret den Anfängen" gesagt hat, auch etwas getan hätte, wären wir nicht heute, wo wir sind. Und wir sind an einem Punkt, an dem sich viele deutsche Juden und Jüdinnen die Frage stellen: Wollen wir und können wir in Deutschland noch emanzipiert, frei, angstfrei leben? Das ist ein Offenbarungseid für Deutschland.

Foto: Nicci Kuhn
Foto: Nicci Kuhn (Quelle: Nicci Kuhn)

Zur Person

Michel Friedman (geb. 1956 in Paris) ist Publizist, Jurist und Philosoph. Er ist ein scharfzüngiger Beobachter der deutschen und internationalen Politik, moderiert seit Jahren politische Diskussionssendungen. Zwischen 2001 und 2003 war er stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. In seinem Buch "Judenhass" hat er sich mit dem 7. Oktober 2023 und dem Angriff der Hamas auf Israel auseinandergesetzt.

Sie haben den Deutschen "Empathielosigkeit" im Umgang mit dem Angriff auf Israel vorgeworfen.

Nicht allen, aber vielen.

Aber woher kommt diese Empathielosigkeit Ihrer Ansicht nach?

Sie lässt sich damit erklären, dass nach 1945 leider eine Schweigespirale, eine Verdrängungsmauer aufgebaut wurde. Die meisten derjenigen, die Mitläufer, Mittäter, Zuschauer, aber auch aktiv an der NS-Diktatur beteiligt waren, waren am Tag der Befreiung plötzlich selbst Opfer. Jedenfalls hatten sie eine kollektive Amnesie. Ralph Giordano, der große Autor, hat mal von der "zweiten Schuld" gesprochen: Er meinte, dass Geschichte nur lernbar ist, wenn sie auch in Familiengeschichten erzählt wird. Die Generation der jetzt 60-Jährigen muss sich die Frage stellen, ob wir jetzt nicht schon in einem Zeitalter der "dritten Schuld" sind.


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Der Judenhass war schon vor 2015 unerträglich. Ich sage es noch einmal: unerträglich!


Michel Friedman


Der zweite Punkt ist aber, dass bis 2022 von fast allen Parteien Rechtsextremismus und Judenhass geleugnet, nicht ernst genommen und wegretuschiert wurden. 2022 war das erste Mal, dass eine Bundesregierung zugeben musste, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Demokratie ist. War er das vorher nicht? Doch, aber es wurde nicht öffentlich bekannt. Und erst mit dem Bekenntnis entwickelt sich dann staatliches Handeln. Bis dahin wurde alles unter den Teppich gekehrt.

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Die deutsche Politik erweckt derzeit den Eindruck, als habe sie eine andere Erklärung für Empathielosigkeit und wachsenden Judenhass in Deutschland ausgemacht. Sie scheint ihn weniger als hausgemachtes Problem zu verstehen, sondern eher als ein importiertes. Sie begründet ihn oft mit der hohen Anzahl von Migranten in unserem Land und unseren (und womöglich auch deren) unzureichenden Integrationsbemühungen. Welche Position nehmen Sie in dieser Debatte ein?

Der Judenhass war schon vor 2015 unerträglich. Ich sage es noch einmal: unerträglich! Die Lebensqualität dreier Generationen jüdischer Kinder war geprägt von der Notwendigkeit, dass Polizisten mit Maschinenpistolen vor Kindergärten und Schulen stehen. Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, wenn Ihr Kind oder Enkelkind in die Schule gebracht wird und dort Polizisten stehen? Verstehen Sie, dass diese Kinder, die so aufwachsen, das Wort Normalität im Zusammenhang mit ihrer Kindheit nicht kennen?

Dann kommt in der Tat aber eine zusätzliche Gefahr hinzu, nicht nur für jüdisches Leben, sondern für das demokratische Leben an sich, für das Leben in menschlicher Würde, die unantastbar ist: Viele Menschen kommen nach Deutschland. Und einige, viel zu viele, bringen ihren Judenhass mit. Ihren Israelhass. Und sie bringen auch eine Wertevorstellung über Frauen und deren Freiheit mit, die mit unserer Gesellschaft nicht zusammenwirken kann.

Müssen wir also unsere ganze Migrationspolitik überdenken?

