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Streit um Heizungsgesetz: Deswegen verdient Robert Habeck Verzeihung


Strauchelnder Minister
Es war wirklich haarscharf

MeinungVon Liane Bednarz

Aktualisiert am 31.05.2023Lesedauer: 5 Min.
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Unter Druck: Robert Habeck steht wegen seines Heizungsgesetzes seit Wochen in der Kritik. (Quelle: Chris Emil Janssen/imago-images-bilder)

Robert Habeck hat Panik unter Hauseigentümern ausgelöst. Aber auch fundamentale Fehler eingeräumt. Sozusagen Buße getan. Gerade konservative Christen sollten das ernst nehmen und ihm eine zweite Chance geben.

Robert Habeck ist, um es christlich-konservativ zu sagen, für viele ein gefallener Engel. Über seine absurden Vorstellungen, die Bürger rücksichtslos zum Schutz des Klimas zu schröpfen und in finanzielle Sorgen zu stürzen, schrieb ich hier vor zwei Wochen.

Nun rudert er zurück. Und zwar sehr massiv, denn er hat verstanden, dass Klimaschutz-Ehrgeiz die Immobilieneigentümer mitnehmen muss. Und die Umfragewerte der AfD in die Höhe treibt. Zur quasi einzigen Opposition macht. In der Sache ist Klimaschutz fraglos wichtig, sogar existenziell für das Überleben der Menschheit, wie Florian Harms jüngst richtig beschrieben hat. Und zwar auch und gerade aus konservativ-christlicher Sicht. Denn es geht um nichts weniger als die Bewahrung der Schöpfung.

Die Publizistin und Juristin Liane Bednarz
Die Publizistin und Juristin Liane Bednarz (Quelle: Privat)

Die Autorin

Liane Bednarz, 49 Jahre, ist eine liberal-konservative Publizistin. Bednarz ist promovierte Juristin und Mitglied der CDU. Sie hat diverse Bücher veröffentlicht, darunter 2015 "Gefährliche Bürger: Die neue Rechte greift nach der Mitte" und 2018 "Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern".

Gleichwohl gibt es bei manchen Menschen einen Zielkonflikt zwischen dem eigenen finanziellen Überleben und dem Denken an das Überleben des Planeten. Und es ist der natürlichste Trieb des Menschen, sich zuerst einmal Sorgen um das eigene finanzielle Überleben zu machen, das mühsam ersparte oder ererbte ältere Eigenheim aufgeben zu müssen und wieder in eine Mietwohnung zu ziehen, weil die Habeck’sche Wärmepumpenpflicht finanziell nicht stemmbar ist.

Aber muss man Robert Habeck, der inzwischen sehr viel moderater agiert, deshalb verdammen und in die Hölle der gefallenen politischen Engel, sprich in die Entlassung und das Ende der politischen Karriere, hineinwünschen beziehungsweise verfluchen? Ich meine: nein.

Florian Harms schrieb hier vor ein paar Tagen zu Recht: "Dabei wäre es schön, es würden weniger politische Fehler gemacht, na klar. Aber entscheidend ist, dass überhaupt mal einer was macht."

So gesehen ist es ziemlich dumm, auf den strauchelnden Herrn Habeck einzudreschen.

Wer keine schweren Fehler eingesteht, sollte gehen

Womit wir beim Thema wären. Rauf und runter ergießt sich nun Häme auf Habeck. Ganz besonders aus der CDU und CSU. Über einen Mann, der wie gesagt merkt, dass er sich völlig verrannt und der AfD unfassbare Geschenke gemacht hat. Aber nun Alteigentümer mit seinen Heizungsforderungen vorerst in Ruhe lassen will. Zugleich die Trauzeugen-Affäre rund um seinen ehemaligen Staatsminister Graichen am Hals und diesen zu spät entlassen hat.

Aber: Habeck beschönigt nichts. Im Rheinland würde man sagen: "Et is so jerade nochmals jutgegangen." Es war wirklich haarscharf. Hätte Habeck sein Heizungsgesetz durchgeprügelt, stände die AfD vermutlich nun schon bei knapp 20 Prozent. So darf Politik nicht agieren. Die Stimmung im Land ist gekippt, die Menschen sind oberlehrerhafte Vorschreibereien leid, vor allem von Politikern ohne eigene Geldsorgen.

Einsicht ist etwas sehr Rares. Meistens sind gefallene politische Engel und ihre Partei-Buddies bestrebt, das Fehlverhalten zu beschwichtigen. Man erinnere sich an Karl-Theodor zu Guttenberg, der die Plagiate so lange beschönigte, bis nichts mehr zu retten war und der sich bis zum Ende in abstruse Ausreden flüchtete. Angeblich habe er nicht gewusst, dass er plagiiere. Ja, ja.

