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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Merz' Migrationspolitik "Er zündet Europa an"

Alexander Dobrindt hat keinen Zweifel an der rechtsextremen Gesinnung der AfD. Katharina Dröge warnt bei "Illner": Friedrich Merz zündelt bei der Migration.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vertraut dem Gutachten des Bundesverfassungsschutzes über die AfD. Er habe den Bericht noch nicht gelesen, sagte Dobrindt zwar am Donnerstagabend bei "Maybrit Illner". Auf die Frage der Moderatorin, ob es wohl bei der Einschätzung bleibt, dass die AfD rechtsextremistisch ist, ließ Dobrindt aber keinen Zweifel aufkommen: "Der Verfassungsschutz hat es ja festgestellt. Ich habe überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln. Wieso? Das Gutachten hat das bestätigt. Punkt."
Gäste
- Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister
- Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen), Fraktionschefin
- Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin
- Melanie Amann, Journalistin ("Spiegel")
- Anne Applebaum, US-Historikerin
Dobrindt betonte aber wie schon zuvor, dass das Gutachten nicht einfach im Aktenschrank verschwinden wird. Es werde im Innenministerium von Fachleuten "angeschaut" und "betrachtet". Dobrindt selbst will sich vom Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes in das Gutachten einführen lassen. Dann werde entschieden, "ob es zum Teil veröffentlicht wird, ob es nicht veröffentlicht wird", sagte der neue Innenminister.
"Illner" zum AfD-Gutachten
Er korrigierte Illners Aussage, dass das Gutachten nur auf öffentlich zugänglichen Quellen beruht. "Nein, das ist falsch. Da kann man natürlich auch nachrichtendienstliche Elemente nutzen – mit einer hohen Hürde, aber man kann sie nutzen", sagte Dobrindt. Er wisse aber nicht, ob das passiert sei. Dass eine so große Partei im Bundestag nach Einschätzung des Verfassungsschutzes als gesichert rechtsextrem gelte, habe eine neue Qualität, unterstrich Dobrindt.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge verlangte von den neuen Kanzlerparteien, ihren Umgang mit der AfD "final" zu klären. Sie hatte dabei insbesondere ihren neuen Unions-Amtskollegen im Blick. "Jens Spahn ist mehr in Richtung der AfD unterwegs als viele andere in der Union", sagte Dröge. Spahn habe auch die Politik des US-Präsidenten Donald Trump stets sehr positiv kommentiert. "Jemanden wie Jens Spahn vertraue ich an der Stelle explizit nicht. Auf viele andere in der CDU verlasse ich mich da", sagte Dröge zum Umgang mit der AfD.
"Fehlstart mit Folgen – wie stark ist Kanzler Merz?", war diese Ausgabe von "Maybrit Illner" überschrieben. Dass wenige Stunden zuvor der neue Papst verkündet worden war, wurde in der Runde nur einmal erwähnt – nämlich als Dobrindt meinte, der Papst habe vier Wahlrunden gebraucht. Merz nur zwei, sollte das wohl heißen.
Der verstolperte Start der schwarz-roten Regierung setzt sich nach Ansicht Dröges nun auf europäischem Parkett fort.
Kritik an Merz' Migrationspolitik
"Er zündet Europa an", warf die Grünen-Politikerin Merz bei dessen Migrationspolitik vor. Gemeint war speziell die Ansage, dass Bundespolizisten bei den verstärkten Grenzkontrollen Migranten zurückweisen dürfen – auch wenn diese einen Antrag auf Asyl stellen wollen. Sollte die Regierung keine Notlage ausrufen, breche diese Anweisung europäisches Recht, warnte Dröge und fühlte sich an ein Debakel des früheren Bundesverkehrsministers erinnert.
"Wir haben das bei Alexander Dobrindt schon bei der Pkw-Maut erlebt, dass da die CSU die Idee hatte: Für ein Wahlkampfprojekt können wir auch mal europäisches Recht brechen. Das wurde peinlich in Europa und teuer", sagte Dröge bei "Maybrit Illner". Nun aber sei es eine Nummer größer. Wenn Deutschland sich nicht mehr an die europäischen Asylregeln halte, kündige es die Grundlage der europäischen Zusammenarbeit auf – und das drohe Schule zu machen: "Das, was Sie machen, ist keine Veränderung des europäischen Asylsystems, sondern eine Verabschiedung Deutschlands aus den gemeinsamen Regeln."
"Es ist sehr klar, was wir tun", widersprach Dobrindt dem Vorwurf, europäische Nachbarn mit den Zurückweisungen an der Grenze überrumpelt zu haben. Aus Polen und Österreich war seit dem Amtsantritt von Merz bereits öffentlich scharfe Kritik zu vernehmen gewesen. "Alle sind so weit im Bilde", unterstrich der Innenminister und fügte hinzu: "Dass keine Begeisterung bei Nachbarländern auftritt – das ist sehr unterschiedlich."
Journalistin erhebt Vorwurf der Heuchelei
Auch der Umgang der Union mit der Linkspartei sorgte bei "Maybrit Illner" für Kontroversen, bei denen über längere Strecken wild durcheinandergeredet wurde. Die stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin Melanie Amann hielt mit ihrer Meinung über den Start der Regierung nicht hinterm Berg. "Ich mache Ihnen den Vorwurf der Heuchelei", sagte sie an Dobrindt gewandt.
Grüne und Linke seien von CDU/CSU "verteufelt" worden, hätten am Ende aber die Wahl von Merz nach dem gescheiterten ersten Wahlgang überhaupt nur möglich gemacht. Dobrindt betonte wiederholt, es sei hier lediglich um eine Verfahrensfrage gegangen, um den zweiten Wahlgang noch am selben Tag durchführen zu können. Die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach zweifelte aber daran, dass diese Unterscheidung für Wähler Sinn ergibt und das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Union stärkt.
Man könne nicht Leute auf öffentlicher Bühne diffamieren und lächerlich machen und dann aber in Verfahrensfragen gut miteinander arbeiten wollen, warnte die Politologin von der Freien Universität Berlin. Das gelte für beide Seiten. Stellt sich die Frage: Wird die Union bei Plänen, die eine Grundgesetzänderung benötigen, auf die nötige Zustimmung der Linkspartei setzen?
Laut Dobrindt ist noch gar nicht klar, ob eine Grundgesetzänderung nötig sein wird. Sollte das so sein, sei die Lage klar: "Dann braucht man eine Zweidrittelmehrheit. Die haben wir so nicht in der Mitte des Parlaments. Und dann müssten in der Tat andere, in dem Fall die Linke, dann mitmachen." Das sei das Ergebnis der Bundestagswahl. "Punkt. Damit muss man umgehen."
- ZDF: "Maybrit Illner" vom 8. Mai 2025