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Corona-Leugner: Schiffmann holt jetzt "Querdenker" zum Tansania-Urlaub


Safaris als Standbein
Bodo Schiffmann holt jetzt "Querdenker" zum Tansania-Urlaub

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 07.06.2021Lesedauer: 7 Min.
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Naturerlebnis für Querdenker: Bodo Schiffmann will neben Geldgeschenken nun von Querdenkern auch Reisebuchungen für Safaris in seiner neuen Heimat Tansania annehmen. Neben Pavianen gibt es dort auch die "Big Five" zu sehen: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard.Vergrößern des Bildes
Naturerlebnis für Querdenker: Bodo Schiffmann will neben Geldgeschenken nun von Querdenkern auch Reisebuchungen für Safaris in seiner neuen Heimat Tansania annehmen. Neben Pavianen gibt es dort auch die "Big Five" zu sehen: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. (Quelle: Imago/Screenshot Telegram)

Schwindelarzt Bodo Schiffmann baut sich eine neue Existenz mit Safarireisen für "Querdenker" auf. Nur: Maske und Test sind Bedingung für Urlaub bei ihm in Tansania. Manche Anhänger träumen trotzdem von einer Kolonie.

Einer der größten Aufwiegler der Querdenker-Szene will Anhängern jetzt Entspannung verkaufen. Der nach Ärger mit der Justiz und Behörden und Hausdurchsuchungen nach Afrika geflüchtete Corona-Leugner Bodo Schiffmann hat offenbar ein Reiseunternehmen gegründet. Die "Bodo Frank and Friends Safari Ltd." soll ab Juli Gleichgesinnte nach und durch Tansania bringen. Schiffmann wird Reise-Führer.

Eine Telegram-Gruppe für Interessierte wächst schnell: "Das gibt eine große Schlagzeile", schreibt einer der Reiselustigen: "Querdenker fluten Tansania". Zwei Antworten später wird noch einer draufgesetzt mit "Ab in den Schwurbler-Bomber!"

Der erste Flug soll Anfang Juli von Frankfurt zum Kilimandscharo-Flughafen abheben. Im Gespräch ist, eine Maschine dafür zu chartern, um unter sich zu bleiben.

"Heimatland von Tansania aus verteidigen?"

Der Trip bringt Querdenker trotzdem in einen Gewissenskonflikt: Ohne Maske und ohne negativen Corona-Test geht nämlich nichts, das sehen die Einreisebestimmungen vor. "Machen wir dann nicht mit diesem System der Erpressung mit?", fragt eine Nutzerin in der Gruppe. Ein anderer meckert grundsätzlicher: "Sollen jetzt alle das Heimatland von Tansania aus verteidigen?"

Schiffmann hat aber auch für die Radikalen weiter im Telegram-Programm, was ihn zu einem der aggressivsten Köpfe der inzwischen vom Verfassungsschutz beobachteten Bewegung gemacht hat. Am Mittwoch schrieb er noch, dass eine Abwahl der Bundesregierung ihm nicht reicht.

Er hofft auf eine militärische Intervention in Deutschland: "Es ist mir im Grunde genommen egal aus welchem Land." Nur eine Militärregierung könnte ein Tribunal nach seinen Vorstellungen abhalten. Ende April hatte er angekündigt, dass er für "Nürnberger Prozesse" wohl bald als "Ankläger, Sonderermittler oder Richter" zurückkommen kann.

Hardy Krügers frühere Lodge als Ausgangspunkt

Viele seiner Nachrichten schickte er aus der Chele Chele Villa, einem Anwesen, das laut Webseite 480 Dollar pro Tag kostet. Seine Sichtweisen, ihm genehme Nachrichten, Halb- und Fehlinformationen und Hetze mischt er mit Aufrufen: Man möge ihm Geld schenken, "max. 19.999 Euro in 10 Jahren" – wegen Melde- und Steuerpflicht. Die Villa ist 30 Kilometer vom Flughafen Kilimandscharo entfernt, etwa ähnlich weit ist es zur Hatari Lodge, die eine Rolle spielt in Schiffmanns Plänen.

Das Anwesen vor der Kulisse des Arusha-Nationalparks gehörte einst Hardy Krüger, der mit John Wayne hier den Hollywood-Klassiker "Hatari" gedreht hatte. Jetzt soll sie ein Ausgangspunkt für die Safaris der Querdenker sein, behauptete Schiffmann und zeigte Bilder von dort. Den eigenen Tansania-Song "Freunde bei Freunden" gibt es auch schon. Und Schiffmann warb für seine Idee mit "Wie Woodstock nur in Afrika dafür geil".

