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Grünen-Klausurtagung: Probleme mit der Ampel? Die Grünen-Fraktion bleibt stur


Die Grünen in der Ampelfalle
Sie wollten das längst überwunden haben

  • Johannes Bebermeier
MeinungEine Analyse von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 21.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Annalena Baerbock und Robert Habeck: Die Grünen als Partei der Zumutungen. (Quelle: IMAGO/Frank Ossenbrink)

Bei der Klausurtagung der Grünen dürfte deutlich werden, wie sehr die Partei mit der Ampel hadert – und vor allem mit der FDP. Dabei täte es ihr gut, sich auch selbst zu hinterfragen.

Bei den Grünen denken sie in diesen Tagen überraschend oft an Wolfgang Kubicki. An einen wütenden Kubicki in Trinklaune. "Ich bin immer noch fassungslos und versuche, mir das Ergebnis schönzutrinken", hatte der hemdsärmlige Vizechef der FDP vor etwas mehr als einem Monat gesagt.

Als Kubicki trank und wütete, war gerade klar geworden, dass die FDP schon wieder eine Landtagswahl verloren hatte. Die in der Hauptstadt Berlin auch noch, und zwar so bitter verloren, dass die Partei nun nicht mal mehr im Abgeordnetenhaus vertreten ist.

Kubicki machte sich auf der Wahlparty nicht nur Luft, er formulierte auch eine Strategie. Mehr "FDP pur" müsse es in der Ampelkoalition im Bund geben, doch Kubicki skizzierte dann eher "Konfrontation pur": "Wenn es keinen Straßenbau mehr geben soll, dann gibt es auch keine neuen Stromleitungen mehr. Da kann sich der Robert gehackt legen", sagte Kubicki dem "Spiegel" – und indirekt Wirtschaftsminister Habeck. Und: "Die Zeit des Appeasements ist vorbei."

Selbst für den streitlustigen Kubicki klang das ungewöhnlich unversöhnlich. Am Morgen danach versuchte FDP-Chef Christian Lindner die Wogen zu glätten. Mancher in Berlin schrieb Kubickis Ausbruch wahlweise dem Wein, Kubicki selbst oder der Kombination aus beidem zu.

Mittlerweile aber sagen auch hochrangige Grüne: Die FDP tut dummerweise genau das, was Kubicki angekündigt hat. Konfrontation statt Appeasement. Es ist die wichtigste grüne Erklärung dafür, warum es gerade überall kracht in der Ampelregierung.

Wenn sich die Bundestagsfraktion der Grünen ab heute in Weimar zur Klausur trifft, wird die wütende Kubicki-FDP und der grüne Umgang mit ihr deshalb wohl großen Raum einnehmen. Das ist bestimmt nicht falsch, aber auch etwas zu simpel. Ebenso wichtig wäre es, darüber nachzudenken, was die knapp eineinhalb Jahre Regierung mit den Grünen selbst gemacht haben.

Die Partei der Zumutungen

Dabei braucht es dieser Tage tatsächlich nicht viel, um das Gefühl zu bekommen, dass das Thema, bei dem die FDP den Grünen nicht aus Prinzip widerspricht, erst noch erfunden werden muss. Manchmal ist es ernsthafter, grundsätzlicher Widerspruch, der betont oder überbetont wird. Manchmal aber auch einfach strategisches Missverstehen, um sich irgendwie abzusetzen, egal wie.

Das ist ärgerlich für die Grünen und wird noch schlimmer, weil sie in der Ampelkoalition mittlerweile in eine ganz bestimmte Rolle hineingerutscht sind. Sie müssen die Partei der Zumutungen sein, wenn die Ampelkoalition den Zumutungen der Klimakrise noch etwas entgegensetzen und sich nicht ganz von ihren Klimazielen verabschieden will.

Und diesen Abschied von den Klimazielen können besonders die Grünen schon deshalb nicht wollen, weil es politisch niemandem so sehr schaden würde wie ihnen selbst. (Von den Folgen für das künftige Leben auf der Erde mal ganz abgesehen.)

Es ist verzwickt. Auch weil die Grünen mit ihren Zumutungen gerade oft allein dastehen. Die FDP widerspricht sowieso, weil sie Angst hat, selbst zu kurz zu kommen und die nächste Landtagswahl zu verlieren. Und die SPD, insbesondere Kanzler Olaf Scholz, muss Angst haben, dass ihm die Koalition auseinanderfliegt und sagt zu alldem deshalb das, was er am liebsten sagt: recht wenig.

"Dann können wir den Laden eigentlich dichtmachen"

Nun ist es so, dass die Grünen sich in ihrer Rolle durchaus zu gefallen scheinen. Als Wirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich gefragt wurde, ob er mit seinen Heizungsplänen nicht riskiere, sich unbeliebt zu machen, antwortete er: "Wir sind ja nicht in die Regierung eingetreten, um beliebt zu werden." Wenn künftig nur noch Politiker gewählt würden, die möglichst beliebt sein wollten, "dann können wir den Laden eigentlich dichtmachen".

Das ist natürlich auch die Pose des Gerechten. Aber die Grünen scheinen aus den Angriffen der FDP tatsächlich die Konsequenz zu ziehen, sich nicht zu verstecken, sondern im Zweifel selbst den Konflikt zu suchen, zumindest weiter Zumutung zu sein.

Das zeigt auch die Fraktionsklausur in diesen Tagen. Als erstes und wichtigstes Anliegen streute die Fraktion ihren Beschluss, den Kohleausstieg auch im Osten auf 2030 vorziehen zu wollen. Das sei ein "notwendiger Schritt", heißt es darin.

Die Kritik von CDU-Ministerpräsidenten wie Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt war vorhersehbar. Er findet die Pläne "völlig illusorisch". Doch auch der Betriebsrat des betroffenen Stromriesen Leag, den die Grünen zur Diskussion nach Weimar eingeladen hatten, sagte die Teilnahme wegen des "willkürlichen neuen Ausstiegsdatums" kurzfristig ab. Das wiederum war nicht eingeplant.

Selbstgewissheit, Besserwisserei, Arroganz

Nun kann man mit guten Gründen argumentieren, dass der Kohleausstieg und viele andere Dinge im Angesicht der Klimakrise notwendig sind. Zumutungen, bei denen es nur noch darum gehen sollte, wie sie am wenigsten schmerzhaft ausfallen können.

Das Problem ist nur, dass die neue Rolle und die Angriffe etwas in den Grünen zum Vorschein bringen, das sie eigentlich überwinden wollten: Eine Selbstgewissheit, die manchmal nur schwer von Besserwisserei und Arroganz zu unterscheiden ist. Und die die Suche nach den besten Lösungen erschwert.

Denn die Selbstgewissheit führt zu Abwehrreflexen: in der Politik, in den Medien, aber eben auch im Betriebsrat eines Stromriesen, den man eigentlich dringend braucht. Mit der Selbstgewissheit imprägnieren sich die Grünen zudem immer wieder gegen Kritik. Nicht nur gegen völlig absurde – sondern auch gegen berechtigte, konstruktive, wohlmeinende.

Die Grünen drohen sich so wieder selbst in die Nische zu manövrieren, aus der sie sich längst herausgearbeitet haben wollten.

In der Energiedebatte etwa schaut mancher Klimaschützer ungläubig auf Grüne, die sich zwar mit Händen und Füßen gegen ein paar zusätzliche Jahre Atomstrom wehren. Die aber zugleich Kohlekraftwerke länger laufen lassen und gewaltige Importkapazitäten für Flüssiggas aus dem Boden stampfen.

Doch die Grünen bleiben selbstgewiss, trotz offensichtlicher Widersprüche. Man könnte auch sagen: Sie bleiben stur.

Besserer Mensch oder bessere Politik

Bei all dem Ärger und all den Krisen ist es fast verwunderlich, dass die Grünen in den Umfragen derzeit um einige Prozentpunkte besser dastehen als bei der vergangenen Bundestagswahl.

Allerdings hatten sie damals ihre Ziele nach einem chaotischen Wahlkampf auch sehr deutlich verfehlt. Die knapp 15 Prozent waren weit entfernt vom eigentlichen Anliegen, in die "Breite der Gesellschaft" auszugreifen und am Ende die Kanzlerin zu stellen.

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Dieses Ziel hat der Großteil der Grünen noch immer, weshalb es vielleicht Sinn ergibt, sich an einen einst programmatischen Satz von Robert Habeck zu erinnern, mit dem er den neuen Ansatz der Grünen beschrieb: "Politik soll nicht bessere Menschen machen, sondern bessere Politik."

Es ist so etwas wie das Gegenmodell zur falsch verstandenen Selbstgewissheit, der Besserwisserei und der Arroganz, die nun mitunter wieder bei Grünen zu beobachten sind. Und wahrscheinlich der erfolgreichere Weg.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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