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Ukraine-Krieg: Söldner aus 72 Nationen kämpfen gegen Russland


"Das sind tapfere Krieger"
Ausländische Söldner strömen an die Ukraine-Front


09.08.2025 - 13:01 UhrLesedauer: 6 Min.
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EIn ukrainischer Soldat feuert nahe Torezk mit Artillerie auf russische Stellungen (Archivbild): Mittlerweile stehen Soldaten aus 72 Nationen in den Diensten Kiews. (Quelle: IMAGO/Diego Herrera Carcedo/imago)
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Tausende Ausländer kämpfen in den ukrainischen Reihen. Ihre Zahl hat zuletzt deutlich zugenommen. Heraus sticht dabei besonders eine Gruppe.

Laut dem ukrainischen Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj hat sein Land "keine andere Wahl". Russlands Streitkräfte hatten seinen Angaben zufolge im Juli zwar rund 33.200 Verluste zu verzeichnen, vergrößerten ihr Truppenkontingent in der Ukraine monatlich dennoch um rund 9.000 Soldaten. Die Mobilisierung für die ukrainische Armee müsse also weitergehen, erklärte Syrskyj am Dienstag in einem Beitrag auf Facebook.

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Der Personalmangel ist das gravierendste Problem der ukrainischen Streitkräfte. Mittlerweile ist die Mobilmachung das wichtigste Gegenmittel, da sich kaum noch Freiwillige zur Armee melden. Die Zwangsrekrutierung ist jedoch unpopulär. Immer wieder tauchen Videos in sozialen Netzwerken auf, die zeigen, wie Männer von der Straße in Busse gezerrt werden, die sie dann zu Zentren der Armee transportieren. Angehörige beklagen, dass etwa chronische Krankheiten oft nicht berücksichtigt würden.

So gewinnt zunehmend ein zweiter Weg an Bedeutung, um neue Soldaten zu rekrutieren: die Aufnahme internationaler Freiwilliger in die Reihen der ukrainischen Armee. Nach Angaben von Kiews Streitkräften kämpfen mittlerweile Soldaten aus 72 Nationen für die Ukraine. Und im Gegensatz zur heimischen Entwicklung melden sich demnach mittlerweile monatlich mehr als dreimal so viele ausländische Freiwillige wie zu Beginn des russischen Überfalls 2022.

Wer sind die ausländischen Freiwilligen? Was motiviert sie, in den Ukraine-Krieg zu ziehen, der sich in manchen Fällen zehntausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt abspielt? Und warum steigt ihr Anteil ausgerechnet jetzt?

16.000 ausländische Kämpfer in den ukrainischen Reihen?

Aus welchen Nationen die Freiwilligen genau kommen, wollte Kostjantyn Milewski, Leiter der Koordinierung des Militärdiensts von Ausländern in den Streitkräften der Ukraine, im Interview mit dem Sender Hromadske nicht verraten.

Nur so viel: Insgesamt 8.000 ausländische Söldner kämpfen seinen Angaben nach allein in den Landstreitkräften. Über alle Teilstreitkräfte hinweg könnten es mehr als doppelt so viele sein, erklärte Milewski vage. Auch sollen schätzungsweise bis zu 500 Deutsche in der Ukraine kämpfen. Den Löwenanteil von etwa 40 Prozent stellen laut Milewski jedoch Südamerikaner, vorrangig stammen diese aus Kolumbien.

Kolumbianische Söldner sind international begehrt

Kolumbianer sind überall dort nicht weit, wo es auf der Welt Konflikte und Bedarf an Söldnern gibt. Das Land befindet sich seit den 1940er-Jahren dauerhaft in einem internen bewaffneten Konflikt, in den sowohl Guerillas und paramilitärische Gruppen als auch spätestens seit den 1980er-Jahren Drogenkartelle verwickelt sind. Zwar schloss die Regierung 2016 einen Friedensvertrag mit der größten Guerilla Farc, dennoch sind weiterhin allerlei bewaffnete Banden in dem Land aktiv.