Der Lodge-Betreiber Jörg Gabriel widerspricht aber deutlich: Schiffmann sei nur mal als Gast zum Essen dagewesen. Schiffmanns Pläne drohten, die dringend benötigte touristische Erholung Tansanias zu torpedieren. Wenn der Arzt davon träumt, Lodges und Hotels möglichst komplett für Querdenker zu buchen, dann nicht die Hatari Lodge: Gabriel zufolge hat es eine Vereinbarung über die Reservierung von Zimmerkontingenten nie gegeben und "es wird sie auch nicht geben".*

Wenn sich dann Schiffmann-Anhänger zum Schiffmann-Urlaub Maske und Test fügen, dann ist das auch nur "Inkonsequenz des höheren Zwecks Willen", wie Schiffmanns Frau in der Gruppe schreibt. "Es macht einen Unterschied, ob man sich testet, um ein T-Shirt zu kaufen, oder um echte menschliche Kontakte zu haben. Wir sind definitiv wie Ihr gegen Tests und Maskenpflicht!!!!!!"

Deswegen sind sie schließlich nach Tansania gegangen. Es ist wegen angeblich fehlender Corona-Fälle und -Maßnahmen zum gelobten Land für Corona-Leugner geworden.

In seiner damals noch geheimen Tansania-Gruppe schrieb Schiffmann Ende April: "Bitte gebt diesen Kanal ausgesucht an Menschen weiter, die ihr aus Deutschland retten wollt."

Eigenen Kanal für Tansania-Auswanderer

Für die, die sich "retten" wollen, hat er inzwischen einen neuen, eigenen Auswanderer-Kanal aufgemacht, der inzwischen 1.200 Mitglieder zählt: Zu viele hatten in der Safari-Gruppe mit inzwischen 2.700 Mitgliedern vom Umziehen nach Tansania geträumt statt vom Urlaub mit Bodo.

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Pläne hegen eine Pilates-Trainerin, eine Religionspädagogin mit zwei Jungs und eine Heileurythmistin, die auch als Theaterpädagogin arbeiten kann. Sie sind noch unsicher, ob sie damit in Tansania auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Ein selbstständiger Metallbaumeister hat sich aus der Gruppe wieder verabschiedet, nachdem er keine befriedigende Antwort bekam. Bei einer Frau gibt es ein anderes Hindernis: "Würde auch gerne auswandern, aber es wird schwierig wegen meinem alten 12-jährigen Hund".

Auswärtiges Amt: Hochinzidenzgebiet

Das Auswärtige Amt warnt derweil vor Reisen nach Tansania, es ist als Hochinzidenzgebiet eingestuft. Das bedeutet für eine Rückkehr aus Tansania Quarantäne, bis frühestens nach fünf Tagen das Freitesten möglich ist. Eine Ausnahme gilt, wenn ein Genesenennachweis oder ein Impfnachweis über das Einreiseportal der Bundesrepublik übermittelt wird – mit Impfnachweisen ist bei "Schiffmann"-Anhängern allerdings weniger zu rechnen.

Auf dem Papier ist es zwar das Land mit den wenigsten Corona-Fällen weltweit gemessen an der Einwohnerzahl. Rein statistisch gibt es zehn Corona-Tote bei 509 Fällen – und keinen mehr seit dem 8. Mai 2020. Dann hatte der damalige Präsident John Magufuli das Zählen einstellen lassen und nach drei Tagen nationalen Gebets mit Kräutermischungen Corona für beendet erklärt. International fiel er noch einmal damit auf, als er mit einer angeblich positiv getesteten Papaya PCR-Tests lächerlich machen wollte.

Als Magufuli im März starb, offiziell an einer Herzerkrankung, hatte es schon Tage zuvor Gerüchte über eine mögliche Covid-19-Infektion gegeben, war der Vizepräsident der Insel Sansibar nach einer Corona-Ansteckung gestorben und Schiffmann bereits seit einem Monat in Tansania. Nach zwei Hausdurchsuchungen wegen Attesten zur Maskenbefreiung und der Kündigung seiner Praxisräume hatte er sein Abtauchen ins Ausland angekündigt.

In Tansania lebt auch schon der Schweizer Roger Bittel. Der fiel mit Schiffmann auf, als sie gemeinsam laut darüber nachdachten, in Supermärkten Telefonate über durch Masken gestorbene Kinder vorzutäuschen. Mit Dave Brych hat es eine weitere Szenebekanntheit nach Tansania gezogen. Und Schiffmann verkündet: "Wir haben mittlerweile ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut, ich empfehle euch allen, Deutschland zu verlassen."

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Botschafter stellt sich gegen Querdenker

Tansanias Botschafter in Deutschland Abdallah Saleh Possi geht da deutlich auf Distanz: "Die Regierung von Tansania hat weder die radikalisierte Bewegung der Coronavirus-Leugner unterstützt, noch fördert sie dieses Denken", erklärte er t-online. Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, "aber dieses Recht muss im Rahmen gesetzlicher Vorschriften ausgeübt werden".

Tansania werde "keine Personen tolerieren, die versuchen, Tansania als Basis für Feindseligkeiten gegen irgendeine legitime Regierung zu nutzen, geschweige denn gegen die Regierung eines befreundeten Staates". Der Botschafter in Berlin findet es ohnehin "absurd zu glauben, dass in Deutschland ein Putsch stattfinden wird wegen einer Covid-Pandemie."

