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Annalena Baerbock reist nach Flugzeug-Panne weiter: Was sie nun erwartet


Baerbock auf dem Weg nach Australien
Kohle, Kühe, Klimaflucht


Aktualisiert am 14.08.2023Lesedauer: 6 Min.
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Annalena Baerbock am Strand von Palau: Im Juli 2022 besuchte sie den Pazifikstaat.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock am Strand von Palau: Im Juli 2022 besuchte sie den Pazifikstaat. (Quelle: Thomas Imo/photothek.net/imago-images-bilder)

Annalena Baerbock reist nach Australien, Neuseeland und Fidschi. Auf dem Programm steht auch die Klimakrise – in ganz unterschiedlicher Form.

Annalena Baerbock ist unterwegs an das andere Ende der Welt: Nach einer Flugzeugpanne geht es mit einem Tag Verspätung nach Australien, danach einen Tag nach Neuseeland und zwei in den pazifischen Inselstaat Fidschi. Wie fast immer, wenn die grüne Außenministerin auf Reisen ist, geht es auch um die Klimakrise – Klimaaußenpolitik hatte sie sich bei Amtsantritt auf die Fahne geschrieben. Als sie im vergangenen Jahr schon einmal in der Pazifikregion unterwegs war, gingen die Bilder von ihr am Strand von Palau um die Welt.

Auch bei dieser Reise der Ministerin steht der steigende Meeresspiegel wieder auf der Agenda – vor allem in Fidschi, diesmal die letzte Station des Trips, sind die Menschen von ihm bereits akut bedroht. Die anderen beiden Länder haben unterdessen ganz andere Probleme. Baerbock erwartet somit ein klimapolitisches Kontrastprogramm – mit einem gemeinsamen Feind: der Erderhitzung und ihren Auswirkungen.

Station eins: Das Kohle-Land Australien

Ihre erste Station: Australien. Das Land "down under" hat in Klimabelangen den Ruf weg, vor allem eines zu sein: eingedreckt vom Kohlestaub. Mehr als die Hälfte des australischen Stroms wurde 2021 noch durch Kohle erzeugt. Das "schwarze Gold" ist eines der Top-Exportgüter.

Nach absoluten Zahlen verursacht das Land 1,09 Prozent der globalen Emissionen. Umgerechnet auf die rund 25 Millionen Einwohner rankt Australien im weltweiten Vergleich allerdings auf Platz sieben der größten Klimaverschmutzer. Das liegt vor allem an der langen Untätigkeit der konservativen Regierungen ab 2013, zuletzt unter Scott Morrison.

2022 wurde dieser abgelöst von Labor-Politiker Anthony Albanese. Er gelobte Besserung und verpasste den australischen Klimazielen ein Update. Bis 2030 sollen nun 43 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als 2005, das neue Ziel ist damit fast doppelt so hoch wie das der Morrison-Regierung. Wie es erreicht werden soll, bleibt jedoch auch unter Albanese noch ein großes Fragezeichen.

Ein Beispiel: Albanese hält an der Stärkung der Gasinfrastruktur fest. Den "gasbefeuerten Aufschwung" hatte schon die Regierung Morrison ins Leben gerufen – er soll die australische Wirtschaft nach der Corona-Pandemie wieder aus dem Knick bringen. Die Internationale Energieagentur gibt allerdings an, dass keinerlei neue Öl- oder Gasfelder mehr erschlossen werden dürfen. Denn die Welt soll bis 2050 emissionsfrei werden – diesem Ziel hat sich auch Australien verschrieben.

Ob es das Gas für die Energieversorgung überhaupt braucht, ist derweil fraglich: Australien hätte massig Potenzial für erneuerbare Energien – Wind und Sonne sind mehr als genug vorhanden, werden aber zu wenig genutzt. Kürzlich warnte die nationale Energiebehörde vor Stromengpässen: Die alternden Kohlekraftwerke drohten in den kommenden Jahren vom Netz zu gehen, bevor Ökostrom in ausreichender Kapazität zur Verfügung stünde. Einen politischen Plan für einen geordneten Kohleausstieg gibt es allerdings noch immer nicht.

Auch deswegen gilt die australische Klimapolitik in der Analyse des "Climate Action Trackers" als unzureichend. Die Experten kritisieren auch die mangelhafte finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprojekten in Schwellen- und Entwicklungsländern, zu denen sich die Industrienationen eigentlich verpflichtet hatten.

Der Climate Action Tracker ist ein wissenschaftliches Projekt, das die Auswirkungen von klimapolitischen Maßnahmen dem Pariser Klimaschutzziel gegenüberstellt. Betrachtet werden die größten Emissionsverursacher. Betrieben wird das Projekt von Wissenschaftlern der Berliner Non-Profit-Organisation Climate Analytics und dem Berliner Forschungsinstitut New Climate Institute. Die Kategorien reichen von "völlig unzureichend" bis "1,5-Grad-kompatibel". In letzterer Kategorie wird derzeit kein Land eingestuft. Die deutsche Klimapolitik gilt als "unzureichend" und liegt damit im Mittelfeld.

In die Klimafinanzen ist nun allerdings Bewegung gekommen. Am Dienstag wurde bekannt, dass Australien künftig seine Entwicklungspolitik im Indo-Pazifik an der Klimakrise ausrichten wird – wohl auch aufgrund der Befürchtung, China könnte die immer häufigeren Naturkatastrophen in den oft ärmeren Staaten unter dem Deckmantel der Aufbauhilfe für seine territorialen Ambitionen ausnutzen. In der Praxis heißt das: Von Australien finanzierte Straßen müssen so gebaut werden, dass sie trotz des steigenden Meeresspiegels noch befahrbar sind, Schulen müssen zyklonsicher konzipiert werden. Baerbock dürfte das freuen – auch die deutsche Bundesregierung treibt die klimasichere Entwicklungszusammenarbeit voran.

Und noch eine Entscheidung von Anthony Albanese dürfte die Bundesregierung begrüßen: Im Juli trat Australien dem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) initiierten "Klima-Klub" der G7-Staaten bei. "Man kann den Klimawandel nicht nur als nationales Problem angehen. Es muss per Definition eine globale Antwort sein", sagte Albanese bei einer Pressekonferenz mit Scholz. Worte, wie sie auch Baerbock regelmäßig sagt.

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Station zwei: Neuseeland und sein Kuhproblem

Eng zusammen arbeitet Australien in Sachen Klimapolitik auch mit Neuseeland, Baerbocks zweite Station auf ihrer Reise. Erst im Juni etablierten die zuständigen Minister für Klima und Finanzen ein 2+2-Format, das von nun an jährlich stattfinden soll. Australiens östlicher Nachbar verursacht nach absoluten Zahlen 0,13 Prozent der Emissionen. Nicht viel im weltweiten Vergleich, umgerechnet auf die Einwohnerzahl landet das Land auf Platz 46.

Vor allem seitdem die Ausläufer des Zyklons "Gabrielle" Neuseeland im Februar dieses Jahres hart trafen, gewann die Debatte um die neuseeländische Klimapolitik an Fahrt. Der Wirbelsturm traf vor allem die Nordinsel und verursachte Sturzfluten und Erdrutsche. Elf Menschen starben, Tausende verloren ihr Zuhause. Nur Wochen zuvor hatte die Millionenstadt Auckland unter Wasser gestanden, nachdem an einem einzelnen Tag so viel Regen gefallen war wie sonst in einem ganzen Sommer.

"Der Klimawandel ist jetzt eindeutig da, und wenn wir nicht handeln, wird er noch schlimmer werden", sagte Klimawandelminister James Shaw nach der Doppelkatastrophe im neuseeländischen Parlament.

Die Experten des Climate Action Trackers aber stufen die Klimapolitik des Landes sogar noch schlechter ein als die Australiens: als "hochgradig unzureichend". Dabei befinden sich die im November 2021 verschärften Klimaziele des Landes – eine Emissionsreduktion von 50 Prozent bis 2030, verglichen mit 2005 – fast auf Kurs des 1,5-Grad-Ziels aus dem Klimaschutzabkommen von Paris. Doch die Analysten urteilen: Die tatsächlichen Maßnahmen würden dem nicht gerecht, außerdem rechne die Regierung die Klimabilanz schön.

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Ein Beispiel: Im Kampf gegen die Treibhausgase setzt die neuseeländische Regierung auf einen Emissionshandel – die Verursacher müssen für ihren CO2-Ausstoß zahlen. Das Hauptproblem, die Landwirtschaft, ist davon jedoch ausgenommen. 40 Prozent der Gesamtemissionen des Landes gehen auf den Methanausstoß der Landwirtschaft, vor allem auf die Rülpser der zehn Millionen Kühe des Landes, zurück.

Schon im Oktober 2022 gab die neuseeländische Regierung, damals noch unter Premierministerin Jacinda Ardern, bekannt, auf die durch Rülpser und Urin von Nutztieren verursachten Emissionen Steuern erheben zu wollen. Es wäre die erste derartige Maßnahme weltweit – sie scheitert aber bislang am massiven Widerstand der Agrarindustrie.

