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Aufgaben für Merz: Trump und Netanjahu können zum Problem werden


Machtwechsel in Berlin
Die Weltgeschichte kann Merz überrollen

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 05.05.2025 - 08:47 UhrLesedauer: 4 Min.
Friedrich Merz: Der CDU-Chef würdigt Franziskus' "unermüdlichen Einsatz".Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Er muss sich mit zahlreichen Problemen auseinandersetzen. (Quelle: Boris Roessler/dpa)
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Selten musste ein Kanzler mit so vielen Bällen jonglieren wie Friedrich Merz, in der Innen- wie Außenpolitik. Er muss darauf hoffen, dass die Konjunktur in eine Wachstumsperiode übergeht wie damals bei Angela Merkel.

Der eine geht, der andere kommt. Der eine bekommt heute einen Großen Zapfenstreich zum Abschied, der andere Blumen beim Anfang. Der eine, der jünger ist, hat viele Staatsämter hinter sich. Der andere, der älter ist, wird morgen in sein allererstes Staatsamt gewählt.

Olaf Scholz, bald 67, wünscht sich drei Lieder vom Bundeswehrorchester: eins von den Beatles ("In my Life"), die ja in Hamburg zu Weltstars heranreiften; eines von Bach wegen seines brandenburgischen Wahlbezirks; und dann "Respect", das Scholzsche Leitmotiv, von Aretha Franklin. Sorgsam ausgesucht, leidenschaftslos, wie wir ihn kennen.

Friedrich Merz, bald 70, hat ein anderes Gemüt, wie wir wissen. Da wallt es, da rumort es, da tobt es stärker als in Scholz oder auch Angela Merkel. Das Leidenschaftliche ist seine Stärke und Schwäche zugleich. Das Hinhaltende, Abwartende, Abtauchende passt nicht zu ihm und das ist auch gut so. Die Weltgeschichte wird ihn überrollen, wie es aussieht. Die Frage ist nur, ob er ihr standhalten kann.

Trump macht Weltgeschichte: Deutschland muss mit den Folgen leben

Weltgeschichte mache ich, hat Donald Trump dem liberalen US-Blatt "The Atlantic" gerade mitgeteilt. Mit den Folgen muss Deutschland, muss Europa leben. Dazu gehört die strategische Dialektik, einerseits rasch und kompromisslos aufzurüsten, weil Amerika nicht länger die alles dominierende Schutzmacht sein will, die es seit 1945 war, und andererseits dafür zu sorgen, dass Amerika trotz aller Distanznahme Europa weiterhin nuklearen Schutz garantiert.

Gerhad Spörl

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Es ist Zeit, dass es endlich losgeht. Das Interregnum zwischen alter und neuer Regierung dauerte zu lange. Deutschland spielte so gut wie keine Rolle bei der Vermittlung zwischen den USA und der Ukraine, die in einen angemessenen Vertrag über Rohstoffressourcen mündete. Während der deutschen Abwesenheit haben England und Frankreich die Führung für Europa übernommen, wogegen nichts einzuwenden ist, weil Emmanuel Macron und Keir Starmer Umsicht und Verantwortung walten ließen.

Friedrich Merz erweckt wenig Vertrauen, wie sich in Umfragen nachlesen lässt. Darin liegt eine Chance. Er kann seine Skeptiker überraschen. Die Außenpolitik wird mehr denn je das Kanzleramt übernehmen. Der präsumtive Kanzler ist ein überzeugter Europäer und Atlantiker und mit dem Ehrgeiz ausgestattet, eine Rolle zu spielen, die dem Gewicht Deutschlands entspricht. In Zukunft wird das Viereck London-Paris-Berlin-Warschau die Europäische Union lenken.

Natürlich hängt viel davon ab, ob Merz ein Arbeitsverhältnis zu Donald Trump aufbauen kann. Hilfreich kann sein, dass die CDU über die Jahre Kontakt zum rechten Amerika hielt, sodass sich die Entfremdung eindämmen lassen sollte. Der dann deutsche Kanzler wird gar nicht darum herumkommen, den Präsidenten nach Deutschland einzuladen. Dessen Ahn Friedrich war 1885, mit 16 Jahren, aus dem pfälzischen Kallstadt nach Amerika aufgebrochen und brachte es dort mit Restaurants zu einem gewissen Wohlstand. Ob Donald Trump nach Deutschland kommt oder nicht, die Einladung könnte ihn milde stimmen, was ja nun einmal wünschenswert ist, wie wir wissen.

Israel als weiteres Problem

Ein anderes Problem wiegt ebenfalls schwer. Momentan liegt es im Windschatten des Trumpschen Wirbelsturms und bekommt zu wenig Aufmerksamkeit. Es geht um Israel, um die vollständige Besatzung, die Premier Benjamin Netanjahu offensichtlich im Gazastreifen anstrebt. Es geht auch darum, dass seit zwei Monaten keine Hilfslieferungen per Lastwagen in das Kriegsgebiet einfahren dürfen. Nach Uno-Maßstäben liegt darin ein Kriegsverbrechen.

Die neue deutsche Regierung muss dazu wohl oder übel eine Haltung finden. Dass die Existenz Israels zur deutschen Staatsraison gehört, ist das eine. Das andere ist die Regierung Netanjahu und die Unerbittlichkeit ihrer Kriegsführung. Amerika als Mahner und regulative Kraft fällt aus. Der deutsche Einfluss in den Ampeljahren war gering. Wie verhält sich die Regierung Merz in diesem heiklen Fall, was traut er sich zu?

Die Außenpolitik dürfte in den nächsten Jahre eine herausgehobene Rolle einnehmen. Erfolge auf diesem Feld können die Stimmung in Deutschland beeinflussen, die sich momentan in Verdrossenheit und Pessimismus verliert. Die Stimmung aufzuhellen, ist ebenso schwierig wie nötig. Glück gehört dazu, dass man sich bekanntlich verdienen muss.

Es bleibt Hoffnung

Wirtschaftlich gesehen, ist offenbar nicht alles so schlecht, wie es scheint. Ja, die Konjunktur steckt in der Flaute, die Prognosen sind schlecht. Ja, die Arbeitslosigkeit ist nicht gering. Ja, die Autobranche leidet, aber zum Beispiel der Maschinenbau berichtet von steigenden Aufträgen und die Baubranche zieht dank fallender Zinsen an. "Womöglich geht es Merz jetzt so wie Angela Merkel, die ihr Amt 2005 ebenfalls zu einem Zeitpunkt angetreten hatte, zu dem eine Phase der Stagnation gerade in eine Wachstumsperiode überging", schreibt die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Hoffen darf man ja.

Wenn es gut geht, bekommen wir einen Kanzler, der seiner Aufgabe gewachsen ist und seine Vorhaben erklären kann – nicht nur im Bundestag, sondern auch in Reden an die Nation, die er überzeugen muss, dass er in ihrem Interesse handelt. Damit könnte er zurückerobern, woran es noch mangelt: Respekt, von dem Aretha Franklin heute Abend beim Großen Zapfenstreich kraftvoll singen wird.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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