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Seehofer kritisiert EU-Staaten: "Unwürdige Situation" auf Mittelmeer


Nach Seenotrettung
Seehofer kritisiert EU-Staaten: "Unwürdige Situation" der Migranten

Von dpa, loe

Aktualisiert am 07.07.2020Lesedauer: 4 Min.
Horst Seehofer: Er krisitiert das Verhalten der EU-Staaten in der Krise am Mittelmeer.Vergrößern des BildesHorst Seehofer: Er krisitiert das Verhalten der EU-Staaten in der Krise am Mittelmeer. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)
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180 Migranten sind nach einer dramatischen Seenotrettung auf ein italienisches Quarantäneschiff gewechselt. Horst Seehofer wirft der EU nun zu wenig Beteiligung und ein zu langsames Handeln vor.

Im Sommer steigt die Zahl der Menschen, die übers Mittelmeer nach Europa kommen. Deutschland gehört zu den wenigen EU-Staaten, die Gerettete aufnehmen. Deshalb geht die Bundesregierung das Problem gleich zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft an.

Zu wenig Staaten beteiligen sich an der Flüchtlingsaufnahme

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat in diesem Rahmen eindringlich an die EU-Staaten appelliert, die Verantwortung für aus Seenot gerettete Migranten gerechter zu verteilen. Die aktuelle Situation sei "nicht würdig" für die EU, sagte der CSU-Politiker am Dienstag am Rande von Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen. Auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson drängte die Länder dazu, eine nachhaltige Lösung zu finden.

Im ARD-"Morgenmagazin" sagte der CSU-Politiker am Dienstag außerdem: "Es kommt ein Schiff an und dann wird in ganz Europa rumtelefoniert: Wer ist bereit?" Von den 27 Mitgliedsstaaten seien aber nur wenige bereit, Geflüchtete aufzunehmen. Europa gebe vor der ganzen Weltöffentlichkeit ein schlechtes Bild ab.

Übergangsregelung inzwischen ausgelaufen

Alle EU-Länder trügen Verantwortung, den Mitgliedsstaaten zu helfen, die Flüchtlinge als erste aufnehmen, wie etwa Italien. Seehofer hatte sich zwar im September 2019 mit seinen Kollegen aus Malta, Italien und Frankreich auf eine Übergangsregelung verständigt, diese ist aber mittlerweile ausgelaufen. Zudem beteiligten sich nur wenige andere Länder wie Irland, Portugal und Luxemburg daran. Dabei hatte Seehofer damals gesagt, er hoffe auf insgesamt 12 bis 14 Länder.

Unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die noch bis Ende des Jahres läuft, will Seehofer das ungelöste Problem nun erneut angehen. In dieser Zeit leitet er die Beratungen der Innenminister und kann die Tagesordnung beeinflussen. Zugleich dämpfte er am Dienstag die Erwartungen: "Ich hoffe, dass wir heute Nachdenklichkeit und Handlungsbereitschaft erreichen. Es ist aber keineswegs gesichert."

Geflüchtete nach über einer Woche weitergeleitet

Im Hafen von Porto Empedocle auf Sizilien haben 180 Migranten das private Rettungsschiff "Ocean Viking" nach über einer Woche endlich verlassen können, um auf eine italienische Quarantänefähre zu wechseln. Die Ausschiffung von 123 Menschen, bei denen negative Corona-Tests vorlagen, sei am späten Montagabend erfolgt, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Die anderen 57 Migranten folgten nach Eintreffen ihrer Testergebnisse.

Eine Sprecherin der Organisation "SOS Mediterranee" als Betreiberin der "Ocean Viking" sagte am Dienstag, die letzten Geflüchteten hätten das Schiff gegen drei Uhr morgens verlassen. "SOS Mediterranee" twitterte Fotos der Geretteten.

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Die Regierung in Rom hatte am Wochenende nach langem Zögern ihre Zustimmung gegeben, das Quarantäneschiff "Moby Zaza" zu nutzen. Die Besatzung der "Ocean Viking" hatte die 180 Menschen am 25. und 30. Juni aus dem Mittelmeer gerettet.

Auf dem Rettungsschiff kam es zu Suizidversuchen

Nachdem Italien und Malta in der Corona-Krise erklärt hatten, den privaten Rettungsschiffen keinen sicheren Hafen mehr bieten zu können, entstanden an Bord immer wieder humanitäre Notlagen. Zuvor rief die "Ocean Viking" den Notstand aus: An Bord warteten die 180 Menschen über eine Woche auf einen sicheren Ort, es hatte innerhalb eines Tages sechs Suizidversuche und einen Hungerstreik gegeben.

Rom und Valletta nahmen zuletzt zwar wieder Menschen von Schiffen auf, doch die Länder zögern mit der Zuweisung von Häfen oft lange. Sie fordern von anderen EU-Staaten regelmäßig Zusagen für die Weiterverteilung der Menschen.

Es gehört sich, "Menschen vor dem Tod zu retten"

Angesichts solcher Vorfälle appellierte Seehofer an die gemeinsamen Werte der 27 EU-Staaten: "Wir sind nicht nur eine Wirtschafts- und Sicherheitsgemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft. Und zu dieser Wertegemeinschaft gehört nach meiner Überzeugung, dass man Menschen vor dem Tod rettet." Man könne die Aufnahme der Menschen auf Dauer nicht südlichen EU-Ländern wie Italien oder Malta überlassen.

Eigentlich macht die Zahl der Migranten, die im Mittelmeer aus Seenot gerettet werden, nur einen Bruchteil der Asylbewerber aus, die jedes Jahr nach Europa kommen. Dennoch ist die die Frage der Seenotrettung aus deutscher Sicht essenziell. Seehofers Idee: Wenn die Verteilung der Aufgaben und Verantwortung für diese kleine Gruppe gelingen würde, könnte das ein Vorbild für eine Reform des gesamten Asylsystems werden, die schon seit Jahren nicht vorankommt.

Deutlich weniger Migranten als 2018

Seit 2018 hat die Bundesregierung die Aufnahme von 1.206 aus Seenot geretteten Bootsmigranten zugesagt. In Deutschland angekommen sind davon allerdings nach Auskunft des Innenministeriums bislang nur 502 Menschen. Das liegt an den oft langwierigen Überprüfungen und auch daran, dass Italien diese Überstellungen in der Regel nicht einzeln durchführt. Dem Vernehmen nach war eine für März geplante Überstellung von rund 300 Geretteten wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden. Zum Vergleich: Allein 2019 wurden in Deutschland mehr als 165.000 Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

Johansson zufolge soll die Frage der Seenotrettung auch Teil ihrer Reformvorschläge für die europäische Asylpolitik sein. Diese werde sie im September vorlegen, sagte die Schwedin. Zuvor müssten sich die EU-Staaten auf die gemeinsamen Finanzen – unter anderem den Aufbauplan nach der Corona-Krise – einigen. Seehofer will das Vorhaben dann bis Ende des Jahres vorantreiben – zu einem Abschluss der Asylreform werde es aber nicht reichen. "Ich wäre schon sehr zufrieden, wenn wir in unserer Präsidentschaft zu den wichtigsten Punkten eine politische Verständigung erreichen könnten", sagte er am Dienstag.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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