Ungewöhnliche Wege geht Neuseeland dagegen schon jetzt beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Um das Land bis 2035 auf 100 Prozent erneuerbare Energie umzustellen, kooperiert die neuseeländische Regierung mit dem US-Finanzriesen Blackrock. Zwei Milliarden neuseeländische Dollar soll der neue Fonds umfassen, zu investieren in Solar- und Windkraft, grünen Wasserstoff und Batteriespeicher-Technologien.

Station drei: Fidschi und sein Umsiedlungsprogramm

Von derartigen Investitionen träumt das Land, welches Baerbock als drittes besucht. Fidschi kämpft wie die anderen Inselstaaten im Pazifik an vorderster Front gegen die Auswirkungen der Klimakrise, die sie nicht mitverursacht haben. Der kleine Staat mit seinen 333 Inseln und knapp unter einer Million Einwohner verzeichnet verschwindend geringe Emissionen. 75 Prozent der Bevölkerung leben in Abhängigkeit von der Küste und sind damit vom steigenden Meeresspiegel und stärkeren Stürmen besonders bedroht.

2014 zog das erste Dorf um: Vunidogoloa und seine 140 Einwohner kämpften mit dem eindringenden Salzwasser des Meeres und immer häufigeren Überschwemmungen. Seitdem wurden noch fünf weitere Dörfer umgesiedelt, 42 Dörfer warten noch auf die Flucht vor den Folgen der Klimakrise. Seit dem Frühjahr gibt es dafür sogar ein bürokratisches Standardverfahren – mitentworfen von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und mitfinanziert von der Bundesregierung. Vor allem die indigene Bevölkerung verliert bei den Umsiedelungen nicht nur ihr Zuhause und ihren Lebensmittelpunkt, sondern auch die kulturelle Verwurzelung im Land ihrer Vorfahren.

Im Fokus der Klimapolitik Fidschis stehen auch aufgrund der indigenen Bevölkerung naturbasierte Lösungen. Statt Schutzwänden aus Beton setzt der Inselstaat so zum Beispiel auf naturnahe Deiche – und hofft dabei auf die finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.

Dass hierher nun erstmals eine deutsche Außenministerin reist, ist daher auch ein Zeichen an das Land und seine Nachbarn im Pazifik. Anfang Mai eröffnete Baerbock ihre Rede beim Petersberger Klimadialog – einem internationalen Austauschformat zur Klimapolitik in Berlin – mit dem fidschianischen Standardverfahren zur Klima-Umsiedlung. Man müsse die Ärmel hochkrempeln, sagte sie damals. Beim Besuch in Fidschi werden es wohl erst einmal die Hosenbeine sein.

Verwendete Quellen
  • climateactiontracker.org: Australia
  • climateactiontracker.org: New Zealand
  • climatepolicydatabase.org
  • climate-laws.org
  • voanews.com: "Climate and Gender at Center of Australian Aid Revamp in Indo-Pacific"
  • washingtonpost.com: "Australian aid policy to focus on climate — and countering China"
  • apnews.com: "Australia joins G7-backed ‘climate club’ and promises to drive down greenhouse gas emissions"
  • climatechangenews.com: "Australia will update the ‘fantasy’ net zero plan it inherited"
  • iea.org: "Australia has raised its climate targets and now needs to accelerate its clean energy transition, says new IEA review"
  • iea.org: "New Zealand can use its clean electricity strengths to decarbonise its energy system, says new IEA report"
  • reuters.com: "New Zealand, BlackRock to launch $1.22 bln climate infrastructure fund"
  • dcceew.gov.au: "Australia and New Zealand make statement at inaugural Climate and Finance Dialogue"
  • cnn.com: "Water carved New Zealand’s stunning landscape. Now too much is risking lives"
  • bbc.com: "Cyclone Gabrielle: The New Zealand flood victims too scared to go home"
  • dw.com: "New Zealand plan to tax cow burps angers farmers"
  • thecommonwealth.org: "Blog: How Fiji is turning to nature to cope with climate change"
  • energy.gov.au: "Australian electricity generation - fuel mix"
  • data.worldbank.org: "CO2 emissions (metric tons per capita)"
  • theguardian.com: "How to move a country: Fiji’s radical plan to escape rising sea levels"
  • auswaertiges-amt.de: "Rede von Außenministerin Annalena Baerbock beim 14. Petersberger Klimadialog"
  • fijiclimatechangeportal.gov.fj: "Standard Operating Procedures for Planned Relocation in the Republic of Fiji"
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