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CDU-Politiker im Interview: Krieg mit den USA? Iran ist dem "nicht gewachsen"


CDU-Außenpolitiker
Röttgen: "Einem Krieg mit den USA ist Iran nicht gewachsen"

InterviewVon Tim Kummert

Aktualisiert am 08.01.2020Lesedauer: 6 Min.
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Norbert Röttgen und ein Panzer der US-Armee bei der Bekämpfung des IS (Symbolbild).Vergrößern des Bildes
Norbert Röttgen und ein Panzer der US-Armee bei der Bekämpfung des IS (Symbolbild). (Quelle: reuters)

Nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani durch das US-Militär hat der Iran zwei militärische Stützpunkte der USA angegriffen. Der deutsche Außenpolitiker Norbert Röttgen erklärt im Interview mit t-online.de, welche Rolle Deutschland in dem Konflikt übernehmen muss.

Kurz nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch einen Drohnenangriff von US-Truppen attackierte der Iran zwei US-Militärbasen. Die Lage im Nahen Osten ist angespannt.

Im Nachbarland des Iran, dem Irak, sind auch deutsche Truppen stationiert. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen war von 2009 bis 2012 Bundesumweltminister und ist seit 2014 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages.

Röttgen gilt als einer der profiliertesten Außenpolitiker seiner Partei und erklärt im Interview mit t-online.de, ob eine Eskalation im Nahen Osten droht, wie gefährdet die Soldaten der Bundeswehr dort sind – und welche Rolle Deutschland in dem Konflikt nun einnehmen muss.

t-online.de: Herr Röttgen, droht nun ein Krieg im Nahen Osten?

Wir erleben bereits einen Krieg der Worte und der Tweets. Jetzt müssen wir verhindern, dass daraus ein echter Krieg wird, denn die Lage ist offen und nichts ist vorhersehbar. Umso wichtiger ist es jetzt, dass alle Parteien mäßigend auf den Konflikt einwirken.

Hat Trump Ihrer Ansicht nach das mit seiner eher deeskalativen Pressekonferenz am Abend geschafft?

Die Ankündigung von Präsident Trump auf den iranischen Vergeltungsschlag nicht mit neuer Gewalt zu reagieren, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch die Aufforderung an den Iran zur Zusammenarbeit an gemeinsamen Interessen wie der Bekämpfung des IS macht Hoffnung und zeigt, es gibt Raum für Gespräche.

Wie bewerten Sie die Rollen der Kontrahenten USA und Iran?

Beide Länder teilen ein Dilemma: Sie wollen keinen Krieg, können es sich aber innenpolitisch auch nicht erlauben, schwach zu wirken. Hinzu kommt, dass es auf beiden Seiten kein vorausschauendes Konfliktmanagement gab.

Inwiefern?

Die USA kämpfen mit dem Widerspruch, hart gegenüber dem Iran aufzutreten und sich gleichzeitig als Land aus der Region allmählich zurückziehen zu wollen. Demgegenüber hat der Iran mit seinen Aggressionen und Provokationen der letzten Zeit gegenüber den USA eindeutig überzogen. Mit der Tötung des iranischen Generals Soleimani erhielten die Iraner eine harte amerikanische Reaktion, mit der sie nicht gerechnet hatten. Soleimani hatte jahrelang systematisch im Auftrag der iranischen Führung die militärische Expansion des Iran unter Einsatz von terroristischen Mitteln betrieben. Hätte sich der Iran auf sein eigenes Staatsgebiet begrenzt und nicht außerhalb seines Staatsgebiets Terror, Gewalt und Tod verbreitet, gäbe es diesen Konflikt heute nicht.

War die Tötung von Soleimani also ein richtiger Schritt?

Das kann man so einfach nicht sagen. Diese Entscheidung wirft moralische, völkerrechtliche und politische Fragen auf. Wie es sich realpolitisch auswirkt, wird sich erst historisch in der Retrospektive beantworten lassen. Kurzfristig hat sich das Risiko und die Unsicherheit erhöht. Ob es langfristig als ein wirksames und notwendiges Stoppsignal gegen iranische Aggression gewirkt hat, muss man abwarten.

In den USA wäre doch ein erneuter Krieg kaum vermittelbar, viele Menschen dort sind es leid, dass amerikanische Soldaten im Nahen Osten kämpfen und sterben. Wie will Trump das seiner Bevölkerung erklären?

Mit der Tötung von Soleimani änderte Trump sein Verhalten, nachdem er zuvor iranische Aggressionen unbeantwortet gelassen hatte. Mit den Angriffen auf die amerikanische Botschaft in Bagdad hat sich die Lage aber geändert. Dies hat die traumatischen Erinnerungen in den USA an Teheran 1979 und Bengasi 2012 berührt. Eine Wiederholung solcher Ereignisse wollte Trump unbedingt verhindern.

Prognosen des Internationalen Währungsfonds zeigen: Die iranische Wirtschaft ist 2019 wohl um knapp zehn Prozent geschrumpft. Und das wird dieses Jahr eventuell noch mehr. Das Land scheint nicht bereit für einen Krieg.

Einem direkten Krieg mit den USA ist der Iran militärisch bei Weitem nicht gewachsen. Und ja, die Wirtschaft dort ist enorm angeschlagen, innerhalb des Landes gibt es erhebliche Proteste – auch weil immer viel Geld fürs Militär übrig war, während die Bevölkerung notleidet. Das Land steckt in einer Krise und Teheran kann kein Interesse an einem offenen Konflikt mit den USA haben.

Offenbar hat der Iran die Soldaten an den US-Stützpunkten vor dem Raketenangriff gewarnt, gegenwärtig sind keine Todesopfer bekannt. War der Angriff also eher ein symbolischer Akt mit der Botschaft, den Tod eines Generals nicht einfach so hinzunehmen?

Sicher ist: Das war eine erste Maßnahme, um kein Vakuum in der Reaktion entstehen zu lassen. Wir sollten aber nicht darauf vertrauen, dass das schon alles war.

Müsste Deutschland in dem Konflikt denn eine stärkere Rolle einnehmen?

Ja, und nicht nur Deutschland. Ich glaube, dass die jüngste Entwicklung die Europäer und damit auch Deutschland zwingt, gemeinsam dort mehr Verantwortung zu übernehmen.

Das wird eventuell nicht so leicht. Als die USA 2003 eine militärische Intervention im Irak begannen, beteiligten sich einige Länder der EU wie Frankreich und Großbritannien daran – Deutschland beispielsweise aber nicht.

Die Situation ist nun aber eine völlig andere. Es geht jetzt darum, eine Terrororganisation, den IS, in der Region zu besiegen. Und im Gegensatz zu 2003 soll dort kein Regime Change betrieben werden, sondern die Stabilität und Einheit des Irak abgesichert werden.

Auf wen kommt es in dem Konflikt außer der EU noch an?

Präsident Putins Politik hat Russland zu einem wichtigen Machtfaktor in der Region werden lassen. Er muss nun entscheiden, ob Russland nur Krieg führt oder auch bereit ist, Ordnungsverantwortung im Nahen und Mittleren Osten zu übernehmen.

Sollte Bundeskanzlerin Merkel also versuchen, Wladimir Putin bei der Lösung des Konflikts einzubinden, wenn die beiden sich am Wochenende treffen?

Ich denke, das wird sie versuchen. Wir brauchen eine enge und intensive diplomatische Arbeit, um den Konflikt im Irak zu entschärfen und das Land zu stabilisieren.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat bereits erste Bundeswehrsoldaten aus dem Land ausgeflogen. Was denken Sie über einen vollständigen Truppenabzug?

Davon halte ich überhaupt nichts. Das wäre das Gegenteil der beiden Ziele – also einem Sieg über den IS und die Stabilität des Irak – die wir erreichen wollen. Das geht nur mit Präsenz vor Ort.

Wie gefährdet sind die deutschen Soldaten denn in der Region aktuell?

Die iranische Führung hat klar gesagt, dass auch die Alliierten der USA, wozu Deutschland zählt, Ziele von militärischen Schlägen sein können. Der Schutz unserer Soldaten hat für uns oberste Priorität.

Für wie gefährlich halten Sie in dem Konflikt die Tatsache, dass der Iran aus dem Atomabkommen ausgestiegen ist? Welche Rolle könnte das in der Auseinandersetzung spielen?

Zunächst: Mit dem Ausstieg der USA und der Wiedereinführung der Sanktionen gegen den Iran war das Atomabkommen ohnehin faktisch sehr angeschlagen. Nun hat der Iran erklärt, sich nicht mehr an das Abkommen zu halten. Sie haben es aber nicht ausdrücklich aufgekündigt – das heißt, das Abkommen ist zwar nicht tot, aber wirklich lebendig ist es auch nicht mehr. Das ist die Ausgangslage, und damit lebt das alte Problem wieder auf, dass der Iran an der Entwicklung von Nuklearwaffen arbeitet. Dies wiederum würde eine Kette von Folgeproblemen aufwerfen.

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Wenn man es aus einer größeren Perspektive betrachtet: Zeugt die neue Eskalation und unter anderem auch die Resolution aus dem irakischen Parlament, die vorsieht, dass ausländische Truppen abziehen sollen, davon, dass das Engagement des Westens im Nahen Osten in den letzten 15 Jahren ein Fehler war?

Das ist so allgemein schwer zu sagen. Aber es gibt schon eine lange Geschichte der Fehler des Westens im Nahen und Mittleren Osten: eine Abwechslung zwischen Über- und Untermaß in den Handlungen des Westens. Die Europäer haben sich eindeutig zu wenig engagiert. Und die USA haben zwischen Über- und Untermaß gependelt und selten einen Mittelweg gefunden. Die transatlantische Aufgabe besteht jetzt darin, dass die USA und Europäer sich im Dialog mit den relevanten regionalen Akteuren auf diesen gemeinsamen Mittelweg verlässlich verständigen.

Herr Röttgen, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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