Das heißt nicht, dass der Asylparagraf des Grundgesetzes zu verurteilen ist oder alle hierher gekommenen Menschen über einen Kamm geschert werden können. Und es darf gerade nicht dazu führen, dass man für den notwendigen Kampf gegen Judenhass die Asylpolitik Deutschlands aufgeben will, die sich nach wie vor aus den Lehren des Nationalsozialismus konstituiert.


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Wer hier glaubt, die Würde des Menschen sei antastbar, der muss Konsequenzen tragen. Ob er Ali heißt oder Höcke.


Michel Friedman


Es geht nicht darum, ob Menschen zu uns kommen sollen. Es geht darum, wie der Staat kontrolliert, dass er schnell reagiert und die Verwaltung effizient wird. Deutschland ist – nicht nur in dieser Frage – nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

Wer hier glaubt, die Würde des Menschen sei antastbar, der muss Konsequenzen tragen. Ob er Ali heißt oder Höcke. Das verstehe ich unter einer wehrhaften Demokratie.

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Sie haben einmal angekündigt, dass Sie Deutschland verlassen würden, wenn die rechtsextreme AfD Teil der Bundesregierung werden würde. Hat der "neue" Antisemitismus in Deutschland, der auch migrantisch und überraschenderweise links geprägt zu sein scheint, ähnliche Auswirkungen auf ihre Lebensplanung?

Nein, denn beim Rechtsextremismus und vor allem bei der AfD geht es um Machtstrukturen. Sie haben den Gang durch die Institutionen begonnen und sind bereits sehr erfolgreich mittendrin. Da geht es ja nicht nur um die Politik. Da geht es um die Besetzung von wichtigen Funktionen des Staates. Sie ist ein Teil der politischen Machtrealität geworden. Sollte diese Machtrealität in die Exekutive der Bundesrepublik kommen, dann ist für mich Schluss mit lustig.

Alles andere, worüber wir gesprochen haben, ist für einen demokratischen Rechtsstaat lösbar. Nur: Er muss sich ranmachen. Wir haben ja gesehen, dass bei der "Letzten Generation" Prozesse möglich waren. Von der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft bis zur Verurteilung in drei Monaten! Dagegen finden auch heute und morgen wieder Demonstrationen statt, wo "from the river to the sea" skandiert wird, was die Massenvernichtung israelischer Bürger bedeutet. Oder andere Sprüche wie "Tod den Juden"!

Das muss sofort sanktioniert werden, damit auch andere Mitläufer merken: Du wirst dafür eine Strafe erhalten.

Sie nehmen meine nächste Frage vorweg: Haben Sie den Eindruck, dass die deutschen Behörden, dass die deutsche Politik mit ausreichender Schärfe auf diese Demonstrationen reagieren und auf das, was im Rahmen dieser Demonstrationen vielfach geschieht?

Da ist noch unendlich viel Luft nach oben. Ich bin, ob es die Ankündigung oder die Realität des Handelns angeht, äußerst unzufrieden. Viel wird geredet, viel zu wenig wird getan.

Die deutsche Außenministerin betont die Solidarität und Freundschaft Deutschlands mit Israel, macht aber auch auf die humanitäre Lage vor allem im Gazastreifen und nun auch im Libanon aufmerksam. Viel bewegen konnte sie aber nicht. Der Historiker Michael Wolffsohn wirft Baerbock "Wichtigtuerei" und "Aktionismus" vor. Wie bewerten Sie ihre Rolle?

Zwischen Bundeskanzler Scholz oder Robert Habeck einerseits und Frau Baerbock andererseits entdeckt man grundsätzliche Unterschiede. Aber lassen Sie mich anders beginnen: Ein Mensch, der Empathie besitzt, beweint ein getötetes arabisches Kind ebenso wie ein israelisches oder ein deutsches. Die Verantwortung für diesen Konflikt trägt einerseits die Hamas, die am 7. Oktober 2023 Israel angegriffen hat und bis heute angreift. Und der Libanon, Sitz der Hisbollah, einer terroristischen Institution, beschießt seit Monaten den Norden Israels. 60.000 Bürger Israels mussten ihre Häuser verlassen, weil sie dort nicht mehr sicher leben konnten. Und spätestens dann hat natürlich auch Israel ein Recht, sich zu verteidigen.

Nachdem der Iran endlich seine unschuldige Fratze abgelegt und selbst Raketen auf Israel geschossen hat, sieht man, dass die Hisbollah wie auch die Hamas nichts anderes sind als terroristische Erfüllungsgehilfen eines islamistischen Staates. Der Islam, wie die Iraner ihn interpretieren, richtet sich einerseits gegen die eigene Bevölkerung. Es ist erst zwei Jahre her, dass wir in Deutschland zu Recht massenhaft demonstriert haben für die Rechte der Frauen im Iran. Die Mullahs wollen aber auch in anderen Ländern genau das haben.

Und wo wäre das einfacher als in einem Palästinenserstaat, in dem es außer der Hamas quasi keine Struktur mehr gibt.

Sie wollen einen palästinensischen Staat, aber keinen demokratischen, sondern sie wollen einen islamistischen. Und wer heute queer ist, wer heute eine Frau ist, wer heute für die Menschheit und Freiheitsrechte spricht, der kann nicht wollen, dass der Iran die Palästinenser von einem Unglück, das die Hamas ihnen angetan hat, in das nächste hineinschiebt: nämlich in einen islamistischen Staat wie Afghanistan. Ich bin enttäuscht von Frau Baerbock, dass sie das nicht in dieser Eindeutigkeit ausgesprochen hat.


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Bei ihr ist "ja" kleingeschrieben, "aber" dagegen groß.


Michel Friedman über Annalena Baerbock


Das ändert nichts daran, dass ich kritisch gegenüber der Regierung Netanjahu bin. Es ändert nichts daran, dass ich kritisch gegenüber der Siedlungspolitik bin. Es ändert nichts daran, dass ich kritisch nachfrage, ob diese Kriegsführung die optimale ist. Aber letztendlich verteidigt sich der Staat Israel völkerrechtlich. Deswegen erwarte ich, wenn man schon so große Versprechen macht, dass Israels Sicherheit zur Grundidentität Deutschlands gehört, dass Frau Baerbock dies in dieser Eindeutigkeit formuliert. Bei ihr ist "ja" kleingeschrieben, "aber" dagegen groß.

Sie haben jüdische Wurzeln und sind durchaus ein scharfer Kritiker von Israels Premierminister Netanjahu. Sie haben vor allem die Siedlungspolitik Israels immer wieder problematisiert. Ich hingegen bin ein Enkel zweier Großväter, die im Zweiten Weltkrieg für Adolf Hitler gekämpft haben, und ich bin vor allem in der Schule und im Studium dazu erzogen worden, mich mit Kritik an Israel tunlichst zurückzuhalten. Dürfen Sie, Michel Friedman, der israelischen Politik andere Fragen stellen, als ich das dürfte?

Nein. Sie sollen und müssen sagen können, was Sie sagen wollen. Natürlich kann jeder die israelische Regierung kritisieren, genau wie wir Herrn Trump und damit die amerikanische Regierung kritisiert haben. Oder unsere eigene. Aber in dem Moment, wo Vernichtungsphantasien Israels geäußert werden oder Israel die Alleinverantwortung für all das, was im Nahen Osten passiert, zugeschoben wird, oder wenn man die Israelis mit den deutschen Nazis vergleichen will, dann sind das antisemitische Stereotype.

Übrigens: In Israel selbst kritisieren Hunderttausende die Kriegsführung der Regierung. Das ist Demokratie. Auch deshalb mache ich mir um Israel, die einzige Demokratie im Nahen Osten, noch keine Sorgen. Benjamin Netanjahu wird bald Geschichte sein, wie übrigens jeder Regierungschef in einem demokratischen Land.

Wir haben mit einer Glaubensfrage begonnen, ich würde gerne mit einer Glaubensfrage zum Schluss kommen: Glauben Sie noch an einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten?

Wer wie ich als Kind von Holocaustüberlebenden aus Paris in den 60er Jahren nach Deutschland gekommen ist, wer wie ich ein Europäer ist, wer wie ich erlebt hat, dass es einen Frieden und eine Kooperation gerade der jüngeren Generationen in der Europäischen Union gibt, der glaubt nicht nur, sondern er weiß, dass, wenn Menschen wollen, sie alles können. Auch in Verantwortung die Geschichte annehmen und aus der Verantwortung eine wunderbare Zukunft gestalten.

Herr Friedman, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Michel Friedman
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