Im Jeep kein Platz für Geimpfte

Vielleicht glaubt auch Schiffmann nicht wirklich an den kommenden Militäraufstand und eine triumphale Rückkehr nach Deutschland und baut sich eine neue Existenz auf? In der Gruppe wird schon über Safaris bis in den Herbst hinein geschrieben. Schiffmann selbst will "zeigen, dass man füreinander da sein kann und sein Leben und seine Kosten finanzieren kann".

Er freue sich, "euch alle zu sehen und in den Arm zu nehmen und mich mit Euch zu unterhalten". Nur geimpft sollte man nicht sein. Frau Schiffmann passt auf: "Ich will niemanden diskriminieren, aber ich möchte nicht, dass Bodo mit einem Geimpften im Jeep sitzt." Weil Impfungen ja "tödliches Gift" seien, wie er behauptet, "und ich bin langsam überzeugt: alle Impfungen".

Es spreche nichts dafür, dass es in Tansania zu Impfungen kommen wird, versichern die künftigen Safariveranstalter. Seine Anhänger glauben das wahrscheinlich.

WHO lobt Tansania für neue Strategie

Schiffmann wird ihnen nicht erzählen, dass Tansania am Montag für seine neue Corona-Strategie von der Afrika-Direktorin der WHO gelobt wurde. Ein Sonderkomitee der neuen Präsidentin Samia Suluhu hat die Pläne vorgelegt, am WHO-Impfprogramm Covax teilzunehmen und Maßnahmen zur Eindämmung der Bedrohung durch die dritte Viruswelle zu verstärken.

"Die Regierung von Tansania nimmt die Corona-Pandemie ernst", erklärt Botschafter Possi. Tansania habe ja auch seine Einreisebestimmungen aktualisiert: "Alle Personen, die über alle Grenzübergänge nach Tansania einreisen, einschließlich Flughäfen, müssen sich testen lassen."

PCR-Test bei Einreise

Für den "Schwurbelbomber" aus Deutschland heißt das, dass alle am Flughafen bei der Einreise PCR-Tests und Maske brauchen. Es könnte aber stimmen, dass Schiffmann seit drei Monaten keine Maske mehr getragen hat. Sie sind selten zu sehen. Die Risikogruppe für schwere Verläufe ist klein in dem Land, das zweieinhalb mal so groß ist wie Deutschland und 25 Millionen Einwohner weniger hat: Das Durchschnittsalter liegt bei 18,2 Jahren, in Deutschland bei 44,5 Jahren.

Wenn man Botschafter Possi fragt, dann regieren im Land auch eigentlich keine Corona-Leugner, sondern Zwänge: Für umfangreiches Testen fehle die Infrastruktur, und Lockdowns könnten sich nur reiche europäische Länder leisten. In einem Entwicklungsland wie Tansania hätte das dazu geführt, dass Geld für die Gesundheitsversorgung fehle, erklärt er. "Es gab die konkrete Sorge, dass ein heftiger Wirtschaftseinbruch die gewünschten gesundheitlichen Erfolge torpediert hätte."

Deutschland gibt 20 Millionen für Serengeti

Auch so leidet das Land mit Traumstränden und faszinierender Natur stark unter der Pandemie und dem Einbruch des Tourismus. Die Bundesrepublik hat ein paar Tage zuvor erklärt, 20 Millionen Euro Nothilfe für die Nationalparkverwaltung und die Naturschutzbehörde zu leisten, um Einnahmeverluste durch ausgebliebene Touristen auszugleichen.

Schiffmann präsentiert seine Safaripläne dann auch entsprechend als gutes Werk fürs Land: Querdenker-Touristen, um für die Nationalparks Einnahmen zu generieren und damit Wilderei einzudämmen. Auch sozialen Anstrich will er den Reisen geben: Jeder Reisende soll mindestens 100 Euro zusätzlich zahlen, um von Schiffmann ausgewählten Mitreisenden ohne entsprechende Mittel den Trip zu ermöglichen. Wie er auswählt und wer das Geld bekommt, soll keiner erfahren – und ist damit auch nicht zu kontrollieren. Beifall bekommt er dennoch dafür.

Hoffnungsträger Schiffmann lässt Träume blühen: Ein Rollstuhlfahrer, nach eigenen Angaben 55 Jahre alt, 100 Prozent körperbehindert und noch nie im Urlaub gewesen, schreibt, dass er gerne dabei wäre. Und eine Mutter wollte ihre impfwillige Tochter, eine junge Ärztin, zur Reise einladen, damit Schiffmann sie vielleicht umbiegt: "Ich verlange keinen Erfolg."

Schiffmanns Frau winkte ab: "Wir wollen niemanden am Safari-Abend überzeugen, wir wollen entspannen."

*Der Text erschien am 21. Mai und wurde an dieser Stelle mit dem Dementi des Lodge-Betreibers aktualisiert.

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