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Lambrecht-Nachfolger: Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister


Nach Lambrechts Rücktritt
Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister

Von dpa, afp, lw

Aktualisiert am 17.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Boris Pistorius: Er folgt auf die bisherige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. (Quelle: reuters)

Der Nachfolger für Christine Lambrecht steht fest: Boris Pistorius übernimmt die Leitung des Verteidigungsministeriums. Die Erwartungen sind hoch.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werde den 62-Jährigen als neuen Verteidigungsminister ins Bundeskabinett berufen, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstag mit. Pistorius werde am Donnerstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde erhalten und im Bundestag seinen Amtseid leisten.

Scholz bezeichnete Pistorius als "herausragenden Politiker unseres Landes". "Pistorius ist ein äußerst erfahrener Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen", erklärte der Kanzler am Dienstag in Berlin.

Vorgängerin Christine Lambrecht hatte am Montagmorgen schriftlich erklärt, dass sie Scholz um Entlassung gebeten habe. Die SPD-Politikerin stand bereits seit Monaten in der Kritik, unter anderem wegen eines missglückten Silvestervideos und der Zögerlichkeit bei Waffenlieferungen an die Ukraine. Hier lesen Sie mehr dazu.

Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker

In den vergangenen Tagen waren mehrere andere Namen als mögliche Nachfolger genannt worden, darunter Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, SPD-Chef Lars Klingbeil und die Wehrbeauftragte Eva Högl. Pistorius ist eine Überraschung, findet auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). "Eine Schonfrist bekommt er angesichts der dramatischen internationalen Lage und dem Zustand der Bundeswehr nicht", sagte sie t-online. Mehr dazu lesen Sie hier.

Der niedersächsische Innenminister gilt als erfahrener Polit-Manager. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Obwohl er stets in der Landespolitik blieb, war er auch an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt.

Bei den Innenministerkonferenzen machte es dem als pragmatisch geltenden Pistorius immer sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf offener Bühne zu streiten, schlagfertig, mit spitzen Bemerkungen, aber nie respektlos. Zur Idealbesetzung für den Posten des Verteidigungsministers macht Pistorius vielleicht auch sein Alter. Mit 62 Jahren kann ein Politiker ganz entspannt das Chefbüro im Bendlerblock beziehen, das gemeinhin als Schleudersitz und damit auch als potenzieller Karrierekiller gilt.

Parität im Bundeskabinett aus dem Gleichgewicht

Pistorius wurden immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, sofern Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt.

Pistorius absolvierte eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Von 1980 bis 1981 absolvierte er seinen Wehrdienst, anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster. Pistorius ist bereits seit 2013 Innenminister in Niedersachsen, vor wenigen Monaten begann seine dritte Amtszeit. Zuvor war er von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. Der neue Verteidigungsminister ist verwitwet und hat zwei Töchter.

Mit einem Mann als Nachfolger für Lambrecht wird die von Scholz eigentliche angestrebte Parität im Bundeskabinett aus dem Gleichgewicht gebracht. Bisher hatten acht Männer und acht Frauen Ministerposten inne, ohne weitere Umstellungen würde sich das Verhältnis nun auf neun Männer und sieben Frauen verschieben.

Zahlreiche Baustellen

Lambrecht hinterlässt der künftigen Ressortleitung eine ganze Reihe von Baustellen. So steht die Modernisierung der Bundeswehr unter anderem mithilfe des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens ganz am Beginn. Bisher wurden erst Verträge über gut zehn Milliarden Euro geschlossen. Die Aufrüstung hatte Kanzler Scholz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar vergangenen Jahres verkündet.

Unklar ist auch, wie es mit den Waffenlieferungen an die Ukraine weitergeht. Nachdem die Bundesregierung zuletzt die Lieferung von Marder-Schützenpanzern beschlossen hatte, drehen sich die aktuellen Debatten darum, dem angegriffenen Land Leopard-Kampfpanzer bereitzustellen. Dauerbaustellen bei der Truppe sind auch Mängel bei zahlreichen Waffensystemen wie zuletzt beim Schützenpanzer Puma und Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Munition.

Debatte um Kampfpanzer-Lieferungen

Auch der geordnete Rückzug aus dem UN-Einsatz Minusma in Mali steht auf der Agenda des oder der künftigen "Ibuk", des Inhabers oder der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt. Nach einer Entscheidung der Bundesregierung soll das bis Mai 2024 geschehen.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter wies darauf hin, dass sich am Freitag Vertreter der westlichen Verbündeten der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz treffen. Wer Lambrechts Nachfolge antrete, müsse "sofort die Führung und Koordinierung der militärischen Unterstützung der Ukraine übernehmen oder zumindest die deutsche Blockade beenden", sagte Kiesewetter den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Denn Deutschland sollte endlich die Führung bei der Koordinierung einer Leopard-Allianz übernehmen, um dem selbstgesetzten Anspruch einer Führungsrolle gerecht zu werden."

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Weniger Bürokratie und mehr Investitionen

Der Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr, Patrick Sensburg, forderte derweil eine klare Führung des Verteidigungsministeriums. Von der Lambrecht-Nachfolge erwarte man, "sich schnell in Dinge hineinzuarbeiten" und "Kompetenz, Durchsetzungsfähigkeit und die Fähigkeit, die Truppe mitzunehmen", sagte Sensburg am Dienstag im Deutschlandfunk. "Es geht darum, die Bundeswehr so aufzustellen, dass sie ihre Rolle in Europa wahrnehmen kann."

Sensburg erwarte in der Verteidigungspolitik weniger Bürokratie und mehr Investitionen. "Wir haben 30 Jahre nur gelernt zu argumentieren, warum etwas nicht geht, warum wir etwas nicht können, warum die Bundeswehr schrumpft", sagte er. "Papiere haben wir genug, Kampfkraft muss da sein." Um die Bundeswehr kampfstark aufzustellen, müsse das 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr zügig umgesetzt werden. Material und Waffensysteme müssten schnell ankommen. Die Truppe brauche Klarheit über die Investitionen, "damit sie auch planen kann."

"Ich will die Bundeswehr stark machen"

Pistorius will die Angehörigen der Bundeswehr nach eigenen Angaben bei der Modernisierung der Truppe "ganz eng" mitnehmen. Der SPD-Politiker versicherte am Dienstag in Hannover, dass er sich vor die Soldatinnen und Soldaten stellen werde. Er übernehme das Amt sehr gern und wisse um dessen Bedeutung in schwierigen Zeiten. Die Aufgaben für die Truppe seien gewaltig. "Ich will die Bundeswehr stark machen", betonte Pistorius.

Der scheidende Innenminister von Niedersachsen sagte weiter, er gehe das neue Amt mit Demut und Respekt an. Es sei eine große Ehre für ihn. Er wolle sich vom ersten Tag an zu 150 Prozent in die Arbeit stürzen. Der zurückgetretenen Ministerin bescheinigte er, dass sie den Anfang für die Neuaufstellung der Bundeswehr gemacht habe.

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Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • Eigene Recherche
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