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Streit und Parteiaustritte bei der Linken: Wie Wagenknecht die Partei zerreißt


Prominente Parteiaustritte
Der Fall Wagenknecht zerreißt die Linke

  • Annika Leister
MeinungEin Kommentar von Annika Leister

Aktualisiert am 13.09.2022Lesedauer: 3 Min.
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Sahra Wagenknecht: Sie steht für die Spaltung der Linken. (Quelle: imago)

Die prominentesten Linken verlassen die Partei. Das ist der Anfang vom Ende – und die Partei hat ihn sich redlich verdient.

Das dürfte der Anfang vom Ende sein: Nach Ulrich Schneider, dem Vorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, hat am Dienstag auch Finanzexperte Fabio De Masi seinen Austritt aus der Linken erklärt. Damit verliert die Partei binnen weniger Stunden zwei ihrer letzten prominenten Mitglieder.

Schneider machte deutlich, was bei ihm das Fass zum Überlaufen gebracht hat: "Zu viel" gewesen sei der Auftritt von Sahra Wagenknecht im Bundestag am vergangenen Donnerstag. Die so umstrittene wie populäre Wagenknecht durfte sich als Rednerin der Fraktion im Plenum zur Energiepolitik der Bundesregierung äußern. Sie tat das, wie erwartet, indem sie die Schuld an der Krise weniger Russland als der Bundesregierung zuschrieb – und dafür von Linken wie der AfD gleichermaßen Beifall kassierte.

Schneider war es zu viel Wagenknecht, De Masi dürfte es zu wenig sein

Bereits im Voraus hatte Wagenknechts Auftritt für innerparteiliche Kritik gesorgt, danach schwoll sie zu Protest über alle Parteigrenzen hinweg an. Wie konnte die Fraktion das zulassen, warum setzte sie Wagenknecht als Rednerin? Manch Linker verschaffte der Wut noch auf Twitter Luft, viele schüttelten nur noch müde den Kopf.

De Masi dürfte sich nun aus anderen Gründen verabschieden als Schneider. Er selbst erklärt auf Twitter lediglich, dass die aktuelle Debatte um den Wagenknecht-Auftritt nichts mit seinem Austritt zu tun habe. Die sei nicht mehr ausschlaggebend gewesen, seine Entscheidung lange gereift. Er wolle nicht mehr in Verantwortung für das "eklatante Versagen der maßgeblichen Akteure in dieser Partei" genommen werden.

Doch De Masi steht Wagenknecht sehr nahe. Er war einst ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter, Jahre später schlug sie ihn als Parteivorsitzenden vor. Zusammen gründeten die beiden 2019 die Bewegung "Aufstehen", die sich populistisch gegen "die da oben" richtete und Massenproteste auf die Straße bringen sollte. Der Plan scheiterte, der Zulauf blieb schwach. Ist Schneider zu viel Wagenknecht in der Linken – De Masi dürfte es wohl zu wenig sein.

Die Austritte von Schneider und De Masi stehen so für den Richtungsstreit, vor dem Partei- und Fraktionsführung lange die Augen verschlossen. Sie hofften wohl, dass der Sturm einfach vorüberziehe, sich die unterschiedlichen Standpunkte aushalten, vielleicht sogar vereinen ließen. Nun bekommen sie dafür überdeutlich die Quittung und vor Augen geführt, was Teile der Basis seit Langem prophezeien: Der Streit zwischen den Lagern ist als Partei nicht auszuhalten. Die Causa Wagenknecht zerreißt die Linke – vermutlich, bis nichts mehr von ihr übrig ist.

Keine Hoffnung, nirgendwo

Die Fraktion gilt auf diese Weise bereits lange als verloren, bis zur Manövrierunfähigkeit gespalten zwischen Soziallinken und Linksnationalen, geführt noch dazu von einem Co-Vorsitzenden Dietmar Bartsch, der sich gerüchteweise nur noch nach der Rente sehnt. Die Parteispitze ist größtenteils neu, der Öffentlichkeit unbekannt und gibt sich zufrieden mit lauwarmen Distanzierungen ohne Konsequenzen.

Eine ordnende Hand, ein Gefühl von Aufbruch, irgendeine Hoffnung auf Zukunft? Fehlanzeige. Keine Hoffnung, nirgendwo.

Dabei hat es nie bessere Zeiten für eine linke Partei gegeben: Erst die Corona-, jetzt die Energiekrise legen soziale Ungerechtigkeiten offen wie nie – und machen den Weg frei für politische Instrumente, die in Deutschland lange undenkbar waren. Reichen- und Übergewinnsteuer? "Kommunisten", brüllten Konservative einst. "Notwendig", sagt laut Umfragen nun eine Mehrheit in Deutschland.

Doch die Linke hat jedes Momentum verpasst und langsam alle Sympathien verspielt. Das langsame Sterben hat sie sich im schlechtesten Sinne redlich verdient.

Das Gute daran: Eine Leerstelle auf der linken Seite des politischen Spektrums ist nicht wirklich zu betrauern. Da war ja schon seit Jahren nichts. Nun bleibt: viel Platz für Neues.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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