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AfD-Verbotsverfahren: Neuer Plan gegen die Rechtsextremismus – großes Risiko


Innenminister diskutieren AfD-Verbot
Es gibt einen neuen Plan – und ein großes Risiko

  • Annika Leister
  • Daniel Mützel
Von Annika Leister, Daniel Mützel

Aktualisiert am 08.02.2024Lesedauer: 5 Min.
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Thüringer AfD-Chef Björn Höcke: Könnte sich ein Parteiverbot gezielt gegen seinen Verband richten? (Quelle: IMAGO/nordphoto GmbH / Hafner/imago)

Die Innenminister der SPD-geführten Bundesländer diskutieren am Freitag über Rechtsextremismus – und über ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Das ist nicht nur politisch hoch umstritten.

Es ist ein Treffen im kleinen Kreis, über das vorab kaum gesprochen wird: Die Innenminister der SPD-geführten Bundesländer diskutieren an diesem Freitag mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Informationen von t-online über Maßnahmen gegen Rechtsextremismus. Offiziell nicht auf der Tagesordnung, aber laut Teilnehmern ein sicherer Diskussionspunkt beim Treffen im Bundesinnenministerium: ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD.

Das dürfte ein Grund sein, warum Inhalte des Treffens kaum kommuniziert wurden. Nicht nur in den drei Bundesländern im Osten, in denen im Herbst gewählt wird, ist die Sorge groß, dass falsche Hoffnungen genährt werden und schon die Diskussion über ein Verbotsverfahren die AfD stärken könnte. In mancher Landesregierung schüttelt man den Kopf über Berliner Kollegen, die in der Öffentlichkeit gerade mit viel Verve die Trommel für ein solches Verfahren rühren.

Ein heißes Eisen also – und das nicht nur politisch. Rechtlich ist ein solches Verbotsverfahren mit großen Unsicherheiten verbunden. Auch deswegen sind die Mehrheiten für einen Vorstoß gegen die AfD in der Politik derzeit unklar. Die Fragen, die im Raum stehen, lauten: Geht das überhaupt? Und wenn ja: Wie am besten?

Klatsche gegen die NPD

Beantragen kann ein Parteiverbotsverfahren nur der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung, entscheiden muss darüber das Bundesverfassungsgericht. Bisher hat das Gericht erst zwei Mal ein Parteiverbot ausgesprochen – 1952 gegen die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP), 1956 gegen die stalinistische Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Zwei Verfahren gegen die NPD, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, scheiterten 2003 und 2017. Den Innenministern am Tisch dürfte diese Klatsche noch genau in Erinnerung sein.

Ein Problem: Damit eine Partei verboten werden kann, muss sie nicht nur eine verfassungsfeindliche Haltung vertreten, sondern diese Haltung auch in "aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise umsetzen" wollen. Im Fall der AfD ist umstritten, ob das tatsächlich für die gesamte Bundespartei gilt. Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen sind im Vergleich weniger radikal als Landesverbände wie Thüringen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt, die vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft werden.

Es wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik

Eine Idee gewinnt deswegen in jüngerer Zeit immer mehr Fürsprecher: Ein Verbotsverfahren nicht gegen die gesamte AfD zu eröffnen, sondern gezielt gegen ihre radikalsten Landesverbände. Es sind zugleich Bundesländer, in denen die AfD sehr stark abschneidet.

Rechtlich ist das allerdings ein Novum: Wie das Bundesverfassungsgericht auf Anfrage von t-online mitteilt, wurde "soweit nachvollziehbar" in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie ein Verbotsverfahren geführt, "das sich nur gegen einzelne Landesverbände oder einen einzelnen Landesverband einer bundesweit aktiven politischen Partei richtete".

Manch Verfassungsrechtler jedoch ist sich sicher: Das ist möglich. "Nach dem Paragrafen 46 Absatz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz können einzelne Landesverbände verboten werden", sagte Staatsrechtler Ulrich Battis t-online. "Dann kann man das auch gleich beim Antrag machen."

Verfechter dieser Position ist auch der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD): Durch die Einstufung der Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als "gesichert rechtsextrem" durch den Verfassungsschutz seien die Verfassungsschutzämter in den ostdeutschen Ländern dort "mit ihren Erkenntnissen schon recht weit und haben viele Indizien gesammelt", sagte er Ende Januar t-online. "Die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren auf Landesebene könnten dort geprüft werden."

Nicht einmal in den Innenressorts aber denken alle so wie Mäurer und Battis. Wer sich zu der Frage umhört, vernimmt immer wieder andere Ansichten – oder zumindest den Hinweis: Das sei auch unter Experten umstritten. Viele glauben, dass der Antrag sich eben doch gegen die bundesweite Partei richten muss. Erst in seinem Urteil könne das Bundesverfassungsgericht sich dann auf ein Verbot einzelner, besonders extremer Landesverbände beschränken.

"Das schärfste Schwert, das wir haben"

Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) etwa gibt sich in der Frage zurückhaltend. "Ein Parteiverbot ist das schärfste Schwert, das wir haben. Wir sollten es im Fall der AfD nur dann einsetzen, wenn wir alle anderen Möglichkeiten ausgereizt haben", so Ebling zu t-online.

Auch auf die Frage, ob die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern bereits ausreichend Erkenntnisse zusammengetragen hätten, um einen Verbotsantrag für alle Regionen Deutschlands gleichermaßen gut zu begründen, zeigt sich Ebling skeptisch: "Wir beobachten seit Jahren eine zunehmende Vernetzung zwischen der rechtsextremistischen Szene und AfD-Politikern. Bevor wir über ein bundesweites Verbot sprechen, sollten wir einen 360-Grad-Blick einnehmen und über andere Maßnahmen nachdenken. Zum Beispiel darüber, ob und wie wir die Verfassungstreue von Amtsträgern überprüfen."

Zwei Mal gewonnen – aber der Showdown steht noch aus

Abgewartet werden in der Politik außerdem noch wichtige Verhandlungen, die bald anstehen. Die wichtigste: In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Münster geht es am 12. und 13. März darum, ob der Verfassungsschutz die AfD bundesweit als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen darf.

Fällt das Urteil zu Gunsten des Verfassungsschutzes aus, woran selbst in der AfD kaum Zweifel bestehen, darf die Partei geheimdienstlich beobachtet werden. Das Ziel dieser Beobachtung: untersuchen, ob die Partei tatsächlich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt – und Beweise zusammentragen.

Es wäre Material für ein bundesweites Verbotsverfahren. So weit aber ist es noch nicht. In dieser Woche fielen allerdings zwei wichtige Vorentscheidungen, die die Position der Verbotsverfechter stärken und die in den Innenressorts genau registriert und studiert wurden.

Erstens entschied das Verwaltungsgericht Köln, dass der Verfassungsschutz die AfD-Parteijugendorganisation Junge Alternative als "gesichert rechtsextrem" einstufen darf. Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Jungen Alternative hätten sich "zur Gewissheit verdichtet", urteilte das Gericht.

Die zweite wichtige Entscheidung fiel am Mittwoch in Berlin: Dort wies das Verwaltungsgericht einen Eilantrag der AfD gegen eine Passage des Verfassungsschutzberichts aus dem Jahr 2022 zurück. Dort hatte der Verfassungsschutz geschrieben, dass es in der Gesamt-AfD ein extremistisches Personenpotenzial von etwa 10.000 Menschen oder 30 bis 40 Prozent aller AfD-Mitglieder gebe.

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Die AfD wollte diese Passage streichen lassen – das Gericht entschied: Für die Angaben im Bericht gebe es genügend hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte. Außerdem seien die Behörden zur Information der Öffentlichkeit berechtigt.

Solche Entscheidungen aber sind nur Zwischenschritte hin zu einem Verbotsverfahren. Der nächste Meilenstein ist das Verfahren am 12. und 13. März, bei dem AfD und Verfassungsschutz in Münster vor Gericht stehen.

"Aktionsplan gegen Rechtsextremismus"

Bei den SPD-Innenministern wird das Verbotsverfahren deswegen am Freitag im Bundesinnenministerium zwar Thema sein, Erkenntnisse und Strategien dürften beraten werden. Neue und substanzielle Entscheidungen aber sind vorerst nicht zu erwarten.

Auf der Tagesordnung für das Treffen stehen stattdessen Punkte, die sehr viel handfester sind: Nach t-online-Informationen wollen die Innenminister einen "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus" besprechen. Im Fokus soll dabei unter anderem der Kampf gegen Finanzströme für rechtsextreme Netzwerke, Rechtsextremismus in sozialen Netzwerken, die Möglichkeiten zum Entzug von Waffenerlaubnissen sowie zum Entfernen von Rechtsextremisten aus dem Staatsdienst stehen. Es sind also etwas weniger heiße Eisen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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