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Corona-Mutation und Lockdown in Deutschland: Diese Trödelei ist brandgefährlich


Corona-Mutation und Lockdown
Diese Trödelei ist brandgefährlich

MeinungVon Patrick Diekmann

Aktualisiert am 04.01.2021Lesedauer: 4 Min.
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Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn: Am Dienstag beraten Vertreter von Bund und Ländern über eine Verlängerung des Lockdowns in Deutschland.Vergrößern des Bildes
Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn: Am Dienstag beraten Vertreter von Bund und Ländern über eine Verlängerung des Lockdowns in Deutschland. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Mutation des Coronavirus verbreitet sich auch in Deutschland. Das Beispiel London zeigt, wie schnell die Pandemie außer Kontrolle geraten kann. Deshalb muss die Politik nun entschlossen handeln.

Die deutsche Politik verspielt in der Corona-Pandemie wertvolle Zeit – doch im Kampf gegen das Virus gibt es nur wenige Dinge, die so wichtig sind. Während in Großbritannien seit der Entdeckung der neuen Corona-Mutation der Ausnahmezustand herrscht, wartet die Bundesrepublik seit Wochen auf den nächsten Krisengipfel am Dienstag. Politiker wie Friedrich Merz (CDU) diskutieren in der Zwischenzeit über realitätsferne Forderungen wie Schulöffnungen. Währenddessen tummeln sich Menschenmassen dicht gedrängt in deutschen Skigebieten, die eigentlich geschlossen sind.

Dabei zeigt die Verschärfung der Lage in Großbritannien überdeutlich: Bund und Länder dürfen zu diesem Zeitpunkt keinesfalls die Corona-Maßnahmen lockern. Schulen, Kitas und der Einzelhandel müssen vorerst geschlossen bleiben. Eine Verlängerung des Lockdowns bis Ende Januar, wie sich nun andeutet, ist vollkommen richtig. Zusätzlich müsste die Bundesregierung seit Wochen viel lauter auf die neue Bedrohungslage hinweisen und mehr Erkenntnisse über die Verbreitung der neuen Corona-Mutation kommunizieren. Doch stattdessen wird getrödelt.

Eine ernst zu nehmende Gefahr

Der Kontrollverlust in Großbritannien sollte Warnung genug sein. Das Land meldete am Sonntag 57.000 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden. Dafür ist die Mutation B117 verantwortlich – sie ist ersten Studien zufolge wahrscheinlich ansteckender, verbreitet sich zwischen 50 und 70 Prozent schneller als ihr Vorgänger. Auch wenn sich die Symptome der Covid-19-Erkrankungen nicht verändert haben und der Impfstoff mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen die Mutation wirkt, ist die neue Virusvariante tödlicher. Denn wenn sich durch eine schnellere Ausbreitung mehr Menschen infizierten, würden auch proportional mehr Menschen sterben.

Eine Situation wie in London muss in deutschen Großstädten unbedingt verhindert werden: An Heiligabend waren in der britischen Hauptstadt 17 Prozent der Corona-Tests positiv, vier Tage später waren es schon 24 Prozent. Das spricht für eine immense Dunkelziffer und eine rasante Ausbreitung. Und: Aktuell gab es Anfang Januar 5.861 Covid-Patienten in Londons Krankenhäusern, fast 700 mehr als in der bislang schlimmsten Phase im April. Die britische Regierung merkte erst zu spät, dass ihr Maßnahmenmodell mit lokalen Teil-Lockdowns nicht mehr ausreicht. Schulen waren vor Weihnachten immer noch geöffnet, dort verbreitete sich das Virus rasant.

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Öffnung der Schulen wäre verantwortungslos

Diesen Fehler darf die Bundesregierung nicht wiederholen. Besonders besorgniserregend ist, dass sich auf der Insel immer mehr Jugendliche und Kinder infizieren und auf den Intensivstationen der Krankenhäuser behandelt werden müssen. Eine voreilige Schulöffnung, wie Politiker wie Merz sie fordern, ist in der gegenwärtigen Situation nicht nur unbedacht, sondern verantwortungslos. Denn Kinder und Jugendliche bringen das Virus mit nach Hause, können so auch ältere Familienmitglieder anstecken.

