Medienoffensive Merz: Der neue Kanzler geht auch medial neue Wege

Friedrich Merz ist erst wenige Tage im Amt und kräftig unterwegs in den sozialen Medien. Das verrät auch viel über den neuen Stil seiner Kanzlerschaft.
Kurz war Emmanuel Macron dann doch etwas irritiert. Verwundert drehte er sich auf der gemeinsamen Pressekonferenz in Kiew am Wochenende zur Seite. Friedrich Merz sprach. Und sprach. Und sprach. Der neue Bundeskanzler wollte gar nicht mehr aufhören zu reden.
Aus Deutschland war die Welt in den vergangenen Jahren mit anderen Tönen vertraut.
Der neue Kanzler geht im neuen Amt auch medial neue Wege. Merz inszeniert sich als Staatsmann. Und das mit sehr professionellen Videos.
Mit offener Botschaft in Kiew
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Auf der Reise in die Ukraine zeigte sich Merz als Staatsmann im Kreis der Verbündeten: dem britischen Premier Keir Starmer, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem polnischen Regierungschef Donald Tusk. Die Botschaft: Deutschland ist auf der europäischen Bühne und reiht sich nach manchem Alleingang ein in den Kreis der Partner.
Die Botschaft kam an: Russland will über den ukrainischen Vorschlag einer Waffenruhe von dreißig Tagen reden. Auch wenn der russische Staatschef Wladimir Putin zögert.
Merz flutete das Netz mit Bildern. Er dokumentierte die Reise nach Kiew fast lückenlos. Für den ukrainischen Präsidenten hatte Merz auf der Reise noch eine eigene Botschaft parat: "Du kannst mich jederzeit anrufen."
Berlin ist auf Empfang.
Brüssel I: Europa
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Das Bild sagt es: Sie gibt in Europa die Richtung vor: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Merz weiß das. Wichtige Themen seiner Agenda kann er nur mit der EU durchsetzen, etwa die Zurückweisungen an der Grenze in der Migrationspolitik.
Merz geht deshalb früh auf die EU zu. Und er geht neue Wege. Die Presseseiten der EU sind wirr und unübersichtlich. In der Datenbank finden sich Videoschnipsel zu (fast) allen Pressekonferenzen. Aber mit undefinierbaren Suchwörtern. Merz handelt und veröffentlicht auf X Auszüge seiner eigenen Pressekonferenz mit von der Leyen im Pressesaal des Brüsseler Berlaymont. Er bestimmt nicht nur die Bilder, sondern auch das Wort.
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Merz startete seine Karriere als Europa-Abgeordneter. So weiß er, was auch wichtig ist. Ohne das Europaparlament geht nichts in Brüssel. So trifft der neue Kanzler auch Roberta Metsola, Präsidentin des EU-Parlaments. Das Bild zeigt ihn sehr entspannt auf der Dachterrasse des Parlamentsgebäudes. Deutschland macht sich plötzlich locker.
Brüssel II: Zu Gast bei der Nato
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Zweite Station in Brüssel war ein Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte im Hauptquartier der Allianz vor den Toren der Stadt. Eigentlich ein Pflichtbesuch. Doch hatte der niederländische Premier Dick Schoof zuvor das Fünf-Prozent-Ziel der Nato mit dem Zieldatum 2032 ausgeplaudert. Erstmal diplomatische Klippen umschiffen. Und dem Kollegen in Den Haag sanft einen mitgeben. Es ergebe keinen Sinn, "jetzt über abstrakte BIP-Anteile zu streiten", sagte Merz und erinnerte daran, dass man künftig über Waffenlieferungen an die Ukraine nicht mehr reden wolle. Schweigen ist Gold.
Das Bild mit Rutte zeigt nur Merz von vorne. Die Blickrichtung des Fotografen verrät auch viel über die Eigenperspektive des Kanzlers: Unterm Strich zähl ich. So ist das in der Politik.
Paris: Angekommen im Kreis der Mächtigen
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Die erste Auslandsreise im Amt führte Merz nach Paris. Beim offiziell wichtigsten Partner Deutschlands in Europa zeigt sich Merz auf X generös. Er repostet einen Eintrag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Schließlich liebt die französische Politik die dramatische Inszenierung.
"Gemeinsam bringen wir Europa voran", schrieb Merz auf X zu dem Video. Wo Macron (auch in Kiew) nur auf wenige Sekunden lange Sequenzen setzt, liebt Merz auf Social Media eher den längeren Auftritt.
Aber auch wenige Sekunden im Feed des französischen Präsidenten reichen Merz für seine Botschaft: Er ist angekommen in den weltweiten Zentren der Macht.
Bilanz: Fast am Ziel
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Auch andere lieben die Inszenierung. Stilprägend ist das Bild des Berliner Fotografen Andreas Mühe, das Angela Merkel 2018 auf dem G7-Gipfel in Kanada zeigt. Die Kanzlerin als Gegenspielerin des Präsidenten – und die Welt schaut zu.
Auch andere Kanzlerschaften kennen ikonische Bilder: Der Kniefall Willy Brandts 1970 vor dem Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos, Helmut Kohl und Frankreichs Präsident François Mitterrand 1985 über den Gräbern des Ersten Weltkriegs in Verdun. Und Olaf Scholz? Spontan bleibt erst einmal das Bild mit der Augenklappe.
Public Diplomacy nennen Fachleute die Inszenierung von Politikern in sozialen Medien. Es hat längst auch die Außenpolitik erobert.
Im Kabinett dominierten in Deutschland die bisherigen Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck die Bild-Agenda. Nun holt das Kanzleramt auf. Nur eines muss Merz noch lernen: Das Retweeten vom eigenen X-Account braucht es nicht mehr. Er ist doch jetzt Kanzler. Merz ist jetzt ganz Amtsperson.
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