Durch Jahrzehnte der Aufstandsbekämpfung hat sich das kolumbianische Militär zu einer schlagkräftigen und kampferfahrenen Truppe entwickelt – auch mit Milliardenhilfen aus den USA. Das macht die Kolumbianer international zu begehrten Kämpfern. So nehmen etwa arabische Länder sie als Personenschützer unter Vertrag, aber auch im blutigen Bürgerkrieg im Sudan mischen sie mit. Erst am Mittwoch schoss die sudanesische Armee ein Flugzeug im Landeanflug auf die Region Darfur ab. An Bord: rund 40 kolumbianische Söldner, die für die aufständische RSF-Miliz ihren Dienst antreten sollten.

Der Sudan liegt weit entfernt von Kolumbien, ebenso wie die Ukraine. Während die RSF-Miliz in dem afrikanischen Land von Russland unterstützt wird, kämpfen die Kolumbianer in der Ukraine aber gegen die russische Invasionsarmee. Ideologische Gründe scheint der Einsatz in Kriegsgebieten also eher nicht zu haben. Was treibt die Kolumbianer dann an?

Die Hauptmotivation ist wohl der Sold

Ihre Motivation ist zumindest in der Ukraine offenbar vor allem der Sold. "Tatsächlich haben sie selbst mehrfach zugegeben, dass das Gehaltsniveau in den Streitkräften der Ukraine derzeit deutlich höher ist als in ihren eigenen Streitkräften", sagte der ukrainische Koordinator Milewski über die ausländischen Kämpfer. Es handele sich jedoch um Menschen mit militärischer Erfahrung, "und deshalb wollen sie das, was sie in ihren Ländern getan haben, fortsetzen und diese Erfahrung hier verbessern".

In der kolumbianischen Armee ist der Sold niedrig: Je nach Rang und Erfahrung verdient ein einfacher Berufssoldat umgerechnet zwischen 340 und 750 Euro im Monat. Die Ukraine lockt hingegen mit einem Sold von durchschnittlich 2.500 bis 3.500 Euro, in Sonderfällen sogar bis zu knapp 4.000 Euro.

Video | Drohnenangriff setzt russischen Bahnhof in Brand
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Quelle: t-online

"Die Arbeit der kolumbianischen Truppen hat auf dem Schlachtfeld erheblich geholfen"

Mittlerweile sind so viele kolumbianische Söldner in die Ukraine gekommen, dass sie innerhalb der 47. selbstständigen mechanisierten Brigade der ukrainischen Armee eine eigene Kompanie von rund 2.000 Soldaten bilden. Dazu gehören auch einige wenige Männer aus Brasilien, Italien, Mexiko, Peru und Simbabwe.

Bisher wurde die Einheit in der nordöstlichen Region Sumy und auf russischem Boden in Kursk eingesetzt. Das führte zu der surrealen Situation, dass südamerikanische Söldner in der russischen Grenzregion gegen nordkoreanische Soldaten kämpften, die dort die Kremltruppen unterstützen.

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Das Kommando der Kompanie zeigte sich im Gespräch mit dem ukrainischen Portal "United24Media" mit dem Einsatz der Südamerikaner hochzufrieden: "Die Arbeit der kolumbianischen Angriffstruppen zeigt großartige Ergebnisse und hat auf dem Schlachtfeld erheblich geholfen." Sie seien "mutig und mitfühlend", denn sie evakuierten nicht nur ihre Verwundeten, sondern auch verletzte Ukrainer. "Das sind tapfere Krieger, die bereit sind, die schwierigsten Missionen zu übernehmen."

Ein ukrainischer Ausbilder betonte in einem Interview mit der britischen Zeitung "The Times", dass er die Kolumbianer wohl den ukrainischen Rekruten vorzieht: "Die Kolumbianer sind viel besser als die derzeitigen neuen ukrainischen Soldaten, weil sie nicht gegen ihren Willen hierher verschleppt wurden", wird der Mann namens Bohdan zitiert. "Unsere Jungs sind besessen von Gedanken darüber, wie sie alle sterben werden, wie sie auf Selbstmordmissionen geschickt werden und so weiter. Sie wollen nicht lernen und haben keine Motivation."

Kolumbianer kritisieren Umgang der Ukraine mit ihnen

Diese Wertschätzung bekommen in der Realität jedoch wohl nicht alle Kolumbianer zu spüren. In sozialen Netzwerken und traditionellen Medien kursieren Stellungnahmen mancher Kämpfer, die sich von den Versprechen der Ukrainer hinters Licht geführt fühlen. Es geht um ihren Sold, aber auch um mutmaßliche Ungleichbehandlung auf dem Gefechtsfeld. Ihre Berichte decken sich mit den Recherchen ukrainischer Medien, die seit 2022 mehrfach Missstände in der Internationalen Legion aufdeckten.

Im Gespräch mit dem kolumbianischen Sender WRadio kritisierte ein Söldner Ende Juni, dass die ausländischen Freiwilligen nur dann ausreichend Unterstützung bekämen, wenn sie Seite an Seite mit Ukrainern kämpften. Verletzte müssten sich in einigen Fällen sogar selbst evakuieren.

Ein weiterer Söldner berichtete dem Portal "Infobae", dass er über zwei Monate hinweg dauerhaft im Kampfeinsatz gewesen sei, den dafür versprochenen Sold jedoch nicht in voller Höhe erhalten habe. Beide Männer sprachen von horrender Korruption im System zur Rekrutierung ausländischer Söldner.

Ukraine erlaubt Ausländer im Offiziersrang

Die Ukraine versucht seit vergangenem Jahr, die Bedingungen der internationalen Freiwilligen zu verbessern. Seit Oktober können diese auch in Offiziersränge befördert werden. Zuvor ging die Karriereleiter für Ausländer nur bis zum Unteroffizier. Seit April kommt der ukrainische Staat zudem für Reisekosten der Freiwilligen auf.

Solche Maßnahmen sowie der vor allem für Menschen aus dem Globalen Süden weiterhin vergleichsweise hohe Sold scheinen Wirkung zu zeigen. Die Zahl der Freiwilligen steigt – trotz der offensichtlichen Gefahren und der hohen Wahrscheinlichkeit, an der Front sein Leben zu lassen. Meldeten sich laut der ukrainischen Armee zu Beginn der russischen Invasion nur zwischen 100 und 150 ausländische Freiwillige pro Monat, sind es demnach mittlerweile bis zu 600.

Wie viele der Freiwilligen den Kampfeinsatz überleben, ist nicht bekannt. Die Ukraine macht generell keine Angaben über eigene Verluste. Die Zahl der getöteten Ausländer dürfte insgesamt jedoch im vierstelligen Bereich liegen. Das kolumbianische Außenministerium erklärte im Februar, dass 64 Kolumbianer in der Ukraine getötet worden seien, 122 weitere galten damals als vermisst. Laut den Berichten kolumbianischer Söldner kehren zudem Dutzende verletzt von der Front zurück.

Mehrere Söldner in russischer Haft

Andere haben es nicht bis nach Hause geschafft. Im vergangenen Jahr nahmen venezolanische Sicherheitsbehörden zwei Kolumbianer am Flughafen von Caracas fest, die von der Ukraine-Front in ihre Heimat zurückkehren wollten. Das mit dem Kreml verbündete Regime in Venezuela schickte die Männer postwendend nach Russland, wo sie vor Gericht kommen sollen. Noch steht ihr Urteil aus. Zwei andere Kolumbianer wurden wegen Söldnertums in Russland bereits zu neun beziehungsweise 28 Jahren Haft verurteilt. Russland setzt in der Ukraine selbst auf ausländische Söldner.

Dennoch werden die Rekrutierungen voraussichtlich ohne Unterlass weitergehen. Beide Seiten sind aufeinander angewiesen: Die Ukraine braucht neue Soldaten und die Kolumbianer werden mit ökonomischen Argumenten gelockt.

Die ukrainische Armee spezialisiert sich zudem weiter auf Lateinamerikaner: Der Internetauftritt des Rekrutierungszentrums bietet eine ganze Reihe an Erfahrungsberichten von Kämpfern aus Kolumbien, Peru oder Guatemala. Außerdem finden sich detaillierte Informationen zur Anreise aus Südamerika – und von keinem anderen Kontinent.

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