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Corona ist eine globale Krise, Gefahren fanden ihren Weg in den vergangenen Monaten auch immer in die Bundesrepublik. Die deutsche Politik muss deshalb genau hinhören, wenn britische Wissenschaftler Alarm schlagen – und das tun sie lautstark, spätestens seit Ende Dezember. Doch auch wir müssen die Lage im Ausland besser im Blick behalten, die Scheuklappen und die nationale Perspektive ablegen.

Bis jetzt ist die deutsche Reaktion zu zögerlich. Wir können nicht einmal sagen, wie weit sich die Corona-Mutation schon im Land verbreitet hat. Momentan ist von einzelnen Fällen die Rede, aber genau weiß es niemand. Denn bei den Virusproben hierzulande wird nur selten das Genom analysiert und das ist für eine Spezifikation notwendig. Für flächendeckende Genomsequenzierungen bräuchte Deutschland passende Strukturen und viel Geld, Großbritannien ist auf dem Gebiet weltweit führend. Wenn wir momentan also nicht im Dunkeln tappen, dann zumindest im Schatten. Das macht die Situation bedrohlich.

Auch deutlichere Warnungen und die Verschärfung einzelner Maßnahmen dürfen kein Tabu sein. Noch trauen sich führende Politiker und Wissenschaftler nicht aus der Deckung, zu groß ist die Angst, aufgrund der noch unklaren Faktenlage angreifbar zu sein. Aber die Infektionszahlen in Großbritannien sprechen für sich und wir müssen davon ausgehen, dass sich die Mutation auch hier im Land vergleichbar verbreiten wird. Fehlende Vorsicht kann jetzt verheerende Folgen haben.

Harter Lockdown ist das kleinere Übel

Dafür braucht es auch Verständnis in der deutschen Bevölkerung, die bislang noch unzureichend über die Mutation informiert ist. Hier sind die Regierenden in der Pflicht. Der Unmut und die Frustration vieler Menschen sind aufgrund der andauernden Einschränkungen absolut verständlich und menschlich. Aber wenn Bund und Länder nun den Fehler machen, deshalb einzelne Maßnahmen zu lockern und Schulen zu öffnen, wird das Land wahrscheinlich in einen weiteren Lockdown getrieben, der noch länger andauern wird.

Die Rechnung ist eigentlich einfach: Wenn die Verbreitung des Virus weiter zunimmt, dauert es länger, die Infektionszahlen wieder unter ein bestimmtes Level zu drücken. Unentschlossenes Handeln verlängert die Leidenszeit.

Keine angetriebene Corona-Politik

Auch darf die deutsche Politik die Hoffnung auf eine Impfung noch nicht zur einzigen Handlungsmaxime machen, dafür ist der Weg bis zu einer flächendeckenden Immunisierung noch zu lang. Wir müssen jetzt auf die gegenwärtige Bedrohung reagieren, um die Pandemie bis zum Frühjahr unter Kontrolle zu halten.

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Das aktuelle Chaos auf den Skipisten in Deutschland zeigt einmal mehr, dass ein weiterer Appell an die Eigenverantwortung der Bürger nicht die Lösung ist. Es funktioniert nicht. Stattdessen braucht es wieder mehr politischen Mut – in dem Bewusstsein, das Richtige und das Notwendige zu tun.

Im Angesicht der Corona-Mutation B117 bedeutet das konkret: Der harte Lockdown muss verlängert werden. Das wird verständlicherweise zu Missmut in der Bevölkerung führen. Doch den müssen Entscheidungsträger aushalten, denn: Unsere Gesellschaft zeigt in dieser Pandemie, dass wir Menschenleben an erste Stelle setzen – und darauf sollten wir, bei all dem Chaos, stolz sein.

Verwendete Quellen
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