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Sergej Skripal: Auch Bundesregierung sieht Moskau hinter Gift-Anschlag


"Bedroht unser aller Sicherheit"
Auch Bundesregierung sieht Moskau hinter Gift-Anschlag

Von dpa, afp
Aktualisiert am 15.03.2018Lesedauer: 4 Min.
Premierministerin Theresa May am Ort des Gift-Attentats: Die britische Regierung wirft Russland vor, hinter dem Attentat zu stecken.Vergrößern des BildesPremierministerin Theresa May am Ort des Gift-Attentats: Die britische Regierung wirft Russland vor, hinter dem Attentat zu stecken. (Quelle: Andrew Matthews/PA Wire/dpa-bilder)
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Im Fall des vergifteten früheren russischen Agenten Sergei Skripal stellen sich Deutschland, Frankreich und die USA offiziell an die Seite Großbritanniens. Moskau stehe in der Pflicht, zu dem Fall Stellung zu nehmen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

In dem Konflikt um den Giftanschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Sergei Skripal erhöhen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die USA gemeinsam den Druck auf die russische Regierung. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Staats- und Regierungschefs Russland auf, "zu allen Fragen Stellung zu nehmen", die mit dem Anschlag im britischen Salisbury verbunden seien. Denn Russland trage mit "hoher Wahrscheinlichkeit die Verantwortung".

Damit schließt sich die Bundesregierung öffentlich der Einschätzung der britischen Regierung an, dass Russland hinter dem Anschlag auf Skripal und seine Tochter Julia steckt. "Wir teilen die Einschätzung des Vereinigten Königreichs, dass es keine plausible alternative Erklärung gibt, und stellen fest, dass Russlands Weigerung, auf die berechtigten Fragen der Regierung des Vereinigten Königreichs einzugehen, einen zusätzlichen Anhaltspunkt für seine Verantwortlichkeit ergibt", heißt es in der Erklärung.

Die vier Staaten zeigen sich "entsetzt" über den Anschlag und verurteilen die Tat scharf. "Der Einsatz eines militärischen Nervenkampfstoffs eines Typs, wie er von Russland entwickelt wurde, stellt die erste offensive Anwendung eines solchen Nervengifts in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg dar", erklären die Regierungen in Berlin, London, Paris und Washington.

"Es handelt sich um einen Übergriff gegen die Souveränität des Vereinigten Königreichs. Ein solches Vorgehen verletzt eindeutig die Bestimmungen des Chemiewaffenübereinkommens und das Völkerrecht", heißt es in der Mitteilung weiter. "Es bedroht unser aller Sicherheit."

Moskau: Keinen Kampfstoff "Nowitschok" entwickelt

Russland weist jedoch zurück, den verwendeten Kampfstoff entwickelt zu haben. "Es gab weder in der Sowjetunion noch in Russland Programme zur Entwicklung chemischer Kampfstoffe mit dem Namen Nowitschok", sagte der russische Vize-Außenminister Sergej Riabkow der Nachrichtenagentur Interfax. Russland habe seine Forschungen im Bereich der Chemiewaffen nach Inkrafttreten der internationalen Chemiewaffen-Konvention 1997 eingestellt und inzwischen sein gesamtes Arsenal vernichtet.

Nach Angaben des russischen Chemikers Wil Mirsajanow waren die Nowitschok-Gifte während des Kalten Kriegs in einem staatlichen Forschungsinstitut in Moskau entwickelt worden. Der 83-Jährige, der 1995 in die USA auswanderte, gilt als einer der "Väter" dieser chemischen Kampfstoffe.

Russland droht Großbritannien mit Vergeltung

Russland kündigte unterdessen an, auf die britischen Sanktionen in dem Fall reagieren zu wollen. Das Außenministerium und andere Behörden schlügen Schritte vor, die Entscheidung werde Präsident Wladimir Putin treffen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Auch Außenminister Sergei Lawrow erklärte der Agentur Interfax zufolge, Russlands Antwort auf die Ausweisung russischer Diplomaten werde "sehr bald" erfolgen.

Eine Ausweisung britischer Diplomaten aus Russland gilt als eine wahrscheinliche Option. Russische Politiker hatten zuletzt immer wieder von einer "symmetrischen Antwort" gesprochen. Die britische Regierung hatte am Mittwoch unter anderem angeordnet, dass 23 russische Diplomaten das Land binnen einer Woche verlassen müssen.

Großbritannien will Soldaten impfen

Das britische Verteidigungsministerium kündigte derweil an, Tausende Soldaten gegen Anthrax impfen zu lassen. Die Erreger von Anthrax (Milzbrand) gelten als potenzielle Biowaffen. Zudem wird London ein hochmodernes Zentrum zur Verteidigung gegen Chemiewaffen errichten. Hierfür werden 48 Millionen Pfund (etwa 54 Millionen Euro) bereitgestellt.

"Wenn wir an der Bedrohung für unsere Bevölkerung durch Russland zweifeln, dann müssen wir nur auf das schockierende Beispiel der rücksichtslosen Attacke in Salisbury schauen, sagte Verteidigungsminister Gavin Williamson einem Redetext zufolge.

Nervengift Nowitschok stammt aus Sowjetunion

Das Zentrum zur Verteidigung gegen Chemiewaffen wird auf dem Forschungsgelände Porton Down in der südenglischen Grafschaft Wiltshire entstehen. Auf dem Areal wird auch militärisch geforscht. In der Nähe liegt die Stadt Salisbury, in der der Anschlag auf Skripal und dessen Tochter verübt worden war. Beide befinden sich weiterhin in einem kritischen Zustand.

Nach britischen Angaben wurden sie Opfer des Nervengifts Nowitschok, das in der früheren Sowjetunion entwickelt worden war. Daher glaubt London, dass Moskau hinter dem Attentat steckt.

Moskau wirft London "Hysterie" vor

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen forderte Moskau am Donnerstagmorgen dazu auf, zur Aufklärung beizutragen. "Wir nehmen das sehr, sehr ernst", sagte sie im ZDF-"Morgenmagazin". Die Ministerin zog eine Verbindung zum Engagement Russlands im Syrien-Krieg an der Seite des Präsidenten Baschar al-Assad: "Wir sehen, wie der Verbündete Assad Giftgas einsetzt. Russland ist der Verbündete von Assad. Deshalb ist es für Russland entscheidend aufzuklären, was dort geschehen ist."

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach sich dafür aus, russisches Geld in Europa unter die Lupe zu nehmen. In London und anderen europäischen Großstädten sei "dubioses Großkapital russischer Herkunft mit leichten Möglichkeiten der Geldwäsche unübersehbar", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. "Hier sollte Großbritannien, aber auch die Europäer ihre bisherige Politik der Offenheit korrigieren."

Im UN-Sicherheitsrat in New York hatten sich Großbritannien und Russland bei einer Sondersitzung am Mittwoch einen Schlagabtausch geliefert. Premierministerin Theresa May sorge für eine "hysterische Atmosphäre", sagte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja. London werde sich nicht von Moskaus "Leugnungen, Ablenkungen und Drohungen" beirren lassen, so der britische UN-Botschafter Jonathan Allen.

Präsidentschaftskandidatin verteidigt Sanktionen

Für Sanktionen gegen die Eliten in ihrem Land sprach sich die russische Präsidentschaftskandidatin Xenija Sobtschak aus. "Sollte Moskau hinter dem Nervengiftanschlag stecken, sind neue Sanktionen des Westens unausweichlich", sagte die russische TV-Ikone der "Bild"-Zeitung. Auch Konzerne wie die Energieriesen Rosneft oder Gazprom müssten ins Visier genommen werden. Sobtschak ist die einzige Frau bei der Wahl an diesem Sonntag. Ihre Bewerbung gilt als chancenlos; Umfragen zufolge ist Wladimir Putins Sieg sicher.

Verwendete Quellen
  • AFP, dpa
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