Bei Franziska Giffey war es dasselbe. Sie begnadigte sich quasi selbst. Bis heute hat sie ihr Plagiieren kleingeredet, auf Opfer gemacht und ist vielleicht auch deshalb keine Regierende Bürgermeisterin der Stadt Berlin mehr. Wer derart plagiiert, weiß, was er tut. Und die wählenden Bürger sind nicht dumm. Schon gar nicht die anständigen Leute, die täglich hart arbeiten und sich nicht irgendeinen akademischen Titel erschleichen.

Politische Hygiene

Womit wir wieder bei Robert Habeck wären. Ja, er hat sich verkalkuliert. Abgesehen von der Causa Graichen ist er sicher auch unter Druck im innergrünen Konkurrenzkampf zu Annalena Baerbock darum, wer als nächstes Kanzlerkandidat (oder Kanzlerkandidatin) der Grünen wird. Erstaunlicherweise ist Baerbocks Plagiatsaffäre rund um ihr Buch "Jetzt" längst vergessen. Vielleicht auch deshalb, weil ihr Verlag das Werk kleinlaut vom Markt genommen hat. Andererseits ist sie eine versierte und furchtlose Außenministerin, die der Ukraine beisteht. So richtig entschuldigt hat Baerbock sich nicht für das Plagiieren. Aber zum Opfer gemacht hat sie sich andererseits auch nicht. Ihre Fans stellten die mediale Kritik als eine Kampagne da. Sie selbst schwieg.

Heute ist sie eine Außenministerin, die Russland die Stirn bietet. Sie hat ihre zweite Chance genutzt und wirkt, was außenpolitische Werte angeht, integer. Hätte sie wie damals Guttenberg herumgejammert, wäre sie gewiss längst weg vom Fenster.

Persönliche Verfehlungen versus politische Irrtümer

Vielleicht also sollte man in puncto politischer Hygiene unterscheiden zwischen persönlichem Fehlverhalten und politischen Irrtümern – und bei Ersterem strenger als bei politischen Irrtümern sein. Bei persönlichem Fehlverhalten wie der so verbreiteten Abschreiberei sollte man genau hinsehen, wer selbiges kleinredet und wer nicht. Guttenberg und Giffey haben es kleingeredet. Baerbock nicht.

Auf der Ebene politischer Irrtümer indes ist mehr Geduld angesagt. Ganz besonders in harten Zeiten wie diesen. Konservative mit Rechtsdrall berufen sich gerne auf den Philosophen, Anthropologen und Soziologen Arnold Gehlen, der den Menschen ein "Mängelwesen" genannt hat und irgendetwas von "Hypermoral" herumfaselt. Aber sind sie selbst nicht unfassbar selbstgerecht, wenn sie Habeck wegen politischer Irrtümer derart ins Achtung stellen?

Die CSU hatte ihre "Amigo"-Affäre, aber ging nicht unter. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor wurde zwar nach Bekanntwerden seiner Verwicklung in einen Lobbyskandal gestutzt, durfte aber trotz neuerlicher Vorwürfe in der CDU bleiben und zieht seit Kurzem wieder fröhlich durch die Talkshows, während die CSU nun Hubertus Heil Vetternwirtschaft unterstellt, weil er seinen Trauzeugen (legal) in seinem Ministerium eingestellt hat.

In all diesen Fällen muss man genau hinsehen. Politische Hygiene ist wichtig, auch und gerade wegen der Vorbildfunktion. Insofern ist die Causa Graichen fraglos sehr heikel für Habeck. Aber seine politischen Irrtümer sind es nicht. Was will das Land eigentlich mehr als einen Minister, der eingesteht, sich inhaltlich völlig verkalkuliert zu haben und es künftig besser machen zu wollen?

Mit Politikern auf Augenhöhe

Am Ende, und das sage ich als Konservative, geht es darum, wie "nah man an den Menschen ist". Die Zeiten haben sich grundlegend verändert. Ich nenne es manchmal die "IKEAisierung" des Landes. Es fängt mit dem Duzen an, das in Schweden, aber auch Norwegen ja längst die Regel ist. In Rundmails von Dienstleistern wird man nur noch per "Du" angeredet. Das ganze Hierarchische ist aufgebrochen. Wer als Politiker überzeugen will, muss aufhören mit selbstgefälligem Politikersprech von oben gerab. Mit weltfremden Forderungen. Habeck hat das verstanden. Schon vor rund einem Jahr, als er bei "Lanz" sehr selbstkritisch und überlegend erklärte, warum er Gas aus Katar beziehen will.

Vor wenigen Tagen sprach er beim Wirtschaftsrat der CDU. Und erhielt Applaus. Er baut also Brücken. Gewiss, das politische Geschäft bedeutet Konkurrenz. Klar will die Union wieder an die Macht kommen. Aber mit Fairness statt Feindbildern wird das eher klappen. Das Pflegen von Feinbildern überlässt man besser der AfD. Reüssieren wird die Union, wenn sie bessere Ideen als Habeck hat. Genau darum sollte sie sich kümmern. Offenbar hat sie das inzwischen weitaus besser verstanden als viele ihrer Fans, die Habeck dämonisieren.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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