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UN-Rede von Joe Biden: Das steckt hinter seinen freundlichen Worten


Bidens UN-Rede
Die Europäer müssen auf das Kleingedruckte achten

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

21.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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US-Präsident Joe Biden: Freundlich, aber deutlich.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Joe Biden: Freundlich, aber deutlich. (Quelle: imago-images-bilder)

Zwar wirkte Joe Bidens erste Rede vor den Vereinten Nationen versöhnlicher als die von Donald Trump. Doch auch hinter seinen blumigen Worten stecken klare Ansagen der USA an die Welt.

Bei öffentlichen Auftritten von Politikern geht es immer auch um Symbolik. So war es durchaus auffällig, an welcher Stelle das offizielle Protokoll Joe Bidens erste Rede als US-Präsident vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York vorgesehen hatte. Anders als zuletzt Donald Trump eröffnete die Debatte der 76. Versammlung nicht der amtierende US-Präsident, sondern Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro.

Joe Biden bekam damit gleich ein anschauliches Beispiel für zwei der aktuell größten Probleme der Menschheit: die Bewältigung der Covid-19-Pandemie und den fortschreitenden Klimawandel.

Denn Bolsonaro ist ein Mann, der hartnäckig ungeimpft bleiben will. Derweil sind rund 600.000 Menschen in Brasilien an Covid-19 gestorben. Zuletzt explodierten die Infektionszahlen erneut. Schon einen Tag zuvor brachte dem Präsidenten ein Foto deshalb viel Spott ein. "Jair Bolsonaro muss seine Pizza auf dem Bordstein in New York essen", wurde weltweit kolportiert.

Ob Bolsonaro wirklich drinnen essen wollte, ist nicht belegt. Aber dass ungeimpfte Personen nicht in New Yorker Restaurants hineindürfen, ist Gesetz. Bolsonaro steht jedoch nicht nur wegen seiner Corona-Politik in der Kritik, sondern auch wegen der Abholzung des Regenwaldes in Brasilien. Sowohl für schnelle Impfungen in seinem Land, als auch für die Klimabemühungen gelobte Bolsonaro in seiner Rede dann, sich ins Zeug zu legen.

"America-First"-Ansagen

Nachdem das Rednerpult ausreichend desinfiziert war, sprach einige Minuten später der US-Präsident. Erwartungsgemäß stieg er ein mit der Pandemie, hangelte sich durch die Klimafragen und versuchte die USA als Global Player zu verkaufen, der "zurück am Tisch" sei. Sein Land würde weitere Millionen Impfdosen an ärmere Länder geben und bis 2050 würden auch die Vereinigten Staaten mit vereinten, innovativen Kräften klimaneutral sein.

Auch wenn solche Reden in der Regel voller Lippenbekenntnisse sind: Bemerkenswert war die Rede Joe Bidens trotzdem. Denn so friedlich und verbindlich sie auch schien, war sie voller klarer "America-First"-Ansagen.

Zum ersten Mal seit 20 Jahren, so Biden, würde hier ein US-Präsident sprechen, der sich nicht in einem Krieg befände. Dabei ist der Krieg gegen den Terror und damit auch der Krieg gegen Zivilisten keineswegs zu Ende. Drohnenangriffe sollen ausgeweitet werden. Erst zuletzt mussten die USA eingestehen, dass bei einem Angriff in Afghanistan zahlreiche Unbeteiligte getötet wurden, darunter auch viele Kinder. Der Abzug aus Afghanistan bedeutet zwar das offizielle Ende der Besatzung mit Bodentruppen seit 2001, aber mehr auch nicht.

Biden versuchte, die USA als ein Land zu präsentieren, das die Probleme der Welt nicht mehr mit Gewalt zu lösen beziehungsweise die Interessen der USA durchzusetzen versucht, sondern mit Diplomatie. "Die militärische Stärke der USA muss unser letztes Mittel sein, nicht unser erstes", sagte Biden.

"Kein neuer Kalter Krieg"

Hinsichtlich des globalen Wettkampfs mit China sprach der US-Präsident, ohne das Land dabei namentlich zu nennen: "Wir streben keinen, ich sage es noch einmal, wir streben keinen neuen Kalten Krieg an oder eine Welt, die in starre Blöcke geteilt ist." UN-Generalsekretär António Guterres hatte vor dieser Entwicklung einen Tag zuvor noch eindringlich gewarnt.

Bidens Worte waren die eines Diplomaten. Tatsächlich hatten die USA erst vor wenigen Tagen gemeinsam mit Großbritannien und Australien das neue Sicherheitsbündnis "Aukus" gegründet, in dessen Rahmen unter anderem nukleare U-Boot-Antriebstechnologie an Australien geliefert werden soll. Mit diesem Vorgehen hatte die Biden-Regierung nicht nur China verärgert, sondern auch seine europäischen Verbündeten, insbesondere Frankreich und Deutschland.

Joe Biden wurde dennoch nicht müde immer wieder davon zu sprechen, dass multilateral nach Lösungen gesucht werden müsse. "Wir müssen gemeinsam handeln wie niemals zuvor", sagte Biden. Die Europäer aber werden auf das Kleingedruckte achten müssen. Der US-Präsident schob nämlich hinterher, dass es dabei erwartungsgemäß zuallererst um die Interessen Amerikas gehe. Und dass diese nur, "wenn immer es möglich ist, gemeinsam mit unseren Alliierten" durchgesetzt würden.

Biden ist nicht Trump. Das macht es einfacher und schwerer zugleich. Denn auch hinter blumigen Worten steckt Machtpolitik.

China bleibt der Hauptgegner

Auffällig häufig sprach Joe Biden auch von den Gefahren, die neue Technologien mit sich bringen würden. Diese müssten zum Wohle der Menschen eingesetzt werden, und um Probleme zu lösen. "Nicht, um Minderheiten zu unterdrücken", so der Präsident. Auch das ein impliziter Verweis an den Rivalen China, der kritisiert wird, die eigene Volksgruppe der muslimischen Uiguren per digitaler Überwachung zu unterdrücken. Auch die andauernden Cyberangriffe sprach Biden an und forderte ein globales Reglement ein, an das sich dann alle Staaten halten müssten.

Die rund halbstündige Rede Joe Bidens war insgesamt gespickt mit Formulierungen, die Zuhörer bereits aus seinen Wahlkampfreden, seiner Antrittsrede und seiner Rede an die Nation kannten. So brachte der US-Präsident mit "Building back better" sogar sein derzeit wichtigstes Projekt unter – den milliardenschweren Infrastrukturdeal. Hier steht er insbesondere deswegen unter Druck, weil er selbst unter Demokraten keine Mehrheit zu bekommen droht.

"Wir müssen jetzt handeln", schloss Biden seine Rede noch einmal in Bezug auf die Klimafragen. Es dürfe keine Zeit mehr verloren werden. Nach ihm sprach, und auch das dürfte keine zufällige Symbolik gewesen sein, Ibrahim Mohamed Solih, der Präsident der Malediven. Jene Inselgruppe im Indischen Ozean, die mit als erstes von der globalen Landkarte verschwinden dürfte, wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt und die Pariser Klimaziele verfehlt werden.

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