Wahl in Rumänien Vor ihm zittert Europa

Der Wahlkampf in Rumänien war von Desinformationskampagnen, schmutzigen Tricks und Vorwürfen überschattet. Nun liegt in dem EU-Land erneut ein Rechtsextremist vorn.
Bei der Wiederholung der Präsidentenwahl in Rumänien hat der ultrarechte Kandidat George Simion im ersten Wahlgang am Sonntag einen deutlichen Sieg errungen. Nach Auszählung von mehr als 95 Prozent der Stimmen lag der Vorsitzende der rechtsradikalen Partei AUR mit rund 40 Prozent klar in Führung. Der Kandidat der pro-europäischen Koalition, Crin Antonescu, lieferte sich mit dem unabhängigen Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan, ein enges Rennen um den Einzug in die Stichwahl gegen Simion.
Die Stichwahl zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten mit den meisten Stimmen ist für den 18. Mai angesetzt. Antonescu kam den Teilergebnissen zufolge auf 21 Prozent. Der unabhängige Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan lag mit 20 Prozent knapp dahinter. In dem Ergebnis sind die Stimmen von im Ausland lebenden Rumänen noch nicht berücksichtigt. Experten zufolge könnten diese für das Erreichen der Stichwahl entscheidend sein.
Der Nato- und EU-Mitgliedstaat Rumänien steckt seit Monaten in einer politischen Krise. Im November hatte der zuvor weitgehend unbekannte Rechtsradikale und pro-russische Călin Georgescu überraschend die erste Runde der Präsidentenwahl gewonnen. Das Verfassungsgericht erklärte den Urnengang jedoch wegen des Verdachts auf Wahleinmischung Russlands für ungültig, Georgescu wurde von der Wahl ausgeschlossen.
An seiner Stelle trat nun Simion als Kandidat des rechten Lagers an. "Wir haben heute gemeinsam Geschichte geschrieben", sagte Simion am Sonntagabend in einer in der AUR-Parteizentrale ausgestrahlten Videobotschaft.
Simion sieht Bedrohung nicht in Moskau
Der 38-jährige Simion lehnt Militärhilfen für das von Russland angegriffene Nachbarland Ukraine ab, auch fordert er die territoriale Wiederherstellung innerhalb der Grenzen Großrumäniens – das ehemalige Königreich (1881 bis 1947) umfasste vor dem Zweiten Weltkrieg auch Moldau und Teile Bulgariens und der Ukraine. Nach Einschätzung von Beobachtern dürfte Simion Rumänien isolieren, private Investitionen könnten zum Erliegen kommen und die Nato-Ostflanke destabilisieren.
Im Gegensatz zum als noch radikaler eingeschätzten Georgescu hatte Simion zwar bisweilen auch Russland kritisiert, gleichzeitig wetterte er jedoch gegen Brüssel und war voll des Lobes für die US-Republikaner. Der selbsterklärte Fan von US-Präsident Donald Trump hatte wiederholt gesagt, der erste "Maga-Präsident" Rumäniens werden zu wollen und das Land immer an erster Stelle zu sehen. Er spielte damit auf Trumps Slogan "Make America Great Again" ("Macht Amerika wieder großartig") an. Auch wolle er mit weiteren Staaten ein "Maga-Bündnis" innerhalb der EU gründen.
Für die Nato, aber auch für die EU, dürfte ein Sieg des ultrarechten Politikers zum Problem werden. Es droht eine weitere Destabilisierung innerhalb der westlichen Bündnisse. Erst kurz vor dem ersten Wahlgang hatte Simion klargemacht, dass er nicht Russland als Bedrohung sieht. Das Problem sei vielmehr der liberale Westen.
"Russland hat nicht das Potenzial, eine nennenswerte Bedrohung für das größte Militärbündnis der Welt darzustellen", sagte Simion am Freitag in einem Interview mit Reuters. "Es gibt diejenigen, die gerne zwei geopolitische Blöcke schaffen würden, sogar gegensätzliche Blöcke, die EU und die USA." Es wird befürchtet, dass Rumänien im Fall eines Siegs des AUR-Politikers politisch enger an Moskau und an Diktator Wladimir Putin heranrücken könnte.
Mutmaßlicher Einfluss Russlands auf die Wahlen
Dass Russland offenbar eine systematische Strategie zur Untergrabung von Wahlen und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Westen verfolgt, analysierte die Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden schon im Februar. So müssten die EU- und Nato-Staaten erkennen, dass Moskau oft durch Agenten innerhalb ihrer eigenen Grenzen agiert, Beispiel dafür seien etwa die Wahlen in Georgien, Moldau oder Rumänien. Aber auch in der Slowakei, Tschechien, Frankreich oder Deutschland wird Russlands hybride Kriegsführung durch die gezielte Unterstützung rechtsradikaler, häufig kremlfreundlicher Parteien immer deutlicher.
"Ein guter Anfang wäre die Erkenntnis, dass Russland nicht mehr nur eine Bedrohung von außen darstellt, sondern bereits zu einer Bedrohung geworden ist, die innerhalb [der EU und Nato] wirkt", schreibt die US-Denkfabrik in ihrer Wahlanalyse.
Vor der Neuauflage der Wahl war ein starkes Abschneiden der rechtsextremen Kräfte vorausgesagt worden. Der rumänische Autor Siegfried Mureșan fragt in einem Artikel für "euobserver.com", warum so viele seiner Landsleute den Versprechungen der Extremisten auf den Leim gehen, obwohl das Land seit dem EU-beitritt vor 18 Jahren enorm von den Geldern der Europäischen Union und der Freizügigkeit profitiert habe. Gründe seien die Abkehr der Wähler von den etablierten Parteien, eine "verständliche Politikverdrossenheit" und zugleich die wachsende Anziehungskraft der Populisten. Für Rumänien stellt er als "klare Ursache" aber noch etwas anderes fest: "Manipulation und Desinformation."
Präsident vor allem außenpolitisch einflussreich
Simion profitierte laut Demoskopen von einer Welle der Wut der Bevölkerung auf etablierte Politiker. Nach Einschätzung des rumänischen Politikwissenschaftlers Sergiu Miscoiu ist ein Sieg des AUR-Chefs Simion in der Stichwahl trotz seines deutlichen Vorsprungs im ersten Wahlgang aber keineswegs ausgemacht. Andere Experten verwiesen jedoch auf Spaltungen innerhalb des pro-europäischen Lagers nach dem von schweren Anschuldigungen und schmutzigen Tricks geprägten Wahlkampf. Demnach ist das pro-europäische Lager bislang nicht geeint.
In Rumänien hat der Präsident einige wichtige exekutive Aufgaben und ist insbesondere in der Außenpolitik einflussreich. Er führt das Kommando über die Streitkräfte und sitzt dem Sicherheitsrat vor, der unter anderem über Militärhilfen entscheidet. Die Amtszeit ist auf zwei Fünfjahresperioden begrenzt.
Simion hatte seinen Wahlkampf größtenteils online geführt, um vor allem die einflussreiche Gruppe der rumänischen Wähler im Ausland zu erreichen. Die Annullierung der Wahl vor fünf Monaten bezeichnete Simion als "Putsch". Er beschuldigte stattdessen die EU, sich unrechtmäßig in die rumänische Wahl eingemischt zu haben.
Simion will radikalen Georgescu an die Macht bringen
Bei seiner Stimmabgabe im Bukarester Stadtteil Mogosoaia am Sonntagmorgen war Simion von Georgescu begleitet worden. "Es ist an der Zeit, unser Land zurückzuerobern", sagte der frühere Präsidentschaftskandidat Georgescu. "Dies ist nicht nur ein Wahlsieg", sagte Simion in einer ersten Reaktion. "Es ist ein Sieg der rumänischen Würde. Es ist der Sieg derjenigen, die die Hoffnung nicht aufgegeben haben, derjenigen, die noch immer an Rumänien glauben, an ein freies, respektiertes und souveränes Land."
Simion versprach zudem, dass er im Falle eines Siegs in der Stichwahl Georgescu an die Macht bringen werde. Er nannte drei Möglichkeiten, um dieses Ziel zu erreichen: "Ein Referendum, vorgezogene Wahlen oder die Bildung einer Koalition im Parlament, die ihn zum Ministerpräsidenten ernennen würde."
In den vergangenen Monaten hatten Tausende Rumäninnen und Rumänen gegen die Annullierung des Wahlergebnisses vom November protestiert. Vor dem neuerlichen Wahlgang am Sonntag streuten Rumäniens rechtsextreme Kräfte in sozialen Medien, es gebe "zahlreiche Anzeichen von Betrug". Um Unruhen im Land zu verhindern, versprachen die rumänischen Behörden "faire und transparente" Wahlen. Als Präventivmaßnahme verstärkten sie unter anderem die Zusammenarbeit mit dem Onlinedienst TikTok.
- carnegieendowment.com: Russian Interference: Coming Soon to an Election Near You
- reuters.com: Russia not a threat to NATO, Romanian hard-right presidental favourite says
- euobserver.com: How to tackle the extremist attempts to destabilise pro-European Romania
- theguardian.com: Far-right Trump ally leads first round of Romania’s rerun presidential election, partial